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Wuhan hat mehr Wanderarbeiter als Berlin Einwohner.

© Christina Franzisket

Chinatagebuch 8: Im weißen Blitz

Auf ihrer Bahnreise durch China düst unsere Autorin von Wuhan nach Guanzhou - und landet in einem Etablissement voller Missverständnisse.

Knietief stehen Bauern im Wasser ihrer Reisfelder, eine runde Bastmütze auf dem Kopf und Zügel, die einen Ochsen führen, in der Hand. Sie sind umgeben von der Natur des subtropischen Südchinas. Keine Hochhäuser, keine Baustellen, nur grüne Hügel und Felder so weit das Auge reicht.

Idylle zwischen Smog und Hochhäusern, der Ost-See.
Idylle zwischen Smog und Hochhäusern, der Ost-See.

© Christina Franzisket

Plötzlich schneidet ein weißer Blitz wie ein Säbel durch die Felder. Und wir sitzen drin, im weißen Blitz. Mit fast 400 Kilometern in der Stunde bringt uns der schnellste Zug der Welt von Wuhan ins etwa 1000 Kilometer entfernte Guanzhou. In drei Stunden!

Die letzten zwei Tage haben wir in Wuhan verbracht, einer mittelgroßen chinesischen Stadt, mit 8 Millionen Einwohnern und etwa 4 Millionen Wanderarbeitern. Von einem Ende der Stadt bis ans andere dauert es mit dem Auto um die drei Stunden. Vorausgesetzt, man steht nicht im Stau. In Wuhan gibt es noch keine Metro, die wird in zwei Jahren fertig. Der Verkehr findet auf den völlig überfüllten Straßen statt. Unser Taxifahrer hat es eilig. Rasant und wild lenkend schlängelt er sich zwischen den Fahrzeugen durch jede noch so kleine Lücke. „Akrobatisches Fahren“ nennt er seinen für China nicht unüblichen Fahrstil.

Wuhan ist eine Industriestadt. Eisen, Stahl und Automobilfabriken beschmutzen mit ihren Gebäuden und Schornsteinen das Stadtbild. Auf dem Yangtze, dem mit 6.300 Kilometern längste Fluss Chinas, befindet sich in Wuhan einer der größten Binnenschifffahrtshäfen. Als wir über eine Brücke über den Fluss fahren, sagt der Fahrer, er sei stolz, denn Mao Zedong habe hier in seiner Heimat im Yangtze gebadet. Das feiern die Wuhaner jedes Jahr mit einem Schwimmwettbewerb.

Wir besuchen den Ost-See. Ähnlich wie der Central Park in New York, eine Oase zwischen Hochhäusern und Stadtstress. Mit dem Tandem radeln wir am Ufer entlang und genießen die feuchtwarme Sommerluft. Junge Brautpaare lassen sich in der Natur fotografieren. Die Bräute tragen weiße Kleider mit einem breiten Reifrock. Die Haare sind gesteckt und mit zartem Schmuck verziert. Die Männer tragen einen Anzug, weiß oder cremefarben.

Am Abend landen wir aus Bequemlichkeit in unserer Hotelbar. „Night-Club“ steht neben dem 3. Stock im Aufzug. In gedämpftem Licht stehen einige leicht bekleidete Chinesinnen. Ein Angestellter geleitet uns zu unserem Platz. Wir sitzen auf einem roten Sofa in einem Separée mit herzförmigem Eingang. Ein Junge im roten Seidenhemd kommt durch den Vorhang herein, verbeugt sich tief und stellt einen Obstteller und Kleenextücher auf den Tisch.

Früh übt sich: Maschinengewehre zum Spielen für die Kleinen.
Früh übt sich: Maschinengewehre zum Spielen für die Kleinen.

© Christina Franzisket

Noch traut sich niemand von uns, seine Vermutungen auszusprechen. Schön sei es hier, wird bemerkt. Als wir bestellen möchten, entsteht große Aufregung unter den Angestellten. Das kennen wir bereits, es ist das allgemeine Verständigungsproblem. Trotzdem möchten sie uns besonders gut bedienen. Der, der wenigstens ein paar Worte Englisch spricht, wird vorgeschickt, die anderen ducken sich dahinter. Wir bestellen Bier und Weißwein. Nun entsteht eine große Diskussion unter unseren fünf Kellnern. Keiner hat verstanden. Wir bekommen eine Flasche Ballantine's. Wir probieren weiter, was für eine tolle Unterhaltung! Auf einen Zettel malen wir Weinreben, Glas und Flasche. Für das kalte Bier müssen wir den Stift gar nicht erst zücken, wir schaffen es mit Pantomimen.

Am nächsten Morgen erzählen wir unserer Reiseleiterin Ling, wo wir unseren Abend verbracht haben. „Ihr wart im Bordell“, flüstert und kichert sie leise.

Christina Franzisket

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