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Traumzeit. Wer im Heißluftballon über Bagan schwebt, kann die sagenhafte Tempellandschaft in ihren riesigen Ausmaßen bestens bewundern.

© Helge Bendl

Witze ohne Kontrolle: 2012 wird das Birma Jahr.

Langsam öffnet sich das früher isolierte Birma der Demokratie – und lockt mehr Touristen an.

Zum Abschied verschenkt Par Par Lay seine Lieblingsgeschichte. Den Mann mit dem mächtigen Schnurrbart und den Lachfalten hat das Witzereißen schon fast den Kopf gekostet. Birmas Militärjunta verstand keinen Spaß und steckte ihn für ein paar Jahre ins Gefängnis. Der Einschüchterungsversuch half nichts – seine Lieblingsgeschichte hat er trotzdem erzählt, immer wieder. Doch heute wird sie vielleicht ein letztes Mal zum Besten gegeben. Denn in Birma ändern sich die Zeiten der politischen Unterdrückung, von denen auch ein Kinofilm erzählt, der am 5. April bei uns in die Kinos kommt. „The Lady“ (Original: Dans la lumière) unter der Regie von Luc Bresson ist ein sensibler, berührender Film über die Politikerin Aung San Suu Kyi, deren bewegtes Leben als Ikone der burmesischen Freiheitsbewegung porträtiert wird.

Mit der sich andeutenden Wende im Land könnte also Par Par Lays Witz in die Mottenkiste kommen. Am Rande eines Treffens von Regierungschefs aus aller Welt kommt es zu folgendem Austausch: „Selbst wenn ein Amerikaner keine Beine hat, kann er den Mount Everest besteigen“, sagt der Präsident der USA. „Ein Russe kann durchs Eismeer bis nach Alaska schwimmen, auch wenn er keine Arme hat“, kontert sein Kollege aus Moskau. In welchem Staat der Welt ist noch Unmöglicheres möglich? „In meinem Land“, brüstet sich der Junta-General aus Birma, „kann ein Mann ohne Kopf das Land 20 Jahre lang regieren.“

Par Par Lay, Kopf der Komödianten- Truppe „Moustache Brothers“ aus Mandalay, verabschiedet seine Zuhörer. Dann setzt er sich auf einen Hocker, umgeben von einer Sammlung grimmiger Masken und glitzernder Marionetten. Er schlürft Tee mit Milch und Zucker, das hilft beim Nachdenken. Er will sich dieser Tage ein paar neue Geschichten einfallen lassen, die alten passen nicht mehr so richtig. Er muss das Programm ändern, denn auch das große Theater auf der politischen Bühne ändert sich. Die Militärs haben die Macht an eine Zivilregierung übergeben. Bei Weitem nicht ganz, doch immerhin, viele politische Gefangene wurden entlassen. Schritt für Schritt wird die Zensur gelockert. „Jahrzehnte haben wir auf Veränderungen gehofft“, sagt der Künstler. „Noch können wir nicht jubeln. Doch das Land ist in Bewegung.“

Der isolierte Staat öffnet sich immer weiter, auch im Kleinen. Vor 15 Jahren noch wollte kein Rikschafahrer Mandalays zum Haus der Artisten fahren. Ortskundige, die den Weg zu Steinmetzen und Silberschmieden kannten und genau beschreiben konnten, wie man vom Shwenandaw-Kloster zum Nylon-Eiscafé radelt, verstummten, als der Name fiel, den man besser nicht zu laut aussprach. Schließlich musste man zwei Kreuzungen zu früh aussteigen, um die Fahrer nicht in Gefahr zu bringen.

Birma als neues Trendziel...

Inzwischen kommen Touristen, und selbst die Guides riskieren ein Ohr, obwohl das Trio vor Birmanen immer noch nicht spielen darf. Und um die Ecke bei den jungen Mädchen, die mit gepuderten Fingern hauchdünnes Blattgold zuschneiden, damit man es dem großen Buddha der Stadt auf die Schenkel kleben kann, hängt ein Bild von Volksheldin Aung San Suu Kyi. Das hätte früher richtig Ärger gegeben.

Weil Birma jahrzehntelang isoliert war, startete der Tourismus hier nie richtig durch. Reiseveranstalter machten oft einen Bogen um das von der Militärjunta in Myanmar umbenannte Land. Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi forderte einen Tourismusboykott. Andere Oppositionelle waren da einsichtiger – viele einfache Birmanen profitierten sehr von den Gästen.

Armin Schoch war einer der ersten, und er brachte weitere mit. Der Schweizer reiste 1983 mit seiner Frau, zwei Koffern und viel Enthusiasmus nach Thailand, interessierte sich jedoch auch für das Nachbarland hinterm Bambusvorhang. 1994 gründete er als Joint-Venture den ersten ausländischen Reiseveranstalter in Birma. „Wir hatten 55 Angestellte. Dazu kamen die Guides, die Fahrer, die Besitzer von Autos und Booten, die Köche, die Handwerker und Souvenirverkäufer: Das waren Menschen, die unabhängig vom Staat so Geld verdienen konnten.“ Sein Traum: „Seit 25 Jahren denke ich über eine Motorradreise in Birma nach. Vielleicht klappt es jetzt.“

„In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, welchen Weg mein Land gehen wird“, sagt Khin Omar Win, die mit ihrem Mann Ballonfahrten über dem Tempelfeld von Bagan organisiert. In der vergangenen Saison waren die Fahrten fast ausgebucht – das gab es noch nie. „Wenn es schlecht läuft, werden wir wie Thailand mit der negativen Seite des Tourismus zu kämpfen haben – mit Prostitution, mit Umweltzerstörung, mit schlechten Einflüssen auf die Kultur. Aber wir können es besser machen und aus Fehlern lernen. Hier muss die neue Regierung zeigen, dass sie es ernst meint.“ Dann muss sie lachen: „Früher hätte ich mich nicht getraut, einen Minister auf Probleme hinzuweisen.“

Mit der Öffnung des Landes haben auch Veranstalter in Europa Birma als Trendziel neu entdeckt. „Es mag zynisch klingen. Aber durch die lange Abgeschiedenheit hat sich das Land seine Ursprünglichkeit bewahrt“, sagt Manuel Rose, Inhaber von Rose Travel Consulting. In den zurückliegenden Monaten häuften sich die Anfragen nach Birma-Reisen. „Jetzt werden alle hinwollen. 2012 wird das Birma-Jahr.“

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