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Die Lebenswelt der Hipster kopieren. Eine Frau in einer Kreuzberger U-Bahn-Station trägt eine unter Hipstern verbreitete Stofftasche. Nazis imitieren zunehmend diesen Stil.

© picture alliance / dpa

Rechtsextremismus: Nipster - Nazis kleiden sich wie Hipster

Immer öfter kleiden sich Nazis wie Hipster – damit wird es schwerer, sie sofort zu erkennen. Es ist eine alte Strategie von Rechtsextremen, Symbole und Stile zu kopieren und zu vereinnahmen.

Das Chamäleon ist ein Verwandlungskünstler. Je nach Stimmung und Situation kann es seine Farbe ändern, sich seiner Umwelt anpassen und noch viel wichtiger – unsichtbar werden, vor allem für seine Feinde.

Die deutsche rechtsextreme Szene scheint ein solcher Verwandlungskünstler seit Jahren zu sein. In den 80er-Jahren eigneten sich die Nazis den Skinhead-Look an, seit einigen Jahren wird in rechten schwarzen Blocks der Stil linker Gruppen kopiert. Kleidermarken wie Fred Perry, New Balance und Lonsdale wurden von der rechten Szene vereinnahmt. Angesichts der Mobilisierungsschwäche vergangener Jahre, suchen Neonazis Mittel, um neuen Nachwuchs locken zu können. Ein Trend zeichnet sich dabei ab: Sie werden hip.

„Bitte nicht schubsen, ich hab einen Joghurt im Beutel“ – klingt das nach Nazi? Anfang des Jahres knipste ein Fotograf auf einem rechten „Trauermarsch“ in Magdeburg ein Bild von einem einen Jutebeutel tragenden Nazi, das für reichlich Verwirrung sorgte. In Kombination mit Vollbart und Röhrenjeans entsprach der junge Mann eher dem geläufigen Bild eines Hipsters, nicht dem eines Rechtsextremen. Das Bild spiegelt eine Erkenntnis in der rechten Szene wieder: Mit ewig gestriger, ultra-maskuliner Glatzkopfkultur ist kein Nachwuchs zu gewinnen. Der Bundesverfassungsschutz zitiert in seinem Jahresbericht 2013 in diesem Zusammenhang das rechtsextremistische Internetportal Altermedia, welches schrieb: „Vielleicht sollte man endlich mal Prioritäten setzen und breitere Bevölkerungsschichten ansprechen. Mit irgendwelchen ‚Trauermärschen‘ und ‚Heldengedenken‘ lockt man die Jugend sicher nicht auf die Straße, das ist nur etwas für Nostalgiker.“

Symbolfigur dieser neuen Strömung ist der „Nipster“, ein Nazi, der sich wie ein Hipster kleidet. Das amerikanische Magazin „Rolling Stone“ widmete diesem Thema einen langen Text, für den ein US-Reporter extra bis in die Oberpfalz reiste. Dort wohnt zum Beispiel Patrick Schröder, „der nette Neonazi“, wie er in einem Porträt von „Spiegel-TV“ genannt wurde. Schröder sagt Dinge wie: „Man müsste in die Richtung schulen, dass die Leute ein besseres Auftreten hinbekommen.“ Zu diesem Zweck betreibt er eine wöchentlich laufende Online-TV-Show, „FSN.tv“, die sich mit Politik und Popkultur beschäftigt und rechtes Gedankengut verbreitet. Die Sendung steht unter Beobachtung des bayerischen Verfassungsschutzes. Zusätzlich gibt Schröder Stilberatungen für seine Nazi-Kameraden, in denen er erklärt, wie man sich weniger furchteinflößend kleiden könnte. Dem „Rolling Stone“ sagte er: „Wenn die Definition eines Nipsters jemand ist, der im Mainstream leben kann – dann ist das für mich die Zukunft unserer Bewegung.“

Der Nipster ist kein pöbelnder Glatzkopf

Der Nipster ist kein pöbelnder dicker Glatzkopf, er ist angekommen in der Gegenwart und in den Trends dieser Zeit. Er adaptiert nicht nur den Jutebeutel und Vollbart, er ist auch auf Tumblr und Instagram aktiv, wo er Selfies von sich vor dem Holocaust-Denkmal postet und mit dem erschreckend zynischen Hashtag „yolocaust“ versieht. Tierschutz und vegane Ernährung sind Themen, für die sich der Nipster einsetzt.

Besonders grotesk mutet hierbei eine von Nazis produzierte vegane Kochshow an. „Balaclava Küche“ heißt die auf Youtube veröffentlichte Sendung, in der junge Männer mit Sturmhauben kochen. In der ersten Folge tragen beide ein T-Shirt, auf dem die Konturen des Kopfes Adolf Hitlers zu sehen sind, darüber steht die Aufschrift: „Ein Mensch ist illegal.“ Im Hintergrund steht eine Flasche Club-Mate. Einer der Köche erklärt: „Alles, was wir hier gekauft haben, das kann man bei einem Rewe holen, zum Beispiel Äpfel, Zwiebeln, alles Mögliche hier. Den Basilikumtofu kann man in einem einfachen Bio-Laden holen.“ Die Beschreibung unter dem Video appelliert: „Containert was ihr könnt und versucht nicht zu verschwenden! Achtet auf die Herkunft der Sachen! Kauft keine Nestlé-, Coca-Cola-, Kraft-, Unilever- und Israel-Wixxe!“

Hip zu sein versuchen auch die Jungen Nationaldemokraten (JN) aus Magdeburg. In einem Youtube-Video präsentieren sie ihre Version des Harlem-Shake, die inzwischen fast 80 000-mal aufgerufen wurde. Vermummte halten Schilder in die Kamera, auf denen steht: „Mehr Sex mit Nazis! Ungeschützt!“ und „Multikulti wegbassen.“ Nipstertum hin oder her: Wer ein bisschen hinschaut, der kann das rechte Chamäleon durchaus enttarnen.

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