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Bad Reichenhall

© dpa

Reichenhall-Prozess: Staatsanwaltschaft hält Angeklagte für schuldig

Im Januar 2006 waren bei einem Einsturz einer Eissporthalle in Bad Reichenhall 15 Menschen ums Leben gekommen. Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Unglück keine natürliche Ursache sondern menschliches Versagen.

Im Prozess um den Einsturz der Eissporthalle von Bad Reichenhall vor fast drei Jahren hält die Staatsanwaltschaft alle drei Angeklagten der fahrlässigen Tötung für schuldig. Sie forderte am Donnerstag vor dem Landgericht Traunstein für die beiden Ingenieure und einen Architekten Bewährungsstrafen von bis zu eineinhalb Jahren beziehungsweise eine Geldbuße von 54.000 Euro. "Der Einsturz der Halle war keine höhere Gewalt, sondern eine Aneinanderreihung von Versäumnissen und Sicherheitsverletzungen", sagte Oberstaatsanwalt Günther Hammerdinger in seinem mehrstündigen Plädoyer. Am 2. Januar 2006 waren beim Einsturz der Halle 15 überwiegend junge Menschen ums Leben gekommen.

Die Anklagebehörde sah auch ein Mitverschulden der Stadt Bad Reichenhall. Das Verfahren gegen den mitangeklagten einstigen Vizestadtbaumeister war das Verfahren zu Beginn des Prozesses am 28. Januar aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt worden.

Dem 68 Jahre alten Bauingenieur und Konstrukteur des riesigen Hallendaches warf Hammerdinger mehrere Fehler vor. Er habe die Dachbalken höher als erlaubt geplant und Einzelfallzustimmungen nicht eingeholt. Das Fehlen einer geprüften Statik und die Verwendung von falschem Leim beim Zusammenfügen der Balkenteile habe er bemerken müssen. "Wir haben hier eine ganze Palette von Pflichtversäumnissen des Angeklagten", sagte Hammerdinger und beantragte für den 68- Jährigen eine Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren wegen fahrlässiger Tötung.

Dem Bauingenieur, der 2003 im Auftrag der Stadt ein Gutachten über die Halle erstellte, hielt die Anklagebehörde ebenfalls pflichtwidriges Verhalten vor. Der heute 55-Jährige habe bei der Erstellung der Expertise zu wenig sorgfältig gearbeitet und ebenso wie der 68-Jährige das Fehlen der Prüfstatik nicht bei der Stadt moniert. Staatsanwalt Volker Ziegler hielt für den Angeklagten eine einjährige Bewährungsstrafe und 30.000 Euro Geldbuße für angemessen.

Eklatante Sicherheitsmängel

Der heute 64-jährige Architekt, der beim Erstellen der Halle und bei Nachbesserungsmaßnahmen in den 70er Jahren die Aufsicht hatte, hat nach Ansicht Hammerdingers dabei seine Sorgfaltspflichten nicht verletzt. Bei der Mängelbeseitigung in den Jahren danach hätte er aber die Stadt auf das Fehlen der Prüfstatik hinweisen müssen. "Diese Pflichtverletzung war ursächlich für den Einsturz der Halle", sagte Hammerdinger. Er warf dem Architekten fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor und beantragte eine Geldstrafe von 54.000 Euro.

Die Staatsanwälte machten in ihren Plädoyers deutlich, dass die hohe Schneelast auf dem Hallendach nach tagelangem Schneefall nicht Ursache der Katastrophe war. "Bei Errichtung der Eislaufhalle wurde in eklatanter Weise gegen damals geltende Sicherheitsvorschriften verstoßen", betonten sie.

Die Plädoyers der Nebenkläger machten die unterschiedlichen Ansichten über die Schuld der Angeklagten deutlich. Ein Vater, der seine beiden acht und elf Jahre alten Töchter verlor, verlangte vom Gericht die angemessenen Strafen dafür. "So etwas darf nie wieder passieren", sagte er. Der Anwalt eines Nebenklägers, dessen Ehefrau ums Leben kam, sah die Schuld allein bei der Stadt und verlangte Freisprüche für die Angeklagten. Am kommenden Montag beginnen die Plädoyers der sechs Verteidiger. Es wird erwartet, dass sie Freisprüche fordern. Das Urteil der Großen Strafkammer am Landgericht Traunstein könnte noch im November verkündet werden. (nal/dpa)

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