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Bitte schütteln, nicht rühren! Zum diesjährigen Oktoberfest gibt’s eine – natürlich lizensierte – Schneekugel mit dem aktuellen Wiesnplakat. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Reise: Defilee der Lederhosen

Das Oktoberfest geht mit der Zeit: Die Maß ist teurer, C-Promis sind unerwünscht – und beleuchtet wird alles mit Ökostrom

Die einen hauen hier an einem einzigen Abend so viel Kohle auf den Kopf, dass für die nächsten fünf Wochen noch nicht mal Geld fürs Kino bleibt. Die anderen sind jeden Tag da und können anschließend von dem dabei erworbenen Diridari (bayerisch: Finanzen) monatelang bestens leben. Die Ersteren sind – ebenfalls laut Münchner Idiom – die Mehreren, nämlich die, die jedes Jahr zum Vergnügen zum Oktoberfest strömen. Die anderen sind die, die ihnen vom 17. September, von 12 Uhr an, Maßkrüge herbeischleppen und von den Trinkgeldern anschließend prima zahllose überteuerte Shops stürmen könnten. Etwa die mit der Wiesnkleidung, die allerdings das ganze Jahr über feilgeboten wird: vom schlichten, traditionellen, klassischen und wunderschönen Trachtengewand bis zum neckisch aufgemotzten und mit peinlichem Schnickschnack versauten Minidirndl, dazu natürlich Joppen, Janker und Lederhosen in etlichen Längen.

So ist das halt in Bayern, ohne Gegensätze geht gar nichts. Einerseits Bäuerliches, andererseits Glamouröses; hier pralles Barock und dort Spitzen-Hightech. Einmal anarchistisch und dann wieder tieffromm. So findet sich auf der Theresienwiese außer dem üblichen Rummel in diesem Jahr erneut die erheblich vergrößerte historische „oide Wiesn“ (alte Wiesn); sie war bei ihrer Premiere im Jubeljahr 2010 auf einhellige Verzückung gestoßen: Krönung der Gaudi, erinnernd an die Festpremiere vor genau 200 Jahren, als Therese von Sachsen-Hildburghausen den bayerischen Kronprinzen Ludwig heiratete. Für das nostalgische Schmuckstück ohne wilde und gefährliche Fahrgeschäfte wie nebenan auf der nach Therese benannten riesigen berühmten Wiese kreierten sogar sämtliche Wirte in ungewohnter Einigkeit ein eigenes malziges Bier.

Die altmodische Attraktion lag Münchens Tourismus-Chefin Gabriele Weishäupl besonders am Herzen. Für sie wird diese die letzte Wiesn sein; Weishäupls 1985 begonnene Amtszeit und damit ihre weltweit erfolgsgekrönten Werbestrategien für die Isarstadt enden im kommenden April. Vehement bekämpfte die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin jeglichen Versuch, das Fest umzufunktionieren zur Mega-PR-Kulisse. Wenn C-Prominenz Prosecco aus goldenen Dosen präsentieren will, greift sie rigoros ein.

Auch sie kennt die Kontraste. Wie politisch und ökologisch überaus korrekt zum Beispiel der Wirtschaftsreferent Dieter Reiter ein möglichst umweltfreundliches Volksfest anstrebt, für Photovoltaik und Ökostrom sorgt. Aber dann ist das böse Rauchen wiederum durchaus gestattet: nämlich auf den Balkons und Terrassen der Bierzelte. Womöglich fürchten die Wirte die Wut von Leuten im Suff auf Entzug. Apropos Wirte: Einer von ihnen hat jüngst Schlagzeilen gemacht wegen seines sogar gerichtsmäßig gerügten rüden Umgangs mit seinem Personal – doch der Mann ist nach wie vor da. Nicht geduldet als Bierzeltwirt wird dagegen ausgerechnet der Nachfahr der Gründerin. Obwohl Prinz Luitpold von Bayern, 60, jedes Jahr Abertausende zu seinem riesigen Ritterturnier an seine Braustätte Kaltenberg bei München lockt und ein Royal Bavarian Brewhouse im amerikanischen Skimekka Vail, 2500 Meter hoch, aufzog und ihm in Moskau der damalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber gerade noch rechtzeitig die Ausschankgenehmigung für das Schlossbier rettete. Und obwohl der Wittelsbacher sogar einmal während der Bayernhymne einfach samt Hofstaat auf dem größten Volksfest der Welt einmarschiert ist – doch das ist nun mal ausschließlich für die Münchner Brauer reserviert. Und dauert in diesem Jahr dank des Tags der Deutschen Einheit am 3. Oktober einen montäglichen Feiertag länger.

Einheimische Besucher oder solche, die bei Discountern im Paket eine Anfahrt plus Bett plus Platz im Zelt plus ein Hendl und zwei Maß Bier – aber nur zwischen 11 und 16 Uhr – ergatterten, haben ein Problem weniger. Wer indes auf ein natürlich mehrwertsteuergemindertes Hotel angewiesen ist, zahlt – obacht! – laut Berechnung des Hotelportals HRS zur Wiesnzeit im Schnitt 77 Prozent mehr als zuvor und danach. Ein Sieben- Quadratmeter-„Wiesn-Loft“ im Riemer Reitstadion gibt’s ab 129 Euro. Logisch, dass auch im Netz abgezockt und für einen engen Sitzplatz ein halber Tausender gelöhnt wird. Dass der Bierpreis wie immer erneut steigt, wundert ebenfalls niemanden. Heuer liegt er zwischen 8,70 und 9,20 Euro (Vorjahr 8,30 und 8,90 Euro) pro Maß. Wobei die Landeshauptstadt betont, sie lege diese deftigen Preise keineswegs fest, sondern überprüfe lediglich „als Veranstalterin die von den Gastronomen genannten Preise auf ihre Angemessenheit“. Angemessen, neben freiem Eintritt, sind wohl auch die gewaltigen Sicherheitsvorkehrungen; der weiträumige Sperrgürtel, die Videokameras, das komplette Fahr- und strikte Überflugverbot sowie speziell geschulte Schandis, so der Kosename der Polizei nach deren Ahnen, den Gendarmen.

Auskunft: Tourismusamt München, Telefonnummer: 089 / 23 39 65 00, Internet: www.muenchen-tourist.de oder www.okto berfest.de

Angelika Boese

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