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Reise: Erst Beirut, dann Berlin

Die „New York Times“ empfiehlt ihren Lesern 44 Ziele, die man in diesem Jahr besuchen sollte

Vor Überraschungen ist man ja bei sogenannten Rankings, also Ranglisten jedweder Art, selten sicher. Und so darf der europäische Leser staunen, wenn die „New York Times“ ihren Lesern jetzt 44 Reiseziele ans Herz legt, die sie in 2009 nach Möglichkeit besuchen sollten.

So viel vorab: Überhaupt nicht verwunderlich ist es natürlich, dass Berlin unter den 44 Zielen einen starken vierten Platz belegt. Hinter den Galápagos-Inseln, die zwar keine ausgeprägte Museumslandschaft oder gar Nachtleben zu bieten haben, ihre Besucher allerdings durch eine einzigartige Flora und Fauna begeistern.

Bevor wir uns jedoch den Empfehlungsspitzenreitern zuwenden, schauen wir nach unten. Auf einige der Ziele, die sich hinter Berlin einreihen müssen.

Als Nummer 44 schlummert das zwar bitterarme, ausgebeutete, doch mit einer zum Teil spektakulär schönen Natur gesegnete Sambia. Heia Safari!

Davor rangiert – „eine Farm in Pennsylvania“. Wie bitte? Na ja, wahrscheinlich ist das entweder so eine Art Museumsempfehlung der „Times“ oder ein Tipp für Zukunftsforscher. In dem Landstrich wird nämlich Ackerbau und Viehzucht nach alter Väter Sitte betrieben, von der Glaubensgemeinschaft der Amischen. Die stehen zwar (vermeintlichem) Fortschritt skeptisch gegenüber, doch irgendwie segeln sie auf diese Art sehr erfolgreich durch alle Wirtschaftsflauten.

Platz 42, schon interessanter: Alaska, Sarah Palin-Country. Von der Gouverneurin sollte sich kein Reisender abschrecken lassen. Erstens ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass man ihr begegnet. Zweitens kann die wunderbare Natur nichts für diese ambitionierte Hockey-Mom.

Stockholm und Tasmanien dümpeln im hinteren Feld, auf Rang 39 jedoch erscheint eine faustdicke Überraschung: Metz, Frankreich. Stammsitz der Karolinger, die in den USA weitgehend unbekannt sein dürften. Okay, etwas very Old Europe muss ja im Angebot sein.

Völlig zu Unrecht allerdings rangiert Madagaskar nur auf Platz 38. Immerhin ist es die viertgrößte Insel der Welt, mehr als doppelt so groß wie Großbritannien. Politisch wird es dort zwar öfter mal unruhig, wie derzeit, doch in Sachen außergewöhnliche Tiere und Pflanzen ist die Rieseninsel kaum zu schlagen.

Weitere Ränge sind dann irgendwie undifferenziert. Kasachstan, Indien, Südafrika, heißt es. Weiter nichts. Keine Stadt, keine Region, kein Nationalpark wird näher bezeichnet. Ob die in New York Wurfpfeile auf eine Weltkarte geworfen haben?

Rotes Meer, Ägypten. Platz 32. Hier liegen die Attraktionen eher unter Wasser. Doch die „Times“ sollte ihren Lesern sagen, dass das Meer nicht rot ist. So bleiben ihnen Enttäuschungen erspart.

Ein wenig Katastrophentourismus darf auf keiner Liste fehlen. Platz 31 belegt das isländische Reykjavik. Offenbar ist nach Ansicht der Redaktion der Rest der Insel zu vernachlässigen, schließlich spielt sich die (Finanz-)Katastrophe vornehmlich in der Hauptstadt ab.

Oho – Platz 30 –, Köln! Nun gut, sie haben es immerhin auf die Liste geschafft. Ob nun Dom, Karneval oder das neue, schicke Projekt Rheinauhafen den Ausschlag gab, sei dahingestellt. Eins ist auf jeden Fall sicher: Bei der „Times“ arbeitet kein Düsseldorfer.

Also die hätte man weiter vorn erwarten dürfen: britische Schlösser. Ehrlich gesagt, als Reiseempfehlung für Amerikaner durfte man annehmen, dass „merry old England“ sogar noch vor Berlin platziert wäre. Nun ja, viele Amis haben wohl schon aufgegeben, ihre Wurzeln zu suchen. So bleibt eben nur Rang 29.

Bei Deutschen ganz oben als Wunschziel, in New York nur auf Rang 27: Monument Valley in Arizona, oft bemühte Filmkulisse. Doch ach, die Zeit der Western ist wohl erst einmal vorbei.

Machen wir einen Sprung über Empfehlungen wie etwa Kopenhagen, Florianópolis (Brasilien), die Seychellen und Penang (Insel vor Malaysia) hinweg, landen wir bei Kuba, Platz 21. Ja, die Sehnsucht ist groß. Ob es allerdings in diesem Jahr für US-Bürger schon statthaft ist, auf die Zuckerinsel zu reisen, bleibt abzuwarten.

Weitere „Muss“-Ziele sind offenbar: Rom (Antike), Ägäische Inseln (Island Hopping), Chicago (Obama), Wien (Schnitzel), Hawaii (Obama) und Las Vegas (verrucht) auf Platz 5 hinter Berlin.

Allmählich fragt man sich: Warum gibt es eigentlich diese Liste? Bedeutet die Rangfolge, dass man sich beeilen muss, weil die Attraktionen sonst vom Erdboden verschwinden? Wie Galápagos? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Denn schauen wir mal ganz nach oben, an die Spitze der Tabelle: Vor dem Naturarchipel rangieren zwei Städte: Washington, D. C., bekanntlich Wirkungsstätte des neuen Heilsbringers der Nation und demnach Wallfahrtsort für Amerikaner. Von Untergangsstimmung (noch) keine Spur. Und ganz oben, die Überraschung schlechthin: Beirut, das „Paris des Nahen Ostens“. Ganz bestimmt keine schlechte Wahl. Vermutlich sind es die neu entstandenen Hotels und Gourmettempel, die es den Autoren angetan haben. Wie auch die mediterrane Lebensart, die sich in der libanesischen Hauptstadt so bedingungslos entfaltet.

Vielfach darf man über die bei der Liste angelegten Kriterien allerdings rätseln. Doch daran ist man ja bei einigen Ranglisten gewöhnt.

Im Internet:

www.newyorktimes.com,

nach „44 Places to go“ suchen

Gerd W. Seidemann

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