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Attraktiv. Das griechische Santorin haben auch die Amerikaner entdeckt. Foto: Seabourn

© 2011 Seabourn

Reise: Auf neuem Kurs

Moderne Schiffe, große Shows und serviceorientiertes Personal: US-Reedereien drängen nach Europa.

Sie heißen Seabourn Cruise Line, Crystal Cruises und Celebrity Cruises, und sie haben eines gemeinsam: Sie sind Reedereien aus den USA auf der Suche nach neuer Kundschaft. Auch Disney Cruises wird im kommenden Jahr wieder in europäischen Gewässern unterwegs sein. Die andauernde Finanzkrise in den Vereinigten Staaten dämpft die Reiselust der Amerikaner, teure Kreuzfahrten sind derzeit nicht einfach zu verkaufen – und so wenden sich die amerikanischen Anbieter neuen Fahrwassern und neuen Passagiergruppen zu. Deutschland bietet sich da an: Rund 1,2 Millionen Gäste steigen hierzulande jedes Jahr zum Urlaubmachen auf ein Schiff – Tendenz stetig steigend.

Die amerikanischen Schiffe haben guten Zuspruch. „Es gibt inzwischen eine kleine Klientel in Deutschland, die das internationale Flair sucht“, erklärt Sibylle Zeuch, Pressesprecherin des Deutschen Reiseverbands (DRV) in Berlin. „Der Gast hat fast schon das Erlebnis eines Amerikaaufenthalts.“ Dazu kommt: Die US-Schiffe sind oft brandneu oder stark aufgemöbelt, legen Wert auf aufwendige Unterhaltungsprogramme und haben in der Regel sehr serviceorientierte Crews.

Da müssen ältere deutsche Schiffe wie die „Deutschland“ von Deilmann, die „Astor“ von Transocean und selbst die feine, aber inzwischen etwas betagte Flotte von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten erst einmal mithalten. Allerdings: Hapag-Lloyd hat das Problem erkannt. Im April gesellt sich zum Klassiker „Columbus“ die frisch umgebaute „Columbus 2“. Und der Neubau einer „Europa 2“ soll im Frühjahr 2013 auf Jungfernfahrt gehen.

Aber die Amis sind schon jetzt am Start. Gleich mehrere Reisen nach Russland und Skandinavien macht beispielsweise Princess Cruises in diesem Sommer. Die 2007 gebaute „Emerald Princess“ fährt dabei erstmals speziell für deutsche Gäste ab Rostock-Warnemünde. Insgesamt hat der Anbieter aus Los Angeles die Anzahl der Routen in Europa im Programm 2012/13 im Vergleich zu 2011 um ein Drittel auf 57 erhöht. „Die Nachfrage der deutschen Gäste steigt“, sagt Nicola Mayr, Vertriebskoordinatorin bei der Generalvertretung der Reederei in München. Princess Cruises, für die 16 Schiffe fahren, habe daher auch schon auf Reisen durch Südamerika, die Südsee und Südostasien spezielle Angebote für deutsche Passagiere.

Die kleine US-amerikanische Reederei Crystal Cruises aus Los Angeles hat sich auf Luxus-Kreuzfahrten spezialisiert. Sie schickt nun die 1995 gebaute „Crystal Symphony“ mit Platz für 940 Passagiere in den Norden Europas. Eine Reise ab Hamburg beginnt Mitte Juni und führt nach Dänemark, Finnland und Russland. Celebrity Cruises aus Miami schickt die „Constellation“ von Mai bis Juli fünfmal auf einen Törn zu den Ostseehäfen bis St. Petersburg. Aber die Reise geht von/bis Amsterdam – erst der zweite Hafen ist Rostock-Warnemünde. Dafür hat die Reederei jetzt erstmals einen deutschsprachigen Gesamtkatalog herausgegeben.

Die Reederei Seabourn Cruise Line mit Sitz in Miami tauft sogar inzwischen ihre eleganten kleinen Luxusschiffe in Europa. So beispielsweise die „Seabourn Odyssey“ für 450 Passagiere 2009 in Venedig und die baugleichen „Seabourn Sojourn“ und „Seabourn Quest“ 2010 in London und 2011 in Barcelona. Die „Sojourn“ hat am 24. Mai ihren Premierenanlauf in Hamburg und wird von der Hansestadt aus in den Norden fahren. Ziele sind Häfen in Dänemark, Schweden, Norwegen, Russland und Polen.

Viele der amerikanischen Schiffe, die derzeit auf den europäischen und deutschen Markt streben, haben eine finanziell besser gestellte Klientel an Bord. Da wird die Kleiderordnung ein Thema. Dinnerjackets hat fast kein deutscher Gast selbstverständlich in seinem Koffer, mit Ausnahme der Passagiere des Fünf- Sterne-Plus-Schiffs „Europa“. Die Amerikaner jedoch machen sich gern schon zur Cocktailstunde schick und begrüßen ihre Damen – dann in Chiffon und Pailletten – mit Handkuss zum Champagner. Während die Deutschen noch in Jeans und Windjacke sowie mit zerzaustem Haar draußen an Deck stehen und den Horizont mit dem Fernglas absuchen.

Auf amerikanischen Schiffen ist die Bordsprache in der Regel Englisch. Die deutsche Klientel entspannt sich traditionell jedoch erst wirklich, wenn „Man spricht Deutsch“ signalisiert wird. Das wurde in den USA erkannt – und nun wird zwar noch nicht mit Bordsprache Deutsch geworben, aber oft mit deutschsprachigen Crewmitgliedern, die jederzeit ansprechbar seien. Oft sind das Servicekräfte im Restaurant, wenn nicht sogar der Hotelmanager oder der Küchenchef aus Deutschland oder Österreich kommen. Mitunter wird auch schon das Tagesprogramm ins Deutsche übersetzt. „Aber es gibt auch unter den deutschen Gästen immer mehr, die kein Problem mit Englisch haben“, sagt Sibylle Zeuch vom DRV.

Den wachsenden deutschen Markt haben auch große und kleine Reedereien aus Europa im Blick. Die italienischen Reedereien MSC Kreuzfahrten und Costa Crociere, für die die kürzlich gekenterte „Costa Concordia“ im Einsatz war, haben einigen ihrer Schiffe für die Sommersaison gar einen deutschen Heimathafen gegeben. So fährt die „Costa Fortuna“ mit mehr als 3000 Passagieren ab Mai von Rostock-Warnemünde aus im wöchentlichen Routenwechsel durch die Ostsee, nach Norwegen bis hinauf nach Spitzbergen.

Die 2009 gebaute „Costa Pacifica“ macht das Gleiche plus Island von Hamburg und Kiel aus. Die „Costa Magica“ fährt von Juni bis August von Hamburg aus zu den „Magischen Metropolen des Nordens“. Die „MSC Lirica“ und auch die „MSC Poesia“ befahren ähnliche Routen ab Hamburg und Kiel, zum Beispiel zehn Tage lang zu den „Metropolen der Ostsee“.

Die britische Traditionsreederei Cunard ist in diesem Kreis der Sympathiesieger. Sechsmal lief die „Queen Mary 2“ im vergangenen Jahr in Hamburg ein und aus, jedesmal ein Spektakel für Zehntausende. Und am 8. Januar erst hat Cunard die „Queen Elizabeth“ gar von der Hansestadt aus auf Weltreise geschickt – laut Cunard mit 175 deutschen Gästen an Bord, die den gesamten, immerhin 111 Tage langen Törn gebucht haben. Das müssen die Amerikaner erst einmal nachmachen.

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