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Zierde der Renaissance. Glückstadt an der Elbe wurde 1617 vom dänischen König Christian IV. erbaut.

© dpa

Marschland: Matjes in Glückstadt

In Glückstadt wird der Hering zum Matjes – höchste Zeit zum Anbeißen. Der kleine Silberling aus der Nordsee den Ort bekannt gemacht.

Größer und schöner als Hamburg sollte sie werden. Eine uneinnehmbare Festungs- und Hafenstadt an der Unterelbe. So hatte es Christian IV, König von Dänemark und Norwegen und Herzog von Schleswig-Holstein, Anfang des 17. Jahrhunderts geplant. „Als der König im Jahre 1617 durch das Marschland entlang der Elbe ritt, scheute sein Pferd, und der König fiel in den Morast“, berichtet Stadtführerin Antje Kardel: „Er ließ den Schlamm durch seine Finger gleiten und sah darin ein Zeichen, an dieser Stelle seinen Plan zu verwirklich.“ Als er auf bis dahin unbewohntem Gelände den ersten Grundstein legen ließ, tat er das mit den Worten: „Dat schall glücken, und dat mutt glücken, und denn schall se ok Glückstadt heten!“ (Das soll glücken, und das muss glücken, und dann soll sie auch Glückstadt heißen.)

Am Reißbrett entstand ein polygonaler Ort nach dem Vorbild einer italienischen Renaissancestadt. Zwölf Straßen verlaufen sternförmig vom Marktplatz zu den ehemaligen Wallanlagen. Viele Häuser wie das Brockdorff-Palais, die Stadtbäckerei am Fleth oder die evangelische Stadtkirche am Markt stammen noch aus den frühen Gründungsjahren. Die gesamte Häuserzeile der Straße „Am Hafen“ mit Fassaden unterschiedlicher Epochen steht längst unter Denkmalschutz. Hier befindet sich auch der achteckige Wiebeke-Kruse-Turm, der nach der Mätresse des Königs benannt wurde. Sie hatte viele Jahre hier gelebt.

Von der Größe und vom Einfluss Hamburgs blieb die Stadt mit ihren heute 12 000 Einwohnern allerdings immer weit entfernt. So viel Glück wurde ihr dann doch nicht beschert, aber dafür hat irgendwann ein kleiner Silberling aus der Nordsee den Ort bekannt gemacht. Ausführliches über die Gründung Glückstadts und das Fischereigewerbe erfährt man im Detlefsen-Museum im Brockdorff-Palais, einem Renaissance-Gebäude von 1632.

Von 1893 bis 1976 wurde in Glückstadt die Heringsloggerei betrieben. 13 deutsche Häfen gab es einst, von denen die Segellogger ausfuhren und in der Nordsee zwischen Mai und Juli Jagd auf den kleinen Fisch machten. Das Gebäude der Heringsfischerei am Hafen ist längst einer modernen Jugendherberge gewichen. Nur das ehemalige, in den Neubau integrierte Eingangsportal erinnert noch an die Zeit, als die Fischer ihre Kantjes (Holzfässer) mit Heringen anlieferten. Heute wird der Hering aus Dänemark und Norwegen importiert. „Zum Matjes aber wird er erst in Glückstadt“, erzählt Henning Plotz, einer von zwei Glückstädter Matjes-Produzenten.

Beim Fang sollte der Hering nicht älter als vier Jahre sein, um auch wirklich zartes Fischfleisch auf dem Teller zu garantieren. Er darf noch keinen Ansatz von Milch und Rogen haben. Gleichzeitig hat er sich durch die Vorbereitung auf die Fortpflanzung schon einen hohen Fettgehalt zugelegt, der mindestens zwölf Prozent beträgt. „Der Name Matjes für den jungfräulichen Hering soll der Legende nach vom holländischen Wort ,Meisje‘ (Mädchen) abgeleitet sein“, sagt Plotz.

Direkt an Bord der Fangschiffe wird der Hering schockgefroren. So kann er zu jeder Jahreszeit nach Bedarf weiterverarbeitet werden „In Glückstadt eingetroffen, wird er gekehlt, also ausgenommen. Nur die Bauchspeicheldrüse und ein kleines Stück vom Dickdarm verbleiben im Fisch“, erklärt Henning Plotz: „Die Enzyme, die die Bauchspeicheldrüse absondert, bewirken die natürliche Reifung des Herings.“ Eingesalzen reifen die Silberlinge mindestens sieben Tage in Fässern und werden dann von Hand filetiert, also von Flossen, den restlichen Innereien, Gräten und Haut befreit.

Längst ist nicht mehr allein „Matjes nach Hausfrauenart“ mit Zwiebelringen, Apfelscheiben und Gewürzgurken der Renner. Fischvariationen in Rotweinlake, in Kräuter- oder Knoblauchdip, im Goldrauch, in Whisky- oder Curry-Bananen-Sauce erweitern das Angebot. In den Wintermonaten sorgt Matjes mit Glühweingelee oder Amaretto-Preiselbeersahne für Gaumenfreuden. „Ganz gleich, welche Geschmacksrichtung man wählt, frischer Matjes duftet immer nach Meer“, meint Plotz.

Gebührend feiern lässt sich der Silberling seit mehr als 40 Jahren im Frühsommer. Immer am dritten Donnerstag im Juni werden die Glückstädter Matjeswochen mit dem traditionellen Matjesanbiss eingeläutet. Vier Tage lang gibt es ein großes Volksfest, bei dem sich nicht alles, aber vieles um den Matjes dreht, der die Besucher glücklich machen soll.

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Tipps

ANREISE

Mit der Bahn ab Berlin in 2:48 Stunden über Hamburg (umsteigen) nach Glückstadt. Mit dem Auto muss man für die 350 Kilometer lange Strecke gut dreieinhalb Stunden rechnen.

UNTERKUNFT

Hotel & Restaurant Raumann, zentral gelegen (Am Markt 5–6, 25348 Glückstadt; Telefonnummer: 041 24 / 916 90, Internet:

www.hotel-raumann.de); Doppelzimmer ab 75 Euro.

ESSEN

Restaurant Kandelaber

(Am Markt 14, Telefon: 041 24 / 93 27 77, Internet: www.restaurant-kande laber.de); bis September täglich großes Matjesbüfett für 17,50 Euro oder auch zum Beispiel „ut de Pann“ die gebratene Kutterscholle für 15,80 Euro.

AUSKUNFT

Über die „Matjeswochen“ vom 17. bis 20. Juni, Unterkünfte etc. erfährt man mehr im örtlichen Tourismusbüro. ( Große Nübelstraße 31, Glückstadt; Telefon: 041 24 / 93 75 85, Internet: www.glueckstadt-

tourismus.de

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