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Bootsfahrt über heiliges Wasser.

© Christina Franzisket

Indien-Blog (6): Zu Ehren von Mutter Ganges

1500 Kilometer will Christina Franzisket gemeinsam mit einer Freundin durch Indien reisen, um den Mythos des Ganges zu ergründen. In ihrem Blog berichtet sie von ihren Abenteuern. Diesmal: Die heilige Mutter Ganges.

Über dem Ganges dämmert der Abend. Das Ghat ist von Scheinwerfern in gelbes Licht getaucht, viele Menschen haben sich eingefunden. Auf den Stufen, die zum Wasser führen, sind Altare aufgebaut, festlich mit Blumen geschmückt. Kelche, aus denen Flammen züngeln, Schalen mit Gewürzen und goldene Glocken stehen darauf. Wir suchen uns einen Platz, um das Spektakel zu beobachten. Jeden Abend findet hier eine hinduistische Zeremonie zu Ehren Mutter Ganges statt. In goldene und rosa Seide gehüllte Männer besetzen die Altare. Einer der Hindu-Priester singt in ein Mikrofon, andere schlagen Becken, einer läutet die Glocke. Die Einheimischen, Sadhus und Pilger, falten die Hände und schließen die Augen.

Wir befinden uns im Touristenblock, um uns herum sitzen lauter käseweiße Langnasen wie wir. Die besten Plätze haben diejenigen, die in einem der vielen Boote am Ufer sitzen. Im Schneidersitz hocken die Seidenmänner auf ihren Altaren, läuten Glocken und streuen Gewürze in Flammen. Es zischt und dampft, der Geruch von Minze, Koriander und Ingwer verbreitet sich. Die Klänge durch Becken, Flöten, Glocken und Trommeln werden immer wilder, die Menschenmenge wiegt sich, manche singen lauthals mit. Andere sind völlig still in Meditation versunken. Plötzlich berührt eine kalte Hand meinen Oberarm. Ich sehe in die großen Augen eines Jungen. Er hält mir die leere Hand hin. Mist, ich habe nichts für ihn dabei. Ich schüttle den Kopf, er bleibt hartnäckig. Ein anderer Tourist schenkt ihm daraufhin ein paar Bonbons. Ab morgen werde ich auch immer welche in der Tasche haben, denke ich mir.

Am Ende der Zeremonie schütten die Priester Wasser und Gewürze in den Ganges, die Menschen heben die Hände und rufen aus vollen Hälsen "jai, jai". Frauen, Kinder und Touristen lassen kleine Lichtschiffchen aus Blüten und einem Teelicht in das Wasser. Auf dem Ganges schwimmen hunderte Lichtflecke. Langsam ziehen sie mit der Strömung.

Am nächsten Morgen treffen wir Diana, sie kommt auch aus Deutschland und reist ganz allein drei Monate durch Indien. Mutig, finden wir und planen eine gemeinsame Bootsfahrt auf dem Ganges. Nach hartem Verhandeln mit dem Bootsfahrer schippern wir eine Stunde für 200 Rupies, etwa 3,50 Euro. Wir nehmen noch ein junges indisches Paar mit. Sie halten sich die ganze Zeit zärtlich im Arm, das haben wir noch nicht oft gesehen auf unserer Reise. Ein Mann steigt dazu, er sei auf Pilgerreise. Unser Steuermann weist auf die Ghats.

Hinduistische Zeremonie zu Ehren Mutter Ganges.
Hinduistische Zeremonie zu Ehren Mutter Ganges.

© Christina Franzisket

Überall baden Menschen. Dann passieren wir ein Verbrennungsghat. Hier auf den Stufen und am Rande des Ganges werden verstorbene Hindus verbrannt. Wir sehen einen Toten in weiße Laken gehüllt auf einem Holzhaufen liegen. Um ihn versammelt sind seine Angehörigen, einer entfacht das Feuer. "Es dauert etwa drei bis vier Stunden, bis ein Körper vollständig verbrannt ist", sagt unser Steuermann, "jeder möchte hier verbrannt werden", erklärt er, "doch das Holz ist teuer, es ist Sandelholz." Könne man sich nicht genügend Holz leisten, so würden die unvollständig verbrannten Überreste den Fluten Mutter Ganges übergeben.

Der Mann am Ruder kommt ins Schwitzen, wir fahren gegen die Strömung. Er quält sich und wir uns mit ihm, wir drehen um und lassen uns zurück treiben. Der Pilger streckt immer wieder seine Hand ins braune Nass. Manchmal lässt er einige Tropfen in seinen Mund gleiten. Dann schließt er die Augen und betet. Uns läuft es kalt den Rücken herunter, bei dem Gedanken dieses Wasser zu trinken. Wir würden sicherlich sofort Durchfall bekommen. Unser Steuermann lacht: "Holy water makers holy shit!" Am nächsten Morgen starten wir noch vor Sonnenaufgang zum Bahnhof. Unser Zug fährt um sieben, um sechs betreten wir den Bahnsteig. Sieben Stunden werden wir nun hier warten, denn der Zug verspätet sich.

Christina Franzisket

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