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Perfekt für Paare. Die Kinderecke an Bord der „Costa Neoriviera“ ist eher klein.

© promo

„Costa Neoriviera“: Einfach in den Himmel gucken

Laute Animationsprogramme gibt es nicht auf der „Costa Neoriviera“ : Das Schiff repräsentiert das neue Slow-Cruise-Konzept.

Verschiedene mediterrane Olivenöle stehen in Reih’ und Glied auf dem Tisch und warten darauf, probiert zu werden. „Das gefilterte Öl ist länger haltbar“, erklärt Marco von der Universität der gastronomischen Wissenschaften im norditalienischen Pollenzo. Am Tisch ist man gespannt, wie die Öle denn nun schmecken – etwa mit einem Anflug von Pfeffer, nach Mandeln oder Bananen? Willkommen bei einer lockeren Degustation in der Toskana? Mitnichten. Es ist ein kulinarischer Ausflug auf einem Kreuzfahrtschiff. Und da Kapitän Giovanni Cosini seine „Costa Neoriviera“ im Griff hat und gemächlich von Savona an der Azurküste entlang nach Toulon steuert, spürt man unter Deck auch nicht, dass dies eine Probierstunde auf See ist.

Olivenöl ist aber nicht alles. Wie Italiener Fusilli-Nudeln fertigen oder ihre beliebten Dolci, den süßen Nachtisch, zubereiten, das steht später noch auf dem Programm. Und natürlich Weinproben. Aber es bietet sich nach dem appetitanregenden Öl der Oliven zunächst an, einen Aperitif auf dem Oberdeck der „Costa Neoriviera“ einzunehmen.

Lassen wir den Whirlpool Wasser wirbeln, während wir bei einem Cappuccino die Chansons von Charles Aznavour hören. Oder mit einem Buch über die „Cucina Italiana“ rechtzeitig vor dem Dinner auf den Geschmack kommen.

Es hat den Anschein, als sei bei dieser Kreuzfahrt also doch einiges anders. Das Schiff ist eher klein, weil Ende der 1990er Jahre noch eher Schiffe statt „schwimmende Städte“ gebaut wurden. Mit seinen „nur“ 624 Kabinen versucht die Costa- Reederei das Kreuzfahrterlebnis neu zu interpretierten. Wenn es schon keine gigantischen Rutschen oder Wellenreiten an Bord gibt, muss man eben anders punkten. „Slow Cruising“ heißt das Zauberwort, gemächliches Schippern übers Meer, „langsam“ in mehrfachem Sinne. Unter anderem verdeutlicht längeres Festmachen auch über Nacht in manchen Häfen, dass es eben nicht ums Tempo geht. Abgelegenere Ziele werden angesteuert. Und Gourmets sollen dank der Kooperation mit „Slow Food“, Carlo Petrinis Bewegung für bewusstes Essen und frische Zutaten, auf ihre Kosten kommen.

Für diesen Sommer stehen mehrere Reisen im Mittelmeer auf dem Programm

Das wird abends gleich getestet. Regional, typisch, saisonal muss es sein, das ist „Slow Food“-Philosophie. So begleiten den Soave Classico oder den Beaujolais kleine Tintenfische auf ligurische Art (Moscardini), eine provenzalische Bouillabaisse, das Beste vom Huhn mit südfranzösischem Tapenade-Mus und ein Dessert à la Saint-Tropez. Klar, dass die angeregte Debatte über die begonnene neuartige Kreuzfahrt danach bei einem Spaziergang an Deck fortgesetzt werden muss.

Die Mittelmeer-Rundfahrt soll entspannt verlaufen, mit flexiblen Essenszeiten ohne Tischzwang, kulinarischen Ausflügen teils in kleinen Gruppen. „Authentisches Reisen weit weg von dem Rummel des Massentourismus“, verspricht die Reederei. So gut es geht, möchte man dazu sagen. Die Begegnung mit anderen, viel größeren Schiffen und deren Passagieren, lassen sich nicht immer vermeiden. Beispielsweise in Barcelona, eine Metropole nicht eben fernab der Touristenmassen.

Auch Sizilien, Malta und die Amalfi-Küste werden gern von allen angesteuert. Für diesen Sommer stehen noch mehrere elftägige Reisen im westlichen Mittelmeer auf dem Programm. Vielleicht auch etwas für all jene, die schon immer sehen wollten, wie bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt. Also an Deck sein, nicht beim Shopping! Noch steckt das neue Nischen-Programm der Reederei in mancherlei Beziehung in den Kinderschuhen. Bei der ersten „Slow Cruise“ gab es nicht wie geplant einen Landausflug in das mittelalterliche Le Castellet und zu den Weinfeldern des provenzalischen Bandol. Dafür ging es nach Saint-Tropez.

Auch das Service- und Angebotsprogramm könnte noch etwas Finetuning gebrauchen, denn gerade bei dem „lockeren Konzept“ sollte kein Stress aufkommen bei der Frage, wie man nun bezahlen kann, was man von der Apéro-Karte wählt. Die größte Herausforderung dürfte es jedoch sein, die Kunden noch etwas zu „erziehen“ beziehungsweise sie vorab richtig über den Inhalt der Reise aufzuklären. Im Prinzip geht es darum, das anspruchsvollere „Slow Cruise“-Konzept schmackhaft zu machen und umfassend zu kommunizieren. Damit bei dem Durchblättern der Kataloge jedem klar ist, dass diese Kreuzfahrt einer Philosophie folgt, also nicht nur Pool-Spaß, Sonnenbaden oder Shopping bringt.

In Barcelona bleibt der Schiff im Hafen fest vertäut bis zum nächsten Tag

Die deutschen Passagiere an Bord der 216 Meter langen „Neoriviera“ betreut Christina J. Lorenz. „Wir bieten eine ruhige Animation bis hin zum Sterne-Teleskop, haben eine internationale Crew und eine ebenso bunte Gästeschar“, sagt sie. Dass Kulinarisches groß geschrieben wird an Bord, das haben die meisten bereits mitbekommen. „Dabei ist man zwanglos bei Tisch, mit legerer Kleidung.“ Das muss im Kopf haben, wer die Koffer für die Kreuzfahrt packt.

Zu den Trümpfen dieser Reisevariante dürfte es vor allem gehören, dass die Gourmets in Barcelona abends nach dem Flanieren auf der Rambla in aller Ruhe in einem dortigen „Slow Food“-Restaurant speisen und Weine probieren können – ihr Schiff bleibt im Hafen fest vertäut bis zum nächsten Tag. So bleibt Zeit für einen Besuch des Picasso-Museums oder vor allem der fantastischen Kathedrale Sagrada familia Antoni Gaudís.

Das ist reizvoll für jene, die als Kreuzfahrer-Zielgruppe besonders im Fokus der Gesellschaft stehen: Paare. Der Kinderbereich an Bord ist ziemlich klein, was bezeichnend ist. Die Costa-Schiffe, die für dieses neue Konzept auch in Nordeuropa, rund um Afrika und im Indischen Ozean geruhsam übers Wasser gleiten, offerieren als Höhepunkt dann doch lieber „ein romantisches Candlelight-Gourmetmenü unterm freien Sternenhimmel“. Muss da die Lust, etwas anders zu reisen, noch mehr geweckt werden? Ob der langsamere Rhythmus auf See ankommt? Kann schon sein, dass „Small is beautiful“ sich hier zu „Slow is beautiful“ gesellt. H.-J. Kaffsack

H.-J. Kaffsack

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