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Meist mit Meerblick. 200 Kilometer verläuft der Wanderweg GR-92 zwischen Blanes und Portbou.

© Manuel Meyer/dpa

Costa Brava jenseits vom Trubel: Abstieg zur Paella

Der Camí de Ronda zeigt Wanderern die wilde Schönheit der Costa Brava.

Frühmorgens erfüllt Lloret de Mar noch alle Klischees des Party-Ortes. Die Menschen mit Rucksack und Wanderstöcken müssen auf der Strandpromenade im Slalom um die Alkoholleichen herumgehen, die nachts nicht mehr ins Hotel gefunden haben. Doch kaum haben die Wanderer die steilen Steintreppen unterhalb der Burg d’en Plaja am Ende des Strandes erklommen, tauchen sie in eine Welt der Ruhe ein. Es duftet nach Pinien und Kiefern. Unten glitzert das Mittelmeer in der Sonne.

Fast 200 Kilometer ist der als GR-92 bezeichnete Küstenfernwanderweg an der Costa Brava zwischen dem katalanischen Küstenstädtchen Blanes und Portbou an der Grenze zu Frankreich lang. Er folgt alten Küstenpfaden, die schon vor Jahrhunderten von Fischern benutzt wurden.

Vorbei an einsamen, schwer zugänglichen Badebuchten wie der Cala Morisca oder der Cala Moltó erreichen die Wanderer kurz nach der Landzunge Punta des Cards Tossa de Mar. Feigenkakteen säumen die lange Treppe, die von den Steilklippen hinunter zum mittelalterlichen Küstenstädtchen führt. Ein Postkartenmotiv: Die mit Zinnen gekrönte Wehrmauer und die Festungstürme schützten den Ort schon im 16. Jahrhundert vor Piratenangriffen.

Tossa de Mar, im Sommer oft überlaufen, hat in der Nebensaison seinen Reiz. Die romantische Altstadt und der lange Strand sind wie geschaffen, sich hier von den Wanderstrapazen zu erholen. Ein weiterer Grund: Bis zur verträumten Giverola-Bucht erfährt man auf dem Camí de Ronda anschaulich, warum der katalanische Schriftsteller Ferran Agulló 1908 die Region Costa Brava (Wilde Küste) nannte. Bisweilen wird der Weg über die Klippen zur Kletterpartie.

Ab dem Küstenstädtchen Sant Feliu de Guíxols, hier steht das älteste Benediktinerkloster Kataloniens, wird die Strecke wieder leichter, aber auch belebter. Ab S’Agaró, wo der Camí de Ronda mit Granitgestein ausgelegt ist, gesellen sich zahlreiche andere Touristen zu den Wanderern. Gewohnt an die Einsamkeit des Weges werden die Schritte an den beliebten Stränden wie Platja d’Aro oder Palamós freiwillig schneller. Kurz nach Palamós beginnt einer der schönsten Abschnitte auf dem Camí de Ronda.

Quer über den langen Sandstrand von Roca Fosca führt der Weg wieder in einsamere Gefilde. Dichte Pinienwälder schützen vor der Sonne. Vorbei an dem uralten Fischerdörfchen Pineda d’en Gori in der Cala-s’Alguer-Bucht erreichen die Wanderer das idyllisch auf Felsen liegende iberische Dorf von Castell. Es handelt sich um Überreste aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Von nun an wird die Strecke zur Tortur: Nicht weil der Weg besonders anstrengend wäre, sondern weil eine Traumbucht der anderen folgt. Und in jeder möchte man seine Wanderstiefel ausziehen, um ins türkisblaue Wasser zu springen.

Von Cap Roig, das einen imposanten botanischen Garten besitzt, ist es nicht mehr weit bis Calella de Palafrugell, einem ehemaligen Fischerdorf wie aus dem Bilderbuch: ein kleiner Strand mit Fischerbooten, dahinter weiß getünchte Häuser mit Arkaden und einer malerischen Promenade. Der perfekte Ort für die Mittagspause mit Paella und Rotwein. Doch Vorsicht, sich bloß nicht den Magen allzu voll schlagen! Denn steil geht es zum Leuchtturm Sant Sebastià auf 178 Meter hinauf – und durch dichte Kiefernwälder wieder bergab. Die letzten Kilometer bis zur Bucht von Tamariu sind schwierig. Sie führen direkt über Felsklippen.

Das Fischerörtchen Cadaqués faszinierte viele illustere Gäste

Ab Tamariu, wo sich der Camí de Ronda bis Begur zweiteilt, ist die längere, aber viel schönere Küstenstrecke über die Bucht von Aiguablava zu empfehlen. Das mittelalterliche Begur mit seinen Wehrtürmen und Kolonialbauten einiger Amerika-Heimkehrer wurde von den Römern gegründet. Majestätisch thront die Burgruine über der Stadt. Von hier empfiehlt sich die Route durchs Landesinnere. Sie führt durch das gut erhaltene mittelalterliche Pals. Arkaden, Torbögen und Wehrtürme prägen die Altstadt. Weiter geht es ab dem Örtchen L’Estartit wieder auf der Küstenroute.

Schluchten, riesige Felstunnel und zerklüftete Steilklippen wechseln sich von L’Estartit bis L’Escala mit beliebten Badebuchten ab. Aus L’Escala kommen die landesweit bekannten Sardellen. Die Spezialität Anchovis mit Tomaten auf Brot ist ein Muss.

Kurz nach den archäologischen Fundstätten von Empúries teilt sich im spätmittelalterlichen Schmuckkästchen Sant Martí d’Empúries der Camí de Ronda erneut auf. Man kann durch den Naturpark Els Aiguamolls de L’Empordà, einem wichtigen Feuchtgebiet Kataloniens, oder entlang dem schier unendlichen Strand bis ins recht touristische Roses gehen. Bald danach verändert sich die Landschaft. Die mediterranen Pinienwälder der südlichen Costa Brava machen Büschen und Graslandschaften Platz. Es wird kühler und windiger, die Vegetation karger. Der Camí de Ronda verläuft nun landeinwärts und stößt erst in Cadaqués wieder aufs Mittelmeer.

Das weiß getünchte einstige Fischerdorf mit seinen verwinkelten Gassen, die sich an der muschelförmigen Bucht steil den Hang hinaufziehen, ist zweifellos einer der schönste Orte an der Costa Brava. Die Heimat des spanischen Malers Salvador Dalí faszinierte illustere Gäste wie Pablo Picasso, Gabriel García Márquez oder Mick Jagger. Über den Camí de Ronda, der direkt am Dalí-Museum vorbeiführt, erreicht man den Naturpark Cap de Creus.

Die Landschaft verliert jeglichen mediterranen Charakter, jedoch nicht an Schönheit. Der Camí de Ronda schlängelt sich vom Fischerhafen El Port de la Selva an der halbmondförmigen Küste bis nach Portbou an der Grenze zu Frankreich entlang. Wer noch Kraft hat, sollte einen Abstecher auf den Berg Verdera machen, wo sich das beeindruckende Kloster Sant Pere de Rodes aus dem 11. Jahrhundert befindet. In Portbou ist Endstation. Im Spanischen Bürgerkrieg (1936–1939) flüchteten tausende Republikaner hier vor den Franco-Truppen über die Grenze.

Später waren es Deutsche und Franzosen, die vor den Nazis über Portbou nach Spanien flohen. Unter ihnen befand sich auch der deutsch-jüdische Philosoph Walter Benjamin, der sich hier 1940 das Leben nahm, um der Auslieferung an die Gestapo zu entgehen. Der Grenzstadt haftet eine traurige Atmosphäre an. Vielleicht liegt es aber auch nur an den trüben Gedanken des Wanderers, dass hier der herrliche Camí de Ronda endet. (dpa)

Auskunft: Fremdenverkehrsamt Katalonien, Frankfurt/Main, Tel. 069/74 22 48 73

Manuel Meyer

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