zum Hauptinhalt
Und gar nicht weit hinten blitzt die Adria. Blick über die Dächer der Hotelanlage, die einem apulischen Ort nachempfunden ist.

© promo

Apulien: Das Signal der Mohnblume

Borgo Egnazio in Apulien ist ein besonderes Feriendorf. Kirche, Läden, Wehrturm und Tuffstein-Villen, neu erbaut im alten apulischen Stil.

Wenn das Licht geht in Apulien, dann färben sich die cremeweißen Mauern des „Borgo Egnazia“ erst honiggolden, dann zartrosa und schließlich rauchblau. Die Abendfeuchte trägt den Duft blühenden Jasmins und aromatischer Kräuter in die Gassen des Hoteldorfs. Über allem spannt sich noch sternenlos ein sattblauer Himmel. Wer auf der stillen Landstraße aus Richtung Monopoli kommend das „Borgo“ ansteuert, sieht hinter malerischen Trockenmauern die Bauern gebückt unter den Olivenbäumen in der rostroten Erde stehen. Als schmaler Streifen blitzt in der Ferne die Adria. Und die Zinnen und Türmchen des Hoteldorfs scheinen über den grünsilbernen Wipfeln tausender alter Olivenbäume zu schweben.

„Herzlich willkommen!“, sagt Claudio, der Portier und lüftet kurz seine elegante beigefarbene Coppola, wie man die Schiebermütze hier in der Landschaft nennt. Borgo Egnazio ist ein Feriendorf in der Selva di Fasano. Selva bedeutet Wald, in diesem Fall der riesige Wald knorriger Olivenbäume. Borgo heißt Dorf auf Italienisch, und Egnazia ist ein nahes archäologisches Ausgrabungsgebiet aus frühchristlicher Zeit. Nur durch die Landstraße und einen Golfplatz ist das Hoteldorf vom Meer getrennt. Neben den viele Jahrhunderte alten Masseria genannten Gutshäusern sieht das Borgo so aus, als habe es schon immer dort gestanden. So täuschend echt haben die apulischen Baumeister die alte Wohnkultur nachgeahmt. Dabei wurde das Hotel erst 2012 eröffnet.

Ein wenig gleicht es einer Festung. Kein Wunder, denn Masserien wurden einst wegen der gefürchteten Überfälle durch die Türken sehr wehrhaft gebaut. Manche haben sogar Schießscharten und Pechnasen. Im Borgo scharen sich 92 kleine zweistöckige Apartmenthäuser um einen imaginären Dorfplatz. Eine Kirche und kleine Läden dürfen nicht fehlen. Ein Haupthaus mit 63 eleganten Zimmern samt Wehrturm und 28 Villen fügen sich mit Bars, Restaurants und Pools zu einer luxuriösen Siedlung auf Fünf-Sterne-Niveau. Alles ist aus dem Tuffstein geschlagen, der im nahen Valle d’Itria abgebaut wurde. Buttrig weiß hat man ihn geschlämmt.

Porter Claudio.
Porter Claudio.

© Inge Ahrens

Eine Farbe wie eine sanfte Umarmung. Draußen wie drinnen, wo das Licht golden hinter Steinen hervorquillt, durch Lüster grüner Flaschen glimmt oder aus gigantischen Lichtaquarien dringt. Eine Atmosphäre wie geschaffen für Tage des Müßiggangs. An Zimmerwänden und in Lobbys sind riesige rostige Schlüssel, eiserne Töpfe und Pfannen, Reisigbesen und andere bäuerliche Haushaltswaren gebündelt, zu kunsthandwerklichem Patchwork arrangiert. Sie erinnern an eine Zeit, die hier jedoch längst vergangen ist, als Apulien von Touristen noch nichts wusste.

Zur blauen Stunde sammelt Elena am Pool die flauschigen Badelaken ein. Giuseppe serviert noch einen fruchtigen Bellini, ein Cocktail aus trockenem Prosecco mit einem halben pürierten weißen Pfirsich. Die meisten Gäste haben sich vor dem Abendessen auf ihre Balkons zurückgezogen oder spazieren durchs Dorf. Andere drehen noch eine Fahrradrunde durch die Olivenwälder. Die Mohnblumen am Wegesrand erscheinen im letzten Licht wie Signalleuchten.

Apulien ist Italiens tiefster Süden. Von wirtschaftlichen Höhenflügen ausgeschlossen, aber mit einer der herrlichsten Landschaften gesegnet. Touristen aus aller Welt haben es seit Jahren für sich entdeckt. Hier scheint Italien noch echt zu sein. Wo vorher reines Agrarland war, wird jetzt Genuss in der Abgeschiedenheit der ehemaligen Masserien zelebriert. Masserien, das sind die Überbleibsel feudalen Großgrundbesitzes. Sie stammen aus der Zeit, als die Bauern das Land für Adlige bewirtschafteten, während diese selbst in fernen Palästen wohnten. Allenfalls kamen sie im Sommer, wenn es ihnen in den Städten zu heiß wurde. Sonst erledigte der Massaro die Geschäfte. Bis in die 1950er Jahre hinein verdingten sich die apulischen Bauern an die reichen Herren.

„Apulien ist keine Touristenfalle. Apulien ist real“

Imposant – der Eingang ins durchaus feudale Borgo Egnazia.
Imposant – der Eingang ins durchaus feudale Borgo Egnazia.

© promo

In der Region zwischen Bari und Brindisi finden sich hunderte solcher bäuerlichen Ansiedlungen. Tausende sind es wahrscheinlich in ganz Apulien. Etliche sind dem Verfall preisgegeben. Manche wurden an Fremde verkauft. In einigen wird noch heute Landwirtschaft betrieben, das kostbare Olivenöl gepresst oder unter den Bäumen Kartoffeln und Kohl geerntet. Immer mehr Gutshöfe aber wurden von ihren Besitzern neu entdeckt, restauriert und zu hinreißenden Ferienquartieren umfunktioniert. Puglier, die früher auf dem Feld arbeiteten, suchen heute zunehmend im Tourismus ihr Auskommen.

Im Borgo arbeiten während der Hochsaison bis zu 600 meist junge Menschen, erzählt Aldo Melpignano. „Wir hatten eine Farm in der Selva die Fasano ...“ Obwohl die aus Fano stammende Familie Melpignano seit vielen Jahren in Rom lebte, verbrachten alle gemeinsam die Sonntage und auch die Sommer in ihrem Familienhaus, der Masseria San Domenico. San Domenico war ein prachtvolles Gutshaus aus dem 18. Jahrhundert, wo noch das Olivenöl aus den Früchten der umstehenden Bäume gepresst wurde.

Aldo Melpignano ist inzwischen Mitte dreißig und der geschäftstüchtige lockige Kopf des zur San-Domenico-Hotelgruppe gehörenden Borgo Egnazia. Aldo hat in London und Philadelphia Wirtschaft studiert. Lange Zeit war er der Einzige in der Familie, der Englisch sprach. Während Vater Sergio weiter in Rom arbeitete und nur an den Wochenenden auf den Familiensitz kommt, verwandelt Mutter Marisa 1996 den Stammsitz in ein Fünf-Sterne-Resort.

Die Masseria San Domenico, in der zum Teil noch die Familienmöbel stehen, ist in eine weitläufige Landschaft aus angelegten Gärten und Olivenhainen gebettet und ähnelt drinnen einem klassischen englischen Landsitz. „San Domenico ist der Augapfel meiner Mutter“, schwärmt Aldo Melpignano.

Wenig später erwarb die Familie angrenzendes Land und schuf den Golfplatz mit Meerblick. Wer dort am ersten Loch abschlägt, sieht einen kirschroten Turm in den Bäumen stehen. Der gehört ebenfalls zur Hotel-Gruppe und ist Teil der zauberhaften Masseria Cimino. Sie stammt aus der Familie Marisa Melpignanos und wird heute als kleines 15-Zimmer-Haus von Aldos Tante geführt. Längst ist die Familie vom Hotelbusiness infiziert, und als Aldo Melpignano aus England nach Hause zurückkehrte, wuchs die Idee für das Borgo Egnazia. Nein, Olivenbäume seien dafür nicht gefallen. „Da war nur steinige Erde. Seinerzeit wollte Mussolini hier einen Flugplatz bauen“, erzählt der smarte Römer, der mit dem Hoteldorf ein lebendiges und junges Gegenstück zur Masseria San Domenico schaffen wollte. Platz und auch Intimsphäre gibt es jedenfalls genug für alle.

Im „Borgo Egnazia“ lassen sich ganze Tage verplempern. Jenseits der Straße kann man auf dem Golfplatz sein Handicap verbessern, einen Kochkurs machen, im Spa abtauchen, eine kurze Fahrradtour nach Savelletri di Fasano unternehmen oder einfach querbeet auf den Arbeitswegen durch die Olivenhaine strampeln. Wer mit dem Auto fährt, hat es nicht weit nach Polignano a Mare, dessen Altstadt wie ein Adlernest auf einer Felsnase hockt. Dort gibt es das beste Eis der Region und die frischesten Meeresfrüchte. Cisternino ist nicht weit und die weiße Stadt Ostuni auf ihren sieben Hügeln. Essen, Wein, die Menschen, historische Städte, Strand und die einzigartige Landschaft machen für Aldo Melpignano sein Apulien aus. „Apulien ist keine Touristenfalle, wo Bauernmärkte extra inszeniert werden. Apulien ist real“, betont der sympathische Unternehmer.

Aldo Melpignano pendelt zwischen Großbritannien und Apulien. In London wohnt seine Frau mit den Kindern, dort hat die Hotel-Gruppe schon seit 2004 ein weiteres Haus, das San Domenico House im Stadtteil Chelsea. „Mutter hat uns die Begeisterung vererbt“, da ist sich Aldo ganz sicher. Nun ist er infiziert und hat sich unter anderem bei internationalen Hotelgruppen das nötige Rüstzeug angeeignet, um die stetige Entwicklung des Familienunternehmens zu gewährleisten. Einen Chairman gibt es allerdings nicht im Betrieb. „Bei uns ist immer nur die Familie präsent: meine Mutter, meine Tante und ich.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false