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Reise: Abschied ist Anfang

Auf „Trauerreisen“ sollen Teilnehmer persönliche Verluste verarbeiten

Schicksalsschläge während einer Reise bewältigen – zu diesem Mittel greifen viele Menschen, denen Schlimmes wiederfahren ist. Das Erlebte zu verarbeiten gelingt dabei mal mehr, mal weniger erfolgreich. Dass es auch professionelle Hilfe bei vielen Arten der Trauerarbeit gibt, ist relativ wenig bekannt. Sogenannte Trauerreisen fristen ein Nischendasein auf dem bunt- fröhlichen Reisemarkt. Der Erfolg der wenigen Anbieter zeigt jedoch, dass ein Bedarf durchaus besteht. Selbst große Veranstalter denken bereits darüber nach, ob und wie man die entsprechende Zielgruppe bedienen soll.

Das Schweizer Trauerforum etwa bietet seit Jahren Reisen für schicksalsgeplagte Menschen an, die zum Beispiel den Tod eines Partners betrauern oder über eine Scheidung nicht hinweg kommen. „Die Nachfrage steigt von Jahr zu Jahr“, sagt Catharina Jlardo vom Trauerforum im schweizerischen Solothurn. Die Trauerbegleiterin reist mit ihren Gästen stets auf die eher verschlafene griechische Insel Ikaria in der Ost-Ägäis, die bisher kaum von Touristen besucht wird. „Wir sind weg vom reizüberfluteten Alltag, wo jeder seine Stärken wiederfinden kann.“ Ihr Konzept ließe sich in heimischer Umgebung nicht umsetzen, sagt sie.

Gemeinsam mit zwei weiteren psychologisch geschulten Betreuern kümmert sich Jlardo um die Reisegruppe von zehn bis zwölf Personen. Im Mittelpunkt stehen Ausflüge und Wanderungen, auf denen jeder seine Probleme in Einzelgesprächen thematisieren kann.

In Deutschland ist Martina Taruttis eine Art Pionierin sogenannter Trauerreisen. Sie bietet seit zwölf Jahren mit ihrem Unternehmen „Traudichreisen“ spezielle Urlaube für trauernde Menschen an. Taruttis begleitet ihre Gäste an die Nordsee, ins Tessin, nach Schweden, in Klöster oder kleine Landgasthöfe und macht mit ihnen eine regelrechte Trauertherapie. „Vormittags sitzt die Gruppe in einem speziellen Raum beisammen und jeder erzählt von seinem Schicksal.“ Mit besonderen Ritualen sollen ihre Gäste lernen, Abschied zu nehmen. Die Reisen führen oft ans Meer, wo die Gruppe bei Ebbe zum Beispiel Muscheln sammelt, einen Kreis damit legt und zusieht, wie sich die Flut nach und nach alles holt. „Ich mache den Gästen bewusst, dass sie das Schöne immer nur für eine begrenzte Zeit haben“, sagt die Soziologin und Trauerberaterin.

In die Zukunft gewandt ist Irma Beuse, die Gründerin von Regenbogen-Reisen. Bei ihr steht der Begriff „Trauerreisen“ ohnehin auf dem Index. „Bei uns sitzt man nicht im Kreis und redet drei Stunden über jeden Fall.“ Ihre Fahrten seien „Reisen in den Aufbruch“. Es gehe darum, wieder positiv in die Zukunft zu blicken. „Unsere Gruppe ist immer die lustigste auf dem Schiff oder im Hotel. Nirgendwo wird so viel gelacht wie bei uns.“

So abwegig es erscheint: In der Schweiz wird erwogen, auch den von der Finanzkrise in Mitleidenschaft Gezogenen zu helfen, ihre Verluste besser zu verkraften. Catharina Jlardo vom Trauerforum erläutert, dass sie an einem Konzept arbeite, „wie wir Opfer der Finanzkrise ansprechen können“. Diese Menschen müssten schließlich „ihre Illusionen begraben“.

Diese Art der Schicksalsbewältigung gehe nun völlig in die falsche Richtung, ist von einem großen deutschen Reiseveranstalter zu hören. Für echte Trauerarbeit während einer Reise sehen die Tourismusmanager allerdings schon Bedarf – und demzufolge auch einen Markt. Es sei jedoch zu früh, darüber öffentlich zu sprechen, heißt es. Vorerst sei das Thema noch in der „Ideenschmiede“ des Unternehmens. Erst wenn ein glaubhaftes und würdiges Konzept vorliege, werde man an die Öffentlichkeit gehen. Wobei völlig offen sei, ob man überhaupt in diese Nische vordringen werde.

Mehr dazu im Internet unter: www.traudichreisen.de

www.regen-bogen-reisen.com

www.trauerforum.ch

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