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Fünf Mädchen in kurzen Hosen schlendern am 02.04.2014 bei milden Temperaturen durch Berlin. In den Schulen ist eine Debatte ausgebrochen, wie viel Haut dem Unterricht gut tut.

© dpa

Realschule in Horb verbietet Hotpants: Zuviel nackte Haut im Unterricht? - Kleiderregeln in der Schule

Degradieren bauchfreie Shirts & Co. Schülerinnen zu Sexobjekten oder sind sie Zeichen der Selbstbestimmung junger Frauen? Das Hotpants-Verbot einer Schule in Baden-Württemberg hat die Debatte neu entflammt.

In den 60er Jahren waren Miniröcke ein Aufregerthema, heute sind es die Hotpants: Heiße Temperaturen entfachen an deutschen Schulen allsommerlich die Diskussion über die angemessene Kleidung für den Unterricht. In Horb am Neckar hat nun eine Werkrealschule in einem Elternbrief die vorläufige Regel aufgestellt: „Wer zu aufreizend gekleidet ist (zum Beispiel bauchfreies Shirt, Hotpants...), der bekommt von der Schule ein großes T-Shirt gestellt, das er/sie sich bis zum Schultagsende anziehen muss.“ Eine endgültige Kleiderordnung werde noch gemeinsam mit Schülerinnen, Schülern und Eltern erstellt.

Fragt sich nur, für wen aufreizend und warum: Die Antwort gibt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus. Man müsse sich in die heranwachsenden jungen Männer hineindenken. „Da geht mit dem einen oder anderen das Kopfkino durch.“ Damit sei die Ablenkung vom Unterricht programmiert. Überdies sei die Schule ja kein Laufsteg. Appelle für weniger luftige Bekleidung seien für Lehrer aber heikel, weil manche Eltern auf Persönlichkeitsrechte der Kinder pochten und letztere zu Trotzreaktionen neigten. „Man kann als staatliche Schule eine dezentere Kleidung genauso wenig anordnen wie eine Schuluniform.“ Das sei an Privatschulen viel einfacher, weil dort über privatrechtliche Verträge viel geregelt werden könne.

Am Stuttgarter Heidehof-Gymnasium etwa, einer evangelischen Privatschule, liegen XXL-T-Shirts bereit; sie sollen unziemliche Blößen bedecken. Auch die Horber Schule rechnet wohl mit Elternkritik, denn in dem Brief heißt es: „Es geht uns dabei nicht um die Unterdrückung der Individualität Ihres Kindes.“ Vielmehr solle die Regelung beitragen zu einem „gesunden Schulklima, in dem sich alle wohlfühlen und in dem gesellschaftliche und soziale Werte gelebt und gefördert werden“. Im Kultusministerium sagt eine Sprecherin: „Die Schule ist nicht berechtigt, die eigene Moralvorstellung zum Gradmesser für eine korrekte Kleidung zu machen.“

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Kleiderregeln oder gar Vorschriften gebe es an öffentlichen Schulen nicht. Gefährde ein sexy Outfit allerdings die Ordnung des Unterrichts, dürfe die Schule eingreifen. In den Sozialen Netzwerken hat die Horber Schulleiterin Bianca Brissaud einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Die Initiatorin der Twitterkampagne „Aufschrei“, Anne Wizorek, prägte den Hashtag #hotpantsverbot, unter dem sich nun Nutzer empören. Wizorek schrieb: „#hotpantsverbot zielt bei durchschnittlichen 30° allein auf mädchenkleidung ab. so viel zu gesellschaftlichen werten...“ Ihr Tweet wurde bereits mehrere hundert Mal geteilt.

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Eine Nutzerin spottet, dass Mädchen bald in Ganzkörperkondomen rumlaufen sollen, „damit das andere Geschlecht auf ja keine falschen Gedanken kommt“. Ein anderer fürchtet, dass es nun mit „Volldampf zurück in die 50er Jahre“ geht. Einige wenige finden die Aufregung um das #hotpantsverbot übertrieben. „Ich darf auf Arbeit nur lange Hosen tragen. Bei 34 Grad. Also heult nicht rum“, schreibt eine Twitter-Nutzerin. Im Hashtag #victimblaming (Opferbeschuldigung) kritisieren einige, durch das Verbot kurzer Kleidung werde Mädchen suggeriert, für sexuelle Belästigung selbst verantwortlich zu sein.

Ähnlich argumentiert der Schülerbeirat Baden-Württemberg. Ein Pauschalverbot sei der falsche Weg, meint Vize-Chef Felix Walz. Denn: „Hier werden Jungs unter sexistischen Generalverdacht gestellt und ein falsches Rollenbild vermittelt.“ Der Chef des Landeselternbeirates Baden-Württemberg, Carsten Rees, findet hingegen, dass auch an der Schule grundsätzliche Formen des Anstands zu wahren sind. Das Thema angemessene Kleidung betreffe aber alle: Denn die Jungen mit ihren Skater-Hosen, die den Blick auf das mehr oder weniger bedeckte Hinterteil freigeben, seien nicht immer ein Augenschmaus. Rees betont: „In der Pubertät wollen junge Menschen provozieren und Grenzen verletzen. Das Schlimmste, was wir tun können, ist, nicht einzugreifen und diese Provokationen ins Leere laufen zu lassen.“ Im Stuttgarter Heidehof-Gymnasium hat man diese Grenzen bereits gesetzt: Die Riesen-Shirts sind bislang erst zwei Mal verteilt worden - und zwar an zwei Jungen mit Hänge-Hosen. (dpa)

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