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Kopfüber ins nasse Vergnügen. Sonnig-warme Sommertage gibt es auch in Deutschland. Die Gelegenheit zum Untertauchen. Irgendein See in der Nähe, Nord- und Ostküste sind gut erreichbar.

© Ulrich Perrey/picture-alliance

Urlaubstipps: Deutschland, mein Sommer!

Griechen, Italiener, Franzosen – alle machen sie am liebsten Urlaub im eigenen Land. Aber: Wir mögen’s auch.

„Ich mache Urlaub in Deutschland, allerdings nur in ...“ So lautete die ambitionierte Vorgabe für unsere Kollegen. Manche schüttelten einfach ablehnend den Kopf, andere schauten etwas ratlos, und einige potenzielle Schreiber erzählten gleich von ihren jeweiligen Vorlieben für Skandinavien, Mallorca oder das Elsass. Einer, Mitte fünfzig, sagte gar: „Ich verbringe meine Ferien in Deutschland nicht, bevor ich 75 bin.“ Dabei wird der Urlaub in der Heimat doch immer beliebter. 2012 haben mehr als die Hälfte aller Bundesbürger Ferien in Deutschland verbracht. Jene Kollegen und Kolleginnen also, die uns die gewünschten kurzen Texte lieferten, liegen voll im Trend. Natürlich ist das Ergebnis keinesfalls repräsentativ, gleichwohl erstaunlich: Niemanden unserer Autoren zieht es südlich der Mainlinie. Oder anders gesagt: Am Askanischen Platz glühen viele Nordlichter.

In Waren Danke sagen

Müritz-Ranger.
Müritz-Ranger.

© Bernd Jonkmanns/laif

Die Katastrophe zeichnete sich hinter dem Autobahndreieck Wittstock/Dosse ab. Nichts ging mehr im Getriebe. Kraftlos rollte der Wagen von der Autobahn, mit Mühe schafften wir es ins nächste Dorf. „Kann man nichts machen, jedenfalls nicht hier“, sagte der lokale Autoklempner nach einem ratlosen Blick unter die Haube. „Sie brauchen einen Abschleppwagen.“ Einen sehr großen, denn hinten am Auto hingen noch einmal sieben Meter Wohnwagen. Das ist der Nachteil am Verreisen mit dem Caravan: Fällt das Auto aus, droht einem auch gleich, sein Zuhause zu verlieren.

Der Abschleppwagen brachte uns in einer wilden Fahrt in einen mir unbekannten Ort: Waren an der Müritz. Der Wohnwagen schlenkerte hinterdrein, die Nacht verbrachten wir auf dem Parkplatz vor der Werkstatt. „Das mit dem Wagen dauert“, entschied der Meister am Morgen. Würden wir also auch die nächste Nacht in unserem Camper auf dem Garagenhof schlafen, zwischen Altöltonne und dem Neuwagenangebot der Woche? „Gibt da einen schönen Campingplatz nicht weit von hier, am Eingang zum Müritz-Nationalpark“, sagte der Meister, hängte den Wohnwagen nach Feierabend an den Haken seines Privatwagens und schleppte uns hin.

Der Platz lag wunderschön am Müritzufer. Ein bisschen abgelegen, so ohne Auto. Weil noch früh im Jahr, war der platzeigene Laden geschlossen. „Ach, Sie sind ohne Auto“, sprach die Frau an der Rezeption, „wenn Sie was brauchen, ich bring’s Ihnen aus der Stadt mit.“ Wir fragten uns, ob wir gerade in ein heimliches Werbevideo für Waren an der Müritz geraten seien. Mit uns, dem Meister und der Rezeptionsfrau als Hauptdarstellern. Da trat der Campingplatzchef auf. „Ach, Sie sind doch die ohne Auto, die mit dem Getriebeschaden. Sie brauchen nicht zu bezahlen, Sie haben schon genug Ärger.“ Noch ein Mitwirkender.

Das ist jetzt sechs Jahre her. Seitdem haben wir jedes Jahr mindestens einmal in Waren an der Müritz Urlaub gemacht, mal ein paar Tage, einmal ein paar Wochen. Obwohl wir inzwischen ein neues Auto haben und jederzeit weiterfahren könnten. Wenn wir wollten.

Steinbutt essen auf Rügen

Mönchgutkunst.
Mönchgutkunst.

© picture-alliance

Immer, wenn wir zu DDR-Zeiten in Sassnitz mit der Fähre nach Schweden aufgebrochen sind, den unvergesslichen Desinfektionsduft in der Nase, dann dachten wir: Nach Rügen müsste man mal richtig. Längst geht das, aber inzwischen ist unter den Tritten der Touristen viel Kreide abgebröckelt von den Kreidefelsen, und deshalb ist mir das idyllische Mönchgut lieber, der Südostzipfel Rügens. Sooo viel Vielfalt auf kleinem Fleck, das gibt’s doch gar nicht. Die Strände von Göhren nach Süden, die niedlichen Zicker Berge mit dem Nonnenloch, zu dem ein Weg durch dunklen Wald führt. Der Lachsteller im Hafen von Gager, das Bodden-Panorama von der im Dienst am Reisenden zermürbten Gaststätte Moritzburg oder von der Brennerei „Strandburg“ – unentwegt fragt man sich, woran einen das nun wieder erinnern könne. Schweden, Dänemark, so in der Richtung? Am schönsten ist es hier, wenn der Kuckuck ruft und die Nachtigall antwortet, also ein paar Wochen vor der Hauptsaison, aber auch im Hochsommer sollte noch genug Platz sein. Nicht mehr ganz Mönchgut, aber sehr nahe dran: Der zwischen den Ufern eingekuschelte Jachthafen Seedorf – unbedingt im „Drei Linden“ fragen, ob Steinbutt da ist. Und Binz besuchen! Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Bei stolzen Pferden in Mölln

Schalk Till.
Schalk Till.

© dpa

Der wahre Luxus liegt darin, seinen Ferienort nicht auszuwählen – das kann ja jeder! Kataloge wälzen, im Internet surfen, Preisvergleiche anstellen, gibt’s eine Wasserrutsche, all inclusive, Meeresblick? –, sondern vom Ferienort ausgewählt zu werden. Der Ferienort sagt einfach: Hier bin ich, du hast keine Wahl, ich bin schön, ich koste dich nichts, komm her! So geht es uns mit dem Ferienhaus meiner Eltern in Schleswig-Holstein bei Mölln. Lauenburgische Seenplatte, sanft geschwungene Landschaft, kinderfahrradtauglich, Kastanienalleen, Rapsfelder, rote Backsteinbauernhöfe, Waldbodenduft. Und ein riesiger Balkon mit Blick auf Wiesen und Weiden und ein Dutzend schwarze Arabofriesen: Das sind schöne stolze Pferde, die am liebsten in Deutschland grasen, aber ein klein wenig Fernweh im Herzen tragen, so wie wir. Irgendein neues Hofcafé ist immer zu entdecken, die Ostsee ist nicht weit, der Badesee im Wald ist klar und ruhig. Langweilig? Klar, ein bisschen. Aber wo kann man besser von fremden Welten träumen als hier?

Auf Dortmunder Piazzen

Dortmunds U.
Dortmunds U.

© picture-alliance

Okay, Dortmund ist nicht eben als mondäner Kurort berühmt geworden. Doch die Stadt ist viel besser als ihr Ruf. Die ersten ausländischen Touristen, die das entdeckt haben, waren natürlich Fußballfans. Die alles verändernde Fußball-WM 2006 hat auch hier den entscheidenden Schub gegeben. Dortmund liegt sowohl am Rande des Sauer- als auch des Münsterlandes und ist eine recht grüne Stadt. Wo einst die Flammen aus dem Hochofen in den schwarzen Himmel über der Ruhr loderten, erstreckt sich nun der idyllische Phoenixsee unter weißen Schäfchenwolken. Im Westfalenpark gibt es immer wieder schöne Angebote wie Lichterfest oder Höhenfeuerwerk, und rings um den Bläserbrunnen herrscht in der Innenstadt entspannte Piazza-Atmosphäre. Im Dortmunder U wird mit Verve Ruhr-Kultur zelebriert, im Henriette-Davidis-Museum findet der Besucher historisches Kochwerkzeug und im Brauerei-Museum Interessantes zur Geschichte des Bieres. Gourmets begeben sich gleich zu Michael Dyllong ins Restaurant Palmengarten auf der Hohensyburg. Mit seinem erstaunlich preiswerten Degustationsmenü räumt der gebürtige Dortmunder gründlich auf mit Klischees über die Pott-Küche. Ach ja, nicht nur für Sauer- und Münsterländer ist Dortmund ein klasse Shoppingziel mit berühmt gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Wer keine Lust hat, sich in Berlin mit Fashionistas aus aller Welt um Schnäppchen zu balgen, sollte mal in den ICE steigen. In schlappen 3 Stunden und 20 Minuten ist man schon da.

Seen zählen in Brandenburg

Vorrang Natur.
Vorrang Natur.

© picture-alliance/dpa

Während andere ihre Flüge in ferne Urlaubsländer buchen, brüte ich über der Landkarte von Brandenburg. Haben Sie schon mal bemerkt, wie viele blaue Flecken darauf sind? Rund 3000 Seen gibt es in der Region. Nach und nach will ich sie mir alle erobern. Die fünf Schulzenseen miteinander vergleichen, den großen Zeh in den Moddersee halten, eine Runde schwimmen im Beutelsee, den Ellbogensee abschreiten, am Wummsee verweilen ... 3000 Seen schafft man nicht bei Wochenendausflügen – da müssen große Ferien her.

An einem warmen Junisonntag im märkischen Lindow kam ich auf die Idee. Das Städtchen, „so reizend wie sein Name“, schrieb Theodor Fontane, liegt zwischen drei Seen. Links der Große Gudelacksee, gleich gegenüber auf der rechten Seite der Wutzsee und schräg darunter der Vielitzsee. An welchem Ufer spaziert sich’s nun schöner? Die freundliche Frau in der Touristeninformation gab exakte Antworten: „Wenn Sie’s schattig mögen, umrunden Sie den Wutzsee, da gehen Sie fast nur unter Bäumen.“ Immer wirke der streng geschützte Wutzsee dunkel, still und geheimnisvoll. Hell und freundlich sei dagegen der Große Gudelacksee, ein echtes Gute-Laune-Gewässer. Hübsch glitzerte es in der Sonne. Nur wenige Gäste saßen im netten Hafenbistro, kaum Handtücher waren ausgebreitet auf der Badewiese nebenan. Ein paar Touristen aus Nordrhein-Westfalen bestiegen ein betagtes, urgemütliches Dampferchen zur Seenrundfahrt. „Meine Güte“, sagte einer, „ist das herrlich hier.“ Die Wirtin eilte herbei mit bauchigen Kaffeekannen und hausgebackenem Streuselkuchen.

An solchen Orten möchte ich ewig bleiben. Und das ist das Problem. Gerade mal 46 Seen habe ich bis jetzt geschafft. Die Ferien sind immer zu kurz. Aber: Das Ziel ist gesteckt, ich bleibe dran. Göttinsee, ich komme.

Zu Lili Marleen auf Langeoog

Laternendame.
Laternendame.

© picture-alliance/Hinrich Bäsem

Die Fahrt übers Wattenmeer von Bensersiel aus ist immer nur das Vorspiel. Ich mag schon den Geruch, der vom flachen Wasser aufsteigt, die Bewegung, das Tuckern der „Langeoog IV“. Auf der Insel ändern sich dann Luft und Laute erneut: die Inselbahn, die Pferdefuhrwerke, die Rossäpfel, Fahrradgeklingel und Bollerwagen. Zwischenspiele. Richtig angekommen bin ich, der Immerwiederkehrer erst, wenn ich am Bronzestandbild von Lale Andersen / Lili Marleen und Wasserturm vorbei die letzte Düne überwunden habe. Der ewig lange Strand samt stahlgrauer Nordsee breitet sich aus, rechter Hand, vom höchsten Punkt der platten Insel, grüßt die „Strandhalle“ – vor Jahrzehnten Schauplatz legendärer Jekami-Abende, heute lifestyliger Treffpunkt mit noch immer bester Aussicht auf Meer und Hinterland. Jetzt ist der Hebel umgelegt, der Großstadtschritt schaltet auf Trödelgang, die Gedanken fliegen mit den Wolken.

Gewiss, die allerhöchste Hochsaison meide ich heute. Nicht weil sich dann gefühlsmäßig halb Nordrhein-Westfalen auf Langeoog einfindet. Doch im Frühsommer und -herbst geht es auf der tiefenentspannten Insel noch entschleunigter zu. Der richtige Fleck also, um zu sich zu finden.

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