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Panorama: Rebellion an der Katastrophenküste

Nach dem Tankerunglück gerät Spaniens Regierung unter Druck und bittet Europa um Hilfe. Nun ist das deutsche Schiff „Neuwerk“ unterwegs

Von Ralph Schulze, La Coruña

Die Bürgermeister der Hafenstädte und Fischerdörfer im südlichen Galicien appellierten am Sonntag in einem gemeinsamen Aufruf an die Europäische Union, die seit zehn Tagen von der Ölpest heimgesuchte Region nicht im Stich zu lassen. Die EU solle „alle verfügbaren Mittel“ mobilisieren, um eine noch schlimmere Ölkatastrophe zu vermeiden. Luis Perez Castrillo, Stadtoberhaupt Vigos, des größten Fischereihafens Galiciens, sprach von „Frustration“ und „Zorn“ der Bürger angesichts der Unfähigkeit der spanischen Behörden, die Ölpest zu bewältigen.

Die Prognosen nach dem Schiffbruch der schrottreifen Supertankers „Prestige“ für die nächsten Tage sind buchstäblich schwarz. Und nicht nur für die galicische Küste, sondern inzwischen auch für weiter nördlich liegende Regionen Spaniens wie Asturien, Kantabrien, Baskenland und sogar für Frankreich. Ein Ölsee, der mit rund 550 Quadratkilometern so groß wie der Bodensee ist, treibt vom Ort des Tankeruntergangs unaufhörlich Richtung Nordosten, also mit Kurs aufs Land. Auch Frankreich bereitet sich deswegen auf eine Ölkatastrophe vor.

Spaniens Regierung bemüht sich derweil weiter, die schwere Ölkatastrophe, die inzwischen rund 500 Kilometer der Küste erfasst hat, so klein wie möglich zu reden. Regierungssprecher Mariano Rajoy: Man könne „nicht von einer Ölpest sprechen“, sondern nur von „örtlich sehr begrenzten Ölflecken“. Opposition, Umweltschützer und betroffene Küstengemeinden beklagen derweil das „totale Chaos“ bei der Katastrophenbekämpfung und fordern eine parlamentarische Untersuchung. Darin dürfte etwa der Vorwurf eine Rolle spielen, dass der Regierungschef Galiciens, Manuel Fraga, letztes konservatives Fossil aus dem Regime der alten Franco-Diktatur, einen zweitägigen Jagdausflug gemacht haben soll, als sich die Ölkatastrophe gerade hochschaukelte.

Doch gab es auch eine gute Nachricht am gestrigen Sonntag. Das Unwetter über dem Atlantik flaute ab, so dass die Säuberungsarbeiten an den Stränden und auf hoher See wieder aufgenommen werden konnten. Anfang dieser Woche wird auch das deutsche Ölabsaugschiff „Neuwerk“ mit 20 Mann Besatzung vor der spanischen Küste eintreffen und in den Kampf gegen die Ölflut eingreifen. Übrigens ein weiteres Beispiel für die Gemütsruhe der spanischen Behörden: Tagelang war das Angebot Deutschlands, das Spezialschiff zu schicken, unbeantwortet geblieben. Erst als die Ölpest außer Kontrolle war, kabelten die Spanier ins norddeutsche Cuxhaven einen Hilferuf.

Die „Neuwerk“ ist der Sonderstelle des Bundes zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen (SBM) in Cuxhaven untergeordnet. Die Ölpumpen des Schiffes können das sehr zähflüssige Schweröl absaugen, aber nur, wenn die Wellen nicht höher als zwei Meter schlagen. Die „Neuwerk“ kam auch vor drei Jahren nach dem Schiffbruch des Tankers „Erika“ vor der französischen Bretagne zum Einsatz.

Mittlerweile sind zehntausende Seevögel nach Schätzungen der Ornithologischen Gesellschaft Spaniens von der Ölpest betroffen. Mindestens einer vom Aussterben betroffenen Vogelart habe die „schwarze Flut“ bereits den Garaus gemacht: Die beiden letzten Kolonien eines seltenen Seevogels namens Trottellumme seien durch die ölige Pest so gut wie ausgerottet worden. Von diesen gefiederten Raritäten habe es in Spanien nur noch zehn bis 20 Paare gegeben.

Ralph Schulze[La Coruña]

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