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Probier’s mal mit Gemütlichkeit. Sarah Fuchs und Eselin Greta machen es bei einer Wanderung vor.

© Monika Paulat

Brandenburg: Der Esel lernt schnell

Langohren verstehen eindeutige Zeichen gut, wie Wanderer auf einer Tour mit Vierbeinern im Unteren Odertal erfahren.

Locker, immer locker führt der Zweibeiner den Esel an einem Seil über die Hänge im Nationalpark Unteres Odertal. Zumindest sieht die Theorie das so vor. In der Praxis findet Jago, der fünfjährige Hausesel, allerdings immer irgendeinen Halm, eine Staude, die er unbedingt zunächst genüsslich kauen muss. Jago schmeckt es offensichtlich. Sein Kopf bleibt jedenfalls tief unten in der jetzt spärlichen Vegetation. Kein Bein bewegt sich nennenswert vorwärts. Der Zweibeiner steht ein wenig ratlos daneben und grübelt, wie er den gescheckten Esel in die Gänge bringen könnte.

Sarah Fuchs, Chefin von „Packeseltouren“ und damit auch Oberchefin der Eselherde, hat für solche Situationen natürlich den richtigen Tipp: „Einfach leicht am Seil rucken!“ Ruck! Oho, das funktioniert tatsächlich. Jago hebt den Kopf und dreht die Ohren neugierig zum Zweibeiner neben ihm. Mit einem „Komm, Jago, vorwärts“ klappt es dann endgültig. Zumindest, wenn der Zweibeiner bei diesen Worten selbst losgeht.

Die Kombination aus Worten und Taten fasse der Esel als Aufforderung „Komm, wir wandern ein wenig!“ auf, hatte Sarah Fuchs vorher noch erklärt, als sie den beiden Eseln Jago und Richard ihre Packsättel aufsetzte. In die Packtaschen kommen die leichten Rucksäcke der menschlichen Wanderer, dann beginnt die Tour. Aber eben nur, wenn der Zweibeiner ernsthaft losmarschiert. Wendet er sich dagegen seinem Esel zu und sagt dazu „Vorwärts, Jago“, erhält das Tier einander widersprechende Signale: Während der Mensch stehen bleibt, sagt seine Stimme „Los geht’s“. In diesem Zwiespalt entscheidet sich der Esel dann eben fürs Weiterfressen. Schnell lernt der Zweibeiner, dass nur eindeutige Signale weiterhelfen. Dann wackelt Jago mit seinen langen Ohren, offensichtlich hat er die Botschaft verstanden: „Aha, Wandertag“ – und los geht’s.

Kumpel Richard, Großesel mit familiären Wurzeln im spanischen Andalusien, Jahrgang 2001 und damit im besten Mannesalter für ein Grautier, ist schon ein ganzes Stück voraus. Das macht aber nichts, der jugendliche Jago legt einfach einen Zahn zu. Sarah Fuchs erklärt unterdessen die weiteren Verkehrsregeln für Packesel. Solange der Zweibeiner gleich links neben dem Kopf des Vierbeiners geht, trotten beide einträchtig nebeneinander her. Schiebt der Mensch nun seinen linken Arm nach vorn, versteht der Esel diesen Fingerzeig sofort als „Bitte Rechtsabbiegen“.

Schwenkt der Zweibeiner dagegen nach links, trottet auch das Tier in diese Richtung. Diese einfachen Verkehrsregeln werden aber nur befolgt, wenn der Mensch immer schön auf Höhe des Eselhauptes bleibt. Geht er hingegen einen oder zwei Schritte voraus, interpretiert der Vierbeiner mit den langen Ohren das prompt als Chance für eine Eselei. Vielleicht schwenkt er dann hinter dem Rücken des Wanderers nach links? Fällt der Zweibeiner jedoch einen oder zwei Schritte hinter den Kopf des Langohrs zurück, vollführt das Tier seine Eselei eben vor den Augen des Menschen. Der bleibt also am besten unmittelbar neben den langen Ohren.

Um eine Pfütze macht jedes Langohr einen weiten Bogen

Aufs Eis geht er nicht, aber Schnee gefällt.
Aufs Eis geht er nicht, aber Schnee gefällt.

© Carolin Pscheidl

Von hinten beobachtet Sarah Fuchs dann manchmal eifrige Unterhaltungen zwischen Mensch und Tier, die sich allerdings meist in der eher eingeschränkten Mentalwelt des Langohrs bewegen: „Guter Esel, das machst du ganz toll“ oder auch ein Versprechen: „Nachher bekommst du bestimmt leckere Möhren!“ Gesprächsstoff findet sich so auf einer Halbtagestour durch die Oderhänge reichlich. Und der Mensch lernt schnell. Zieht der Wanderer zum Beispiel am Seil, das zum Halfter des Tieres führt, versteht der Esel dieses Zeichen sofort als Aufforderung. „Zieh’ doch auch einmal!“ Dieser Bitte folgt das Langohr gern, zieht aber dummerweise in die entgegengesetzte Richtung. Das muntere Tauziehen wird rasch zugunsten des Teilnehmers mit den überlegenen Körperkräften entschieden. Und der steht auf vier Beinen und wackelt mit seinen langen Ohren.

Problem: Auf manch engen Waldwegen an den Hängen des Odertals reicht für ein gemütliches nebeneinander Herwandern oft der Platz nicht. Mit etwas Glück trottet Jago locker am Seil hinter dem Zweibeiner her. Setzt das Langohr in dieser Situation jedoch zum Überholen an, vergisst der Mensch am besten schnell die Straßenverkehrsordnung, reißt die Arme auf beiden Seiten wie ein Hampelmann hoch und signalisiert dem Esel so: „Hier geht es nicht vorbei!“ Prompt bricht Jago den Überholvorgang ab. Ohne diese Intervention würde das Langohr nicht nur überholen und vorauseilen, sondern auch dauerhaft den Ton angeben wollen. Das möge man auf jeden Fall vermeiden.

Inzwischen steuert Sarah Fuchs einen mild-sonnigen Hang an, der für eine Rast wie geschaffen erscheint. Die Chefin packt ein paar Stangen aus, steckt damit eine große Grasfläche ab und führt eine Stromlitze um das Rechteck. Da fließt natürlich kein Strom, aber das können die Esel ja nicht wissen. Die Vierbeiner bleiben also im Geviert und begnügen sich mit dem, was sie dort finden.

Auch die Menschen machen Pause. „Hier arbeiten die Esel ohnehin im Winter im Nebenjob“, erklärt Sarah Fuchs. Gleich hinter dem Hang wachsen nämlich die in der Natur seltenen Schwarzen Küchenschellen und Adonisröschen. Büsche drohen, die seltenen Pflanzen einfach zu überwuchern. Wenn im Winter das frische Gras längst abgeweidet ist, nehmen Jago, Richard und Co. gern die Äste dieser Büsche ins Maul und zerbeißen sie kräftig. Solche extrem harte Kost macht ohnehin fast ein Drittel ihrer Speisekarte aus. Und so erledigen sie im Nebenjob die Aufgaben eines Landschaftspflegers. Auf den kahl gefressenen Flächen vermehren sich die seltenen Küchenschellen dann wieder.

Eseltrekking im Winter? Gut ausgerüstet kein Problem.
Eseltrekking im Winter? Gut ausgerüstet kein Problem.

© Carolin Pscheidl

Auf dem Rückweg klappt es zwischen Mensch und Tier schon hervorragend. Na gut, inzwischen ist Richard auf den Trichter gekommen und denkt eher an Pausensnacks als an eine Wanderung. Und Jago bleibt wieder einmal abrupt stehen, weil er einen bisher unbekannten Hochsitz eines Jägers entdeckt hat. „Junge Esel sind sehr vorsichtig. Was sie nicht kennen, beobachten sie erst einmal misstrauisch“, erklärt Sarah Fuchs. Taucht ein Hinweisschild auf den Nationalpark oder auch ein Traktor auf, ist für das Langohr also zunächst Vorsicht angesagt.

Die nächste Unterbrechung der Wanderung folgt an einer Pfütze. Esel kommen ja ursprünglich aus Wüsten und Halbwüsten. Dort gibt es bekanntlich kaum offenes Wasser. Und wenn doch, ist es meistens tief, weil es andernfalls rasch in der Sonne verdunster wäre. In den Augen eines Esels ist Wasser also immer tief und damit gefährlich. Durch die Pfütze geht Jago also auf gar keinen Fall. Dann probieren es Mensch und Tier eben außen rum und nehmen anschließend die letzten wenigen hundert Meter bis zur Eselweide unter Hufe und Wanderschuhe.

Zurück bei der Herde stürmen Jago und Richard dann – kaum von ihrem Packsattel befreit und natürlich erst nach einer reichlichen Belohnung in Form frischer Möhren – zum Rest der Herde. Ihre Begleiter auf zwei Beinen bedauern das sehr, sie haben die beiden langohrigen Vierbeiner tief in ihr Herz geschlossen. Und jede Menge über Esel gelernt. Genau deswegen waren sie ja auch zu Sarah Fuchs und ihren Packeseln gekommen.

Informationen zu den Eseltouren (zwischen Spaziergängen und bis zu zweitägigen Wanderungen) gibt es bei Sarah Fuchs, Telefon: 03 33 65 / 348 07, im Internet unter: packeseltouren-brandenburg.de

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