zum Hauptinhalt
Mickey, ich komme. Kinder bleiben im schwimmenden Disney-Reich den ganzen Tag auf Trab.

© Disney Cruise Line

Disneykreuzfahrt: Alle unterwegs

Ein Disney-Schiff fordert Klein und Groß – und nachher muss Urlaub her.

Bevor Sie lesen: Wer keine eigenen Kinder hat und eine Disneykreuzfahrt erleben möchten, sollte sich welche leihen. Von Verwandten, Freunden, Nachbarn oder Bekannten. Denn ohne Kinder ist man auf einem Disneyschiff – wie auch in den gleichnamigen Resorts an Land – fehl am Platz.

Ja, wir hatten den Stapellauf des neuesten Disneyschiffs „Disney Fantasy“ Anfang 2012 in Papenburg verfolgt. Wir informierten uns auch über die kommenden Reiserouten in der Karibik und diskutierten, ob diese vergleichsweise teure Kreuzfahrt Sinn macht („Aber dieselbe Route kostet beim Mitbewerber total viel weniger!“). Letztendlich buchten wir, weil wir auf Nummer sicher gehen wollten. Nach unseren mauen Erlebnissen im Bereich Kinder- und Jugendangebot bei einer Kurzkreuzfahrt auf einem deutschen Vergnügungsschiff setzten wir auf die Marke Disney.

Zudem ist unser Sohn langjähriger Donald-Duck-Fan und mit elf Jahren im besten Disney-Alter, Zielgruppe in ihrer reinsten Form sozusagen. Hat sich der ganze Aufwand gelohnt? Ja, absolut. Denn auf den Disneyschiffen stehen Kinder im Mittelpunkt. Eltern sind sozusagen die Anhängsel, für die allerdings ebenso bestens gesorgt wird. Bei anderen Reedereien ist es eher umgekehrt; Erwachsene werden animiert und den Kindern wird ein Programm auf einem Niveau geboten, damit sie sich, sagen wir mal, nicht langweilen. Eine andere Liga.

In Port Canaveral (Florida) geht es an Bord für eine 7-Nächte-Kreuzfahrt durch die westliche Karibik mit Stop auf den Cayman Islands, an der Costa Maya und in Cozumel in Mexiko sowie auf der zwischen Kuba und Florida gelegenen Disney-Insel Castaway Cay.

Bei unserem Selbstversuch sind etwa 3700 Passagiere an Bord, darunter 1500 Kinder und Jugendliche, ein Anteil von rund 40 Prozent. Der ganze Kindersegen offenbart sich uns erst bei der Auslaufparty auf dem Außendeck, gerät allerdings zunächst zur Nebensache angesichts der professionellen Show von Mickey & Co. – doch da wird uns klar, dass an Bord ein ganz anderer Film läuft, als wir es von früheren Schiffsreisen kannten...

Zunächst erkunden wir das Schiff anhand des Bordplans. Zuerst die relevanten Kinderclubs, nämlich „Oceaneer Lab“ und „Oceaneer Club“ für die 6- bis 12-Jährigen sowie der Club „Edge“ für 11 bis 14 Jahre alte Kids. „Super“, „cool“ oder „krass“ lauten die Kommentare unseres Elfjährigen angesichts der Ausstattung und des Designs der Clubs. Ansonsten steht der Mund vor Begeisterung offen, in den Augen leuchtet der Satz: „Das gibt’s doch gar nicht!“

Vorbei an der „It’s A Small World Nursery“ für die ganz Kleinen und am Jugendclub „Vibe“ für die 14- bis 17-Jährigen geht es Richtung Pooldeck. Das signalisiert ganz klar: Kinderspaß ist nicht auf die fünf Kinder- und Teenclubs beschränkt, in denen sich 80 Mitarbeiter um ihre Gäste kümmern. Spaß ist überall. Hier eine Donaldfigur, die kopfüber bis zur Taille in einem der Schornsteine gerammt zu sein scheint („Guck mal da!“), dort ein Minigolfplatz, der optisch perfekt in die Welt von Goofy passt („Wow!“). Über das gesamte Deck schlängelt sich die durchsichtige Tunnelrutsche „AquaDuck“ („Da muss ich hin!“), im „AquaLab“-Bereich spritzt es unvermittelt von überall her („Kreisch!“), Kleinkinder wimmeln in „Nemo’s Reef“ („Wie süß!“), die Größeren toben in Donald’s oder Mickey’s Pool.

In einer Ecke wird Softeis gezapft, in der Snack-Ecke gibt es rund um die Uhr frische Hamburger, Pizza und Obst (ja, auch Obst!). Und dann erst der riesige Open-Air-Bildschirm, der über allem thront und auf dem Disneyfilme von Aschenputtel bis Wall.E von morgens bis Mitternacht gezeigt werden. Da staunen nicht nur die Kinder: Was muss das für LCD-Technik sein, dass trotz direkter Sonneneinstrahlung das Bild glasklar zu erkennen ist? It’s magic!

Termine, Termine mit Donald, Mickey und Co

Nagelneu. Die „Fantasy“ wurde in diesem Jahr in Papenburg fertig.
Nagelneu. Die „Fantasy“ wurde in diesem Jahr in Papenburg fertig.

© picture-alliance

Welche Filme wann laufen, haben wir im Übrigen gegen Ende der Reise herausgefunden, sie sind in dem jeweiligen Tagesablaufplan in der Spalte „Funnel Vision“ aufgelistet. Muss man auch erst einmal drauf kommen. Der Plan ist optisch wie ein US-Fernsehprogramm aufbereitet und listet in zehn Spalten alle Angebote an Bord auf. Zusätzliche farbige Symbole in den Spalten der Kinderclubs, die jeweils rund 20 Aktivitäten anbieten, informieren über die Art des Programms.

Aufgeführt sind auch die Zeiten und Orte, an denen Disneyfiguren in die Kameras der Eltern und des Bordfotografen winken, im Schnitt sind 20 Termine pro Tag mit Mickey, Donald, Pluto, Phineas, Ferb und Co. angesetzt. Wobei Goofy und Chip & Chap, sorry, zu Deutsch: A-Hörnchen und B-Hörnchen, etwa auch bei einer der Family Dance Parties gesichtet wurden. Von morgens bis abends können sich Kinder darüber hinaus als Detektive registrieren lassen und treppauf treppab das Schiff ablaufen (viel Bewegung = gut), um „Kriminalfälle“ zu lösen, die sich bei den Muppets sowie in diversen Disneywelten zugetragen haben. Macht auch Erwachsenen Spaß.

Egal, wer was wann an Bord unternimmt: Spätestens abends treffen wir uns alle wieder. Entweder zu einer der perfekt inszenierten Shows oder Musicalaufführungen im schmucken „Walt Disney Theatre“ oder anschließend zum Essen. Der Ort wechselt von Tag zu Tag, man rotiert durch die drei Dinner-Restaurants „Animator’s Palate“, „Enchanted Gardens“ und „Royal Court“, die Reihenfolge ist von der Reederei vorab festgelegt und wird auf der Kabinenkarte vermerkt.

Was nicht wechselt: Tischnummer, Kellner, Tischnachbarn. Mit Letzteren kann man Glück haben – muss man aber nicht. Verlass ist auf die Tatsache, dass das gewünschte Ketchup immer als Micky-Mouse-Kopf auf den Teller geträufelt wird: Großer Kreis in die Mitte, oben links und oben rechts ein kleiner Kreis – fertig ist die Mickey Mouse. Wer die zweite Sitzung um 20 Uhr 15 gewählt hat, kann seine im Klub registrierten kleineren Kinder, die sich unter Umständen alleine an Bord verirren, um 21 Uhr 15 von Mitarbeitern in den „Oceaneers Club“ oder „Oceaneers Lab“ bringen lassen.

Neben solchen Details, die für Elternentspannung ebenso sorgen wie schnurlose Kabinentelefone, die wir wie Walkie-Talkies untereinander hätten aufteilen können (was wir nicht taten), gibt es diverse Erwachsenenbereiche an Bord, in denen Kinderverbot herrscht. Das klingt brutal, aber: Es tut definitiv gut, den ganzen Wahnsinn auf dem Außendeck buchstäblich hinter sich zu lassen und in Ruhe in der Sonne zu dösen oder im Pool ohne Kinder zu planschen. Eine kinderfreie Zone ist ab 21 Uhr ebenfalls der Bereich „Europa“ auf Deck 4, der aus fünf unterschiedlichen Bars besteht, sowie ganztägig ein Restaurant und zwei weitere Bars auf Deck 11 und 12.

Während wir zu Beginn der Reise nur punktuell Programmpunkte wahrnehmen (vielleicht, weil wir amateurhafte Disney-Gäste sind), kommen wir während der Kreuzfahrt richtig in Fahrt. Und so hängen mein Sohn und ich am Morgen des vorletzten Tages über dem Tagesprogramm und planen generalstabsmäßig die Fototermine mit den Disneyfiguren durch, von denen wir noch kein gemeinsames Foto haben. Es gilt die Reise voll auszunutzen, und so viel von dieser heilen und optisch wunderschönen Art-decó-Welt an Bord aufzusaugen wie möglich. Offenbar geht es den anderen Gästen ähnlich. Wo man hinsieht gähnen die Erwachsenen, haben die Mehrheit der Kinder leichte Augenringe. Erlebnisurlaub halt.

Ob wir nochmal auf die Disney „Fantasy“ gehen würden? Ja. Aber im Anschluss wäre eine Woche Erholungsurlaub auch nicht schlecht. Irgendwo an Land, mit Blick aufs Meer. Irgendwo, wo es ruhig ist. Und nicht so teuer. Ach ja, apropos teuer: Die Landausflüge zu den Maya-Tempeln, Schnorcheln vor den Cayman Islands und Schwimmen mit zahmen Rochen auf Castaway Cay waren auch sehr schön.

Ulla Ortlepp-Matthes

Zur Startseite