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Die „Zefir“ hat Platz für 90 Personen.

© picture alliance / dpa

Auf der Oder im Grenzgebiet: Da ist was im Fluss

Lange gab’s keinen Passagierverkehr auf der Oder. Nun schippert die „Zefir“ von Slubice nach Küstrin.

Wo bleibt denn das Schiff? Freitag, viertel vor zehn in Frankfurt an der Oder. In 15 Minuten soll es ablegen und nach Kostrzyn (Küstrin) fahren, 30 Kilometer flussabwärts am polnischen Ufer. Niemand wartet, die Sonne schimmert im Wasser, das Schwemmland drüben versinkt im gleißenden Licht, die polnische Zwillingsstadt Slubice dahinter scheint weit weg. Wo soll hier ein Schiff aufkreuzen? Die Anlegestelle war seit Jahren verwaist. Doch seit April gilt ein Fahrplan für ein neues Passagierschiff namens „Zefir“ – Lüftchen auf Deutsch.

Das Schiff ist eine Sensation: Abgesehen von einer Fähre im Oderbruch verkehrt nun ein touristisches Fahrgastschiff zwischen dem polnischen und dem deutschen Ufer. Da die Schengengrenze nach Osten gewandert ist, kann die Oder wieder ein normaler Fluss sein. Ein Ort für eine Sommerfrische, wie vor dem Zweiten Weltkrieg, als Berliner Ausflügler in Scharen kamen, um nach Stettin zu reisen. Oder, wie Wadim Tyszkiewicz, Ideengeber und Bürgermeister der Stadt Nowa Sol (Neusalz) der Zeitschrift „Polityka“ erklärte: „Aus einem Quell des Unglücks wird ein Quell des Glücks.“ Vorausgesetzt, es hat sich niemand im Fahrplan geirrt, denn es ist bereits kurz vor zehn und noch immer kein Schiff in Sicht. Ein Dutzend Fahrgäste hat sich inzwischen eingefunden am Kai, alle recken unruhig die Hälse. Da schiebt sich mit einem motorischen Summen die „Zefir“ aus der Slubicer Hafenbucht hervor. Fotoapparate werden gezückt.

Das Schiff hat zwei Decks und bietet Platz für 90 Personen. Eine vierköpfige Mannschaft ist an Bord: zwei Kapitäne, zwei Barfrauen. Die „Zefir“ macht heute eine dreistündige Fahrt in die alte Festungsstadt Kostrzyn. Der Kahn lässt Frankfurt und Slubice hinter sich, die in der Ferne zu einer normalen Stadt am Fluss verschwimmen. Rechts und links beginnt die Wildnis: Wald, Deiche, Flussauen, Graureiher, Möwen. Gelegentlich sitzt ein Angler auf den in den Fluss hineinragenden Buhnen, die den launischen Strom in seinem unsteten, sandigen Flussbett halten sollen.

Wenn Kapitän Leon Cynk sein vollgeschriebenes Fahrtenbuch aufschlägt, das 40 Jahre Binnenschifferleben enthält, bekommt man eine Ahnung davon, wie wichtig die Oder als Wasserstraße einmal war. Tausende Tonnen Kohle und Erz wurden zwischen dem oberschlesischen Kohlerevier und Westeuropa verschifft. Mit der Privatisierung der polnischen Wasserwirtschaft ist die Binnenschifffahrt auf der Oder nahezu zum Erliegen gekommen. „Früher hat der Staat die Fahrrinne sauber gehalten, nun macht keiner mehr den Schlick weg“, beklagt Cynk. Wegen der schwankenden Wasserstände ist die Schifffahrt auf der Oder ein unsicheres Geschäft. Die „Zefir“ ist eigens für die spezifischen Bedingungen dieses Flusses gebaut worden. Sie hat nur einen Tiefgang von 70 Zentimetern. So kann sie auch bei Niedrigwasser auslaufen.

Zwei Gäste aus Berlin trinken Kaffee an der Bordbar. „Wir machen gern Ausflüge ins polnische Grenzland“, sagen sie, während sich an Deck Aufregung breitmacht. Die gewaltigen Mauern der Kostrzyner Festungsruine sind zu sehen. Die Passagiere haben sich aufs Oberdeck begeben. Das Schiff schiebt sich unter zwei Brücken hindurch und biegt gleich danach in die Warthe ein, die hier in die Oder mündet. Gegen den Strom fährt die „Zefir“ die letzten Meter in ihren Heimathafen ein. Die Fotoapparate klicken wieder. Nancy Waldmann

Auskunft: Die „Zefir“ bietet täglich verschiedene Ausflüge an, mal Rundfahrten nach Fahrplan, mal Charterausflüge auf Bestellung. 6,50 Euro oder 25 Zloty kostet etwa die Fahrt nach Küstrin. Telefon: 00 48 / 531 01 31 93, Internet: oder2014.de

Nancy Waldmann

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