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Wie auf eine Perlenschnur gezogen. Auch am Ufer des Chindwin-Flusses reihen sich die buddhistischen Kultbauten, wie allenthalben in Myanmar.

© Bernd Schiller

Myanmar: Böse Geister tanzen nicht

Luxuriöses Abenteuer: Eine Reise auf dem Chindwin-Fluss führt zu Myanmars Schätzen.

Die „Orcaella“ ankert vor Mokehtaw, einem Dorf am Mittellauf des Chindwin. Für uns Passagiere heißt das: umsteigen auf ein Beiboot, anlanden am schlammigen Ufer, denn es hat einige Tage heftig geregnet. Die „Scouts“, die an jedem Ort der Flussreise vorab die Bedingungen des Landgangs erkunden, haben Sandsäcke legen lassen, um ein Fortkommen für die Passagiere überhaupt zu ermöglichen.

So steigen wir sicheren Tritts einem Kloster entgegen, in dem der Initiationsritus von Kindermönchen heute zelebriert wird. Nahezu alle Dorfbewohner sind versammelt. Eltern und Verwandte führen ihre fünf- bis siebenjährigen Jungen, in festliche Gewänder gehüllt, vor den Abt. Der rasiert den Knaben die Köpfe und nimmt sie mit einer kurzen Rede in die Gemeinschaft der Mönche auf, für ein paar Wochen, für ein Jahr, vielleicht für immer...

Kleine Ausflüge wie diese in den Alltag eines noch immer wenig bekannten Landes bieten in Myanmar oft ein berührendes Schauspiel, zeigen Facetten aus dem Leben der meist tiefgläubigen Menschen.

Die Passagiere des Flussschiffes „Orcaella“, das auf dem Chindwin River unterwegs ist, diskutieren noch beim Abendessen über das Erlebte. Und sind etwas verunsichert. Waren wir, immerhin gut 60 Personen mit den Begleitern vom Schiff, Eindringlinge? Haben wir zu viel fotografiert? Nein, beruhigen uns die einheimischen Guides, ganz im Gegenteil: das Dorf habe sich geehrt gefühlt... Wir wollen es mal glauben.

Der Weg ist ein Teil des Ziels

Elf Tage auf einem Flussdampfer, unterwegs in einer Region, die auch für weit gereiste Passagiere Neuland ist – ein langer Törn. Aber elf Tage auf dem Chindwin, der weit in den Norden Myanmars hinein mäandert, dicht entlang der Grenzen zu Indien, das bleibt letztlich ein kurzer Blick hinter den Horizont, ein Abenteuer auch für erfahrene Reise-Gourmets, gut gesichert und luxuriös abgefedert.

Manchem mag es zuweilen etwas bizarr vorgekommen sein, die Begegnung der Ersten mit der Dritten Welt. Und doch haben es letztlich wohl alle als Reisegenuss empfunden, als gemächliche Annäherung an das alte Sehnsuchts-Birma, das, weiter südlich und erst recht in den großen Städten, längst dabei ist, sich ins moderne Myanmar zu verwandeln.

Sieben blaue Lastwagen dieseln an der Uferstraße von Mawleik vor sich hin, jeder hat vier bis fünf Stühle auf der Ladefläche. Der Besuch eines Elefantencamps steht auf dem Programm, eine Art Altersheim für ehemalige Arbeitsdickhäuter, gut 30 Kilometer landeinwärts im Dschungel gelegen. Die Trucks rumpeln und schlingern über sandige und aufgeweichte Pisten. Der Weg ist hier wesentlicher Teil des Ziels.

Den Reisenden, größtenteils gehobener Mittelstand und Bildungsbürger aus Amerika, Australien und Deutschland, gefällt der „Ritt“ durch die Wildnis mindestens so gut wie das Streicheln und Füttern der grauen Riesen, auf die sich Besucher auch kurz setzen dürfen.

Keine Hektik an Bord

Zurück an Bord, verschwitzt, mit Schlammspritzern an Hemd und Hosenbeinen, aber glücklich. Mit feuchten Tüchern, kalten Getränken und der Möglichkeit, sich die Schuhe putzen zu lassen, werden die Ausflügler an der Rezeption empfangen. Zum Yoga finden sich an diesem Nachmittag nur zwei Interessenten ein, beim Vortrag über den Holzhandel in britischer Kolonialzeit und die ökologischen Folgen des Raubbaus an der Natur in unseren Tagen ist die Lounge hingegen gut besucht.

Die Atmosphäre an Bord ist gepflegt und bar jeder Hektik. Auch wenn das Schiff wie auf unserer Tour mit 46 Passagieren so gut wie ausgebucht ist, bleibt viel Platz, sich zurückzuziehen: zum Beispiel in die im Clubstil eingerichtete Lounge, auf eine bequeme Liege am kleinen Pool (was bei der feuchten Hitze in den Monsunmonaten kaum jemand länger als eine halbe Stunde aushält) oder in die halb offene Hecklounge, die unter anderem mit Sesseln und Sitzecken ideale Ruhezonen nach schweißtreibenden Exkursionen bietet.

Ein Besuch bei den Naga

Die „Orcaella“
Die „Orcaella“

© Belmond

Homalin, Wendepunkt der Reise. Bis zu diesem Städtchen fahren Passagierschiffe wie die „Orcaella“ nordwärts, hier drehen sie alle wieder gen Süden nach einem Tag und einer Nacht vor malerischer Uferkulisse mit Pagoden, Palmen und einem betriebsamen Hafen. Diesmal sind Pick-ups das Transportmittel der Wahl für einen Ausflug ins Hinterland. Ein Besuch bei den hiesigen Naga steht auf dem Programm, einer Volksgruppe, die bis vor zwei, drei Generationen als rebellische Krieger, vor 100 Jahren sogar noch als Kopfjäger in die Geschichte Birmas und Indiens eingegangen ist. Da jagt es den Reisenden schon mal einen Schauer über den Rücken.

Zwar sind die Naga jenseits der Grenze, auf indischem Gebiet, tatsächlich oft für Unruhe verantwortlich, in Myanmar hingegen sind sie überwiegend durch US-amerikanische Baptisten missionierte Christen geworden und friedlich um ihr eigenes Überleben bemüht. Ihre Kleidung, Tänze, Traditionen in Küche und auf Festen haben sie weitgehend bewahrt.

Das freut bei unserem Besuch alle Beteiligten – die Naga, die tanzen und ihre Webarbeiten verkaufen können, die Chindwin-Abenteurer, weil es viel Neues zu lernen und Buntes zu fotografieren gibt. Und – nicht zu vergessen – es gibt auch Ungewöhnliches zu kosten: Innereien zum Beispiel, die die Mutigsten mit lokalem Hirsebier herunterspülen. Der birmanische Bordarzt, der auch in der größten Hitze stets blütenweiß und knitterfrei gekleidet ist, hat jedenfalls auch am Tag danach nichts zu tun...

Whisky, Zigarren und wilde Tänze

Geisterstunde zur Mittagszeit. Mehr als hundert Stufen quälen sich alle, selbst die Fußlahmen, zu einem Kloster hoch über dem Fluss hinauf. Spektakuläres ist angesagt: eine Art Exorzismus, Trancetänzer im Einsatz gegen die Nats, allgegenwärtige Geister des Landes, die ihre uralte Rolle neben dem Buddhismus vor allem auf dem Lande nie eingebüßt haben. Die wichtigsten wohnen auf dem Popa-Berg, der südlich von Bagan tausend Meter hoch aus einer ansonsten brettflachen Ebene ragt.

Kapitän Thein
Kapitän Thein

© Bernd Schiller

Hier, im Dörfchen Kani, aber geht es um den „Herrn des weißen Pferdes“, eine mysteriöse Gestalt, die in einem Schrein neben den buddhistischen Andachtsstätten verehrt wird. Manchmal, wenn zahlendes Publikum so wie heute kommt, müssen die Geister mit wilden Tänzen, viel Whisky und dicken Zigarren in Schach gehalten werden.

Die Abenteurer staunen, sind aber, so hat es den Anschein, nach dem Abstieg froh, wieder mit kühlen Getränken und eiskalten Tüchern an der Gangway begrüßt zu werden.

Kamera im Anschlag

Flusstage ohne Landgang bieten auch auf dieser Reise ausreichend Zeit für Entspannung. Für ein paar Minuten sucht der eine die Erfrischung im Pool an Deck. Andere ziehen sich mit einem Bildband über die Völker Birmas auf einen der Lesersessel in die gut gekühlte Bibliothek zurück, lassen sich mit einem Ingwertee oder, wenn die Sonne schon tiefer steht, mit einem Gin Tonic, dem Klassiker unter den Sundownern, verwöhnen.

Lässige Eleganz und ein Ambiente aus dezenter, vorwiegend asiatisch geprägter Dekoration prägen den Stil des Schiffes.

Man besucht an den Tagen zwischen den Exkursionen den stets gut gelaunten Kapitän im Ruderhaus, leiht sich ein starkes Fernglas aus, winkt den Kindern und Frauen am Ufer zu, die dort sich und ihre Wäsche waschen. Und stets ist die Kamera im Anschlag, denn hinter jeder Biegung des Flusses krönen immer wieder goldene Pagoden die Hügel oder reihen sich wie Girlanden vom Ufer ins Land hinein. Man mag sich gar nicht sattsehen an diesem Wunderland.

Bernd Schiller

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