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Panorama: Reden, zur Sicherheit

Warum Eltern mit ihren Kindern über die Nachrichten vom Krieg sprechen sollten

Auf den Tag genau vor einer Woche standen unzählige Berliner Kinder noch mit Kerzen und Taschenlampen in der Dunkelheit: Sie formten zusammen mit ihren Eltern eine Lichterkette gegen den Krieg, quer durch die Stadt. Nun hat dieser Krieg begonnen, in den persönlichen Gesprächen und in den Medien ist er allgegenwärtig.

Wie werden die Kinder damit fertig? Wie viel sollen sie überhaupt von diesem Krieg erfahren? Der Verein für Friedenspädagogik, der sich diesem Thema seit nunmehr 20 Jahren widmet, hat dazu ein klares Statement: „Eine Bewahrpädagogik, die Kinder vor bestimmten Informationen oder Bildern schützen will, ist fehl am Platz." Der Berliner Psychoanalytiker Horst Petri weist darauf hin, dass Eltern damit oft auch sich selbst schützen wollen: „Die Auseinandersetzung mit Kriegsangst ist für uns Erwachsene oft so schwierig und schmerzhaft, weil wir uns alle für unsere Kinder eine harmonische, glückliche und zukunftsoffene Welt wünschen, und weil wir diese Vorstellung als Wunschtraum unserer eigenen Kindheit noch mit uns herumtragen."

Doch Verharmlosung und Beschwichtigung, darin sind sich Medienpädagogen und Kinderpsychologen heute einig, können die Ängste von Kindern eher verstärken. „Die Ängste der Kinder sollten nicht bagatellisiert, sondern ernst genommen werden." Dabei müssen die Eltern ihren Kindern – bei aller eigenen Besorgnis – Sicherheit geben. Schon Kindergartenkinder bekommen mit, dass über den Krieg gesprochen wird. Phantasien von Kindern beziehen sich dann oft auf den Tod der eigenen Eltern. Das haben Untersuchungen ergeben, die Petri Mitte der 80er Jahre machte, in der Blütezeit der Friedensbewegung. „Den Kindern hilft es, wenn die Eltern ihnen versichern, dass sie immer bei ihnen sein werden“, sagt der Kinderpsychiater heute.

Bei ihnen sein sollten sie in diesen Tagen nicht zuletzt beim Fernsehen. Professor Michael Kunczik vom Institut für Publizistik der Uni Mainz mahnt ganz generell: „Eltern sollten unbedingt gemeinsam mit ihren Kindern fernsehen.“ Der Wissenschaftler, der über Gewalt in den Medien forschte: „Häufig macht reale Gewalt Kinder emotional betroffener als fiktive Gewalt, wie sie in Krimis oder Spielfilmen vorkommt.“ Durch den häufigen Konsum realer Gewaltdarstellungen könne bei Kindern und Jugendlichen der Eindruck entstehen, in einer besonders gefährlichen, bedrohlichen Welt zu leben. Kleine Kinder sind dem besonders wehrlos ausgeliefert. Der Berufsverband der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie mahnt aus aktuellem Anlass, Kindern unter acht Jahren keine Nachrichtensendungen über den Krieg zuzumuten.

Wirkliches Verständnis dafür, dass die Bilder, die ins eigene Wohnzimmer gebracht werden, in weit entfernten Ländern gemacht wurden, können Kinder frühestens in diesem Alter entwickeln. Die Erwachsenen müssen auch dabei helfen: „Holen Sie den Atlas, zeigen Sie, wo der Irak liegt, ziehen Sie Vergleiche zu Entfernungen, die das Kind kennt“, rät Petri.

Unter günstigen Bedingungen kann die Konfrontation mit Bildern realer Gewalt bei älteren Kindern auch die Hilfsbereitschaft fördern. In einer Studie, für die Mitte der 90er Jahre 101 acht- bis 13-jährige Hamburger und Münchner Kinder aus verschiedenen sozialen Milieus befragt wurden, haben Helga Theunert und Bernd Schorb festgestellt, dass Mitleid mit den Opfern das durchgängige Grundgefühl der Kinder ist, die in Fernsehnachrichten mit Gewalt und Krieg konfrontiert werden. Es kann jedoch leicht umschlagen, wenn die Bilder zu grausam werden: „Das Gefühl, das Mitleid total ausschaltet, ist Ekel.“ Das dritte Gefühl, von dem die Kinder in der Befragung immer wieder sprachen, war die Angst. Angst nicht nur für die Opfer, sondern auch um sich selbst und ihre Familie.

Petri betont, wie wichtig es ist, dass auch in der größeren Gruppe, im Kindergarten oder in der Schule, wo Kinder sich mit Gleichaltrigen treffen, über die aktuellen Ereignisse gesprochen wird. Jugendliche tun das in der Peer-Group ohnehin. Auch sie haben Angst, aber ihnen eröffnen sich beim Diskutieren und Demonstrieren neue Möglichkeiten der Aktivität. Im Schulunterricht muss aber auch ihr Bewusstsein dafür geschult werden, dass Medien-Bilder nicht mit der Realität gleichzusetzen sind. Kleinere Kinder sollten dafür ermuntert werden, sich in Spielen auszudrücken und sich mit Zeichnungen wirklich eigene Bilder zu machen.

„Gemäß dem humanitären Völkerrecht haben Staaten dafür zu sorgen, dass Kinder im Krieg geschützt und mit allem Lebensnotwendigen versorgt werden“, so steht es in der Konvention über die Rechte des Kindes, die die Uno 1989 verabschiedet haben. Sie meint die Kinder, die das Unglück haben, in einem Kriegsgebiet zu leben. Sie gilt aber auch für unsere Kinder, die wir mit ihren Gefühlen nicht allein lassen dürfen.

Weitere Infos im Internet:

www.kinderschutz-zentren.org und www.friedenspaedagogik.de hilft Eltern und Lehrer beim Umgang mit Kinderfragen. www.youngavenue.de informiert Kinder.

Adelheid Müller-Lissner

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