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Gut versteckt. Das Jagdschloss Gelbensande befand sich einst im Leibjagdrevier der mecklenburgischen Landesfürsten.

© Hella Kaiser

Jagdschloss Gelbensande: Schutz unter dem Zarenadler

Idyll in Mecklenburg: Wie das Jagdschloss Gelbensande unbeschadet in der Rostocker Heide blieb.

Eine Sommerresidenz sollte es sein. Und was lag näher, als sie im Gelbensander Forst, dem traditionellen Leibjagdrevier der mecklenburgischen Landesfürsten, zu errichten. Friedrich Franz III. war lungenkrank und litt unter schwerem Asthma. Hier, im Küstenwald nahe der Ostsee, erhoffte sich der Großherzog Linderung. Seine junge Frau Anastasia, Enkelin des russischen Zaren, freute vor allem die Aussicht, der strengen Etikette des Schweriner Hofs wenigstens auf Zeit zu entkommen. Architekt Gotthilf Ludwig Möckel wurde mit dem Bau des Jagdschlosses beauftragt – und dann ging alles ganz schnell.

Am 1. Mai 1885 war der Grundstein gelegt worden und gut zwei Jahre später konnte bereits die Einweihung gefeiert werden. Welch ein hübsch-verspieltes Domizil war entstanden! Die Hülle aus gelbem und rotem Backstein, dazu Türmchen, Erker, Gauben und Altane. Weil sich Anastasias Vater, Großfürst Romanow, finanziell beteiligt hatte, wurden dem englischen Landhausstil auch typische Elemente russischer Schlösser und Bojarenhäuser hinzugefügt.

Das Schönste: Alles ist noch da. Wie es sich für eine vornehme Residenz gehört, liegt sie ein bisschen versteckt. Radler kommen binnen einer guten halben Stunde vom Seebad Graal-Müritz aus hin, auf schönen Wegen durch die Rostocker Heide. Autofahrer wählen die B 105 zwischen Rostock und Stralsund, von der ein Abzweig nach Gelbensande führt. Man kann sich gut vorstellen, wie Anastasia hier vorgefahren ist, in ihrem 1898 erworbenen Automobil, einem Panhard-Levasor. Nur aufs Tennis müsste die russische Großfürstin heute verzichten. Der Court, auf dem sie gegen die englischen Doherty-Brüder spielte, ist längst verwildert.

"Es hat dem Haus gut getan, dass es genutzt wurde"

Die Tennislegenden unterrichteten auch die drei Kinder der Familie, darunter Cecilie, das 1886 geborene Nesthäkchen. Das Mädchen liebte die unbeschwerten Sommertage auf Schloss Gelbensande. Mit 19 Jahren verlobte sich die hochgewachsene, hübsche Cecilie dort mit Wilhelm, dem preußischen Kronprinzen. Die Treppe, vor der das Paar für die Fotografen posiert hatte, führt in die sogenannte Repräsentationsetage. Kassetten- und Balkendecken sind zu sehen, die alten Buntglasfenster, prächtige Kamine und sogar die fürstlich gekachelte Badewanne ist noch zu bewundern.

Jagdzimmer. Zwei Geweihtrophäen von Friedrich Franz III. hängen an der Wand.
Jagdzimmer. Zwei Geweihtrophäen von Friedrich Franz III. hängen an der Wand.

© Berkholz

Seit 1995 kümmert sich ein Verein um die Etage, hat sie restauriert und der Öffentlichkeit als Museum zugänglich gemacht. Nur vier Jahre hatte das Gebäude bis dahin leer gestanden. „Es hat dem Haus gut getan, dass es genutzt wurde“, sagt Vereinsmitglied Antje Friesecke zufrieden. „Die alten Scharniere und Schlösser, alles war noch vorhanden.“ Auch das geniale Heizungssystem, ein Aufzug und die gusseiserne Treppe haben die Zeit gut überstanden. Zwei Geweihe jener Hirsche, die Friedrich Franz III. erlegt hatte, hängen im Jagdzimmer.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte die verwitwete Anastasia – Friedrich Franz III. war schon 1897 gestorben – Gelbensande verlassen. Als nahe Verwandte des Zaren und damit dem Kriegsgegner, war ihr nicht mehr wohl in ihrer mecklenburgischen Idylle. Das Jagdschloss blieb indes im Familienbesitz, Anastasias Enkel Christian Ludwig wohnte dort bis 1944.

In den Nachkriegsjahren diente das Schloss als Krankenhaus

Gegen Ende des Krieges stand in der Nähe ein aus zwei Eisenbahnzügen bestehendes Lazarett auf den Gleisen. Um die Verwundeten vor dem Beschuss von Tieffliegern in Sicherheit zu bringen, quartierte sie der Kommandeur, ein Dr. Hoffmann, um ins Schloss. Umsichtig heftete er Plakate an die Fassade, auf denen in großen Lettern „Seuchengefahr“ stand, auf Deutsch und auf Russisch. So hoffte Dr. Hoffmann, russische Soldaten vor dem Eindringen ins Gebäude abzuhalten.

Dr. Hoffmann waren die – bis heute vorhandenen – Zarenwappen am Schloss aufgefallen. Dem Führungsoffizier erzählte er, das Schloss gehöre zum russischen Kulturgut. Prompt ließ man das Gebäude durch Wachen schützen und unterband so jegliche Plünderungen.

In den Nachkriegsjahren diente das Jagdschloss als TBC-Heilstätte, wurde zu Krankenhaus und Bauarbeiterunterkunft. Bis Ende 1990 wurden dort pflegebedürftige Senioren betreut. „Während der DDR-Zeit stand immer ‚Krankenhaus' an dem Gebäude“, weiß Antje Friesecke, von einem „Jagdschloss“ habe niemand etwas wissen wollen.

Wirklich bedroht war das Haus, seit 1995 im Besitz der Gemeinde Gelbensande, nach der Wende. Es gab Pläne für ein Luxushotel, gar für ein Spielcasino in den historischen Räumen. 2008 wurde das Gebäude an einen Rostocker Bauunternehmer verkauft, der nun als Geschäftsführer der „Jagdschloss Gelbensande Residenz GmbH“ fungiert.

Das Verhältnis zwischen dem Schlossbesitzer und dem Verein ist angespannt

Betrieben wird ein Restaurant im Souterrain, das, nunmehr marmorgefliest, kaum noch in das historische Gemäuer passen will. Weitere Pläne fürs Jagdschloss werden auf der Homepage der GmbH verraten. So soll, seit Jahren schon, ein „Maisonetten-Apartment-Hotelkomplex“ im Dachgeschoss entstehen. Noch hat sich nichts getan. Ob und wann mit den Arbeiten begonnen wird, weiß Friesecke nicht. Das Verhältnis zwischen Schlossbesitzer, Förderverein und Gemeinde ist angespannt. Man traf sich schon mehrmals vor Gericht. „Der möchte uns gern raushaben“, heißt es beim Förderverein.

Vom Feinsten. Das originale Badezimmer der fürstlichen Bewohner.
Vom Feinsten. Das originale Badezimmer der fürstlichen Bewohner.

© Berkholz

Einen Zugriff auf die Repräsentationsetage hat der Schlossbesitzer zum Glück nicht. Die Gemeinde hatte dafür beim Verkauf des Objekts ein Dauernutzungsrecht im Vertrag verankert – und ist wohl froh, dass sich der Verein mit seinen 70 Mitgliedern so vorbildlich um die Etage kümmert. Ohne das Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeiter wäre Schloss Gelbensande nicht im heutigen, liebevoll restaurierten Zustand.

Cecilie, 1954 verstorben, wäre sicher glücklich darüber. Als sie 1905 in die Preußenresidenz nach Potsdam zog, wünschte sie sich ein Haus im Cottage-Stil. Eins wie das geliebte Gelbensande. So entstand Schloss Cecilienhof. Die Ähnlichkeit beider Gebäude ist verblüffend. Die Anlage im Neuen Garten präsentiert sich zur Zeit allerdings verhüllt. Erst 2017 sollen die Restaurierungsarbeiten abgeschlossen sein. Das Jagdschloss Gelbensande dagegen hat rund ums Jahr geöffnet. Wie es, Stein auf Stein, entstanden ist, können Besucher im Museum ausgezeichnet nachverfolgen: Sämtliche Bauzeichnungen Möckels sind noch da.

Museum Jagdschloss Gelbensande e.V., Am Schloss 1, 18182 Gelbensande; Telefon: 03 82 01 / 475, geöffnet: täglich von 11 bis 16 Uhr, im Sommer bis 17 Uhr. Eintritt: 4,50 Euro

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