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Gläubige beten und meditieren unter dem Bodhibaum in Bodhgaya.

© Christina Franzisket

Indien-Blog (7): Auf dem Weg zum Bodhibaum

1500 Kilometer will Christina Franzisket gemeinsam mit einer Freundin durch Indien reisen. In ihrem Blog berichtet sie von ihren Abenteuern. Diesmal sind die beiden unterwegs zu dem Baum, unter dem Buddha die Erleuchtung fand.

Eine sechs steht rot auf der Anzeigentafel am Bahnhof Varanasi. Unser Zug nach Bodhgaya hat sechs Stunden Verspätung. Schöne Bescherung. Um den Männerscharen, die am Bahnhof herumhängen, zu entkommen, flüchten wir in den Frauenwarteraum. Nach drei Runden Mau Mau halten wir den Uringestank, der aus der Toilette strömt, nicht mehr aus. Auf einer Steinbank am Ende des Gleises 6 richten wir uns häuslich ein.

Der erste Inder kommt schnellen Schrittes das Gleis entlang. Sein Blick trifft uns: zwei schweißnasse, entnervte Bleichnasen inmitten von Gepäckbergen. Er bremst ab auf Schneckentempo, sein Unterkiefer klappt nach unten, seine Augen aufgerissen. Er schleicht an uns vorbei. Als er seinen Kopf nicht mehr weiter drehen kann, macht er kehrt und bleibt schließlich direkt vor uns stehen.

Ein glotzender Inder lockt stets eine ganze Horde an. Fünfzehn Männer stehen da, stumm und mit offenen Mündern betrachten sie uns. Ein Ochse trottet vorbei, bleibt stehen, schaut auch. Doch der zieht gleich weiter. Wir versuchen unsere Zuschauer zu langweilen. Susanne ließt im Reiseführer. Einer guckt ihr dabei über die Schulter und zieht ständig lautstark Rotz hoch. Sie reicht ihm ein Tempo, woraufhin alle Männer zu ihm stürzen und das weiße Ding bestauenen. Der Beschenkte freut sich, dreht und wendet das gute Stück, klappt es auf und zu und zieht seinen Rotz hoch. Susanne macht es ihm vor. Er kapiert und schnäuzt. Alle lachen.

Jetzt wird die Menge mutiger, wir beantworten die üblichen Fragen, nach Land, Beruf und Ehemännern. Jeder möchte einmal unser Zugticket anschauen und einen hilfreichen Tipp geben. Die Männer streiten, welches Gleis nun das Richtige für uns sei. Einer wird aufdringlich, will ein Foto und ein Küsschen. Wir flüchten erneut. Dieses Mal in einen Imbiss.

Open-Air-Dusche neben den Bahngleisen.
Open-Air-Dusche neben den Bahngleisen.

© Christina Franzisket

Aus den Fenstern können nun wir das Treiben auf dem Bahnhof ungestört beobachten. Am Rand der Schienen sprudelt Wasser aus Schläuchen, Männer stehen darunter und duschen. In Unterhosen seifen sie sich ein, spritzen sich nass und lachen. Daneben pinkelt einer. In einer anderen Ecke hackt ein Arbeiter den Bahnsteig auf. Seine Kollegen hocken im Schatten, schauen dem Schuftenden zu.

Kurz bevor unser Zug einfährt erfahren wir, dass wir schon vor Stunden einen anderen hätten nehmen können. Wir werden noch gewarnt, vor den Rikschafahrern am Bahnhof in Gaya. Sie würden versuchen, uns zu betrügen.

Nach einer ruhigen Zugfahrt im klimatisierten Abteil bitten wir einen Mitreisenden um Hilfe bei der Taxiwahl. Er sei ein indischer Geschäftsmann und käme heute seit zwei Jahren das erste Mal nach Hause, erzählt er uns.

Als die Türen sich öffnen und der Mann heraus tritt, rennen zwei vor Freude kreischende Kinder auf ihn zu. Sie springen auf ihren Vater, der sich kaum auf den Beinen halten kann. Zwei junge Maenner kommen angelaufen, rufen laut, lachen und herzen unseren Mitreisenden. “My brothers”, sagt er. Dann tritt eine Frau im Sari dazu, langsam, fast schwebend kommt sie daher. Beide geben sich die Hand und verbeugen sich voreinander. “My wife”, sagt der Mann. In der glücklichen Traube ziehen wir mit und rasch ist ein guter Preis mit einem Taxifahrer ausgehandelt.

In der Abenddämmerung erreichen wir Bodhgaya. Hier unter dem Bodhibaum erlangte Buddah die Erleuchtung. Somit ist Bodhgaya eine der wichtigsten Pilgerstätten für Buddhisten. Wir beziehen ein Pilgerzimmer mit Betten hart wie Stahl und ziehen los.

Auf den Straßen das wuselige indische Treiben, doch kaum haben wir die Schuhe ausgezogen und das Gelände des Tempels und des Bodhibaums betreten, ist Ruhe. Auf einem noch warmen Steinpfad gehen wir über das grüne, zauberhafte Gelände. Leise hören wir Gläubige Gebete murmeln. Mönche mit geschorenen Haaren und in rote Roben gehüllt kommen uns entgegen. Butterlampen, Drehzylinder und Chörten, das sind Reliquienschreine, säumen den Weg. Wir finden einen See, in dessen Mitte ein Buddah aus Stein auf einem Lotusblatt meditiert. Dann stehen wir plötzlich vor dem Baum. Der Stamm ist breit und die grünen Äste reichen weit über den Platz, auf dem Betende sitzen. Wir setzen uns einen Moment dazu und genießen das rhythmische Gemurmel der Mantras.

In einem tibetischen Restaurant probieren wir Momos, Teigtaschen gefüllt mit Gemüse und sind begeistert. Danach trinken wir einen Lassi. Das ist eine Art Joghurt-Milchshake, wahlweise mit Mango, Banane, Melone oder auch salzig. Ein Muss für jeden Indienreisenden, nicht nur super lecker, sondern auch gut gegen Bauchbeschwerden.

Christina Franzisket

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