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Immer akkurat. Auch die Uniformen der Bergleute spiegeln die Zechentradition des Saarlands im Bergwerk Reden wider.

© B & B, p-a

Zechentradition im Saarland: Kumpels Revier

Die Ausstellung „Das Erbe“ in der einstigen Grube Reden erzählt Bergmannsgeschichte. Sie hat die Mentalität im Saarland geprägt.

Der Zustand des Bahnhofs von Landsweiler-Reden lässt nichts Gutes erwarten. Ungepflegt, das Bahnhofsgebäude eingezäunt, Pflanzen dringen durch den Asphalt. Draußen im Schaukasten ist das „Erbe“-Plakat gewellt in sich zusammengesunken, als hätte es die Hoffnung auf Besucher aufgegeben. Kein Schild für „Das Erbe“, wohl aber für „Gondwana – Das Praehistorium“. Da wollen wir zwar nicht hin, aber es befindet sich auch auf dem Grubengelände.

Der Weg führt vorbei an den Bahngleisen und der alten Bergwerksinspektion, einem restaurierten Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Menschen auf der Straße zu fragen, ist müßig. Viele haben noch nie etwas von „Das Erbe“ gehört. Ein bekanntes Phänomen. Auch in Völklingen wollte anfangs niemand etwas von der Hütte wissen, als sie zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Sie hat den Menschen mit der Schließung die Arbeit genommen. Das sitzt tief.

Die Grube in Reden wurde 2000 geschlossen und im vergangenen Jahr nach Erdbeben aufgrund von Grubensenkungen und Schäden an den Häusern ist der Bergbau im Saarland recht kurzfristig komplett abgewickelt worden. Eine Industrie, die 250 Jahre lang das Leben und die Kultur des Landes geprägt hat, ist verschwunden.

Der Weg zur Ausstellung „Das Erbe“ in der ehemaligen Waschkaue der Grube Reden bei Neunkirchen ist dennoch zu finden, denn der mächtige Förderturm ist schon von der Bahn aus zu sehen. Von der Brücke, die die Gleise überspannt, bietet sich ein beeindruckendes Bild. Das riesige Stahlskelett der ehemaligen Sieberhalle steht mit den Füßen im Wasser, ein rechteckiges Becken ist angelegt, durch das ein Pfad mit Trittsteinen führt. Ein paar Wasserpflanzen recken sich in die Höhe. Ein Zeichen der Hoffnung im Niedergang des einstigen Kohlereviers. Das Wasserbecken ist Teil des im vergangenen Jahr eröffneten „Garten Reden“. Wasserbecken und Kaskaden sind nicht nur schön anzusehen – ganz nebenbei wird hier auch das immer noch eindringende Grubenwasser auf ansprechende Art gereinigt und gekühlt.

Der Ort ist authentisch

Die Verwaltungsgebäude aus Klinkerbausteinen sind funktional und verraten durch den Stil ihre Entstehung in der zweiten Hälfte der 30er Jahre. Hermann Göring hatte kurz nach der Wiedereingliederung des Saarlandes ins Deutsche Reich 1935 die Grube besucht und zum Musterbetrieb des deutschen Bergbaus erhoben – als innovativ galt der Betrieb noch bis in die 50er Jahre.

Blick in die Ausstellung. Die vielen Vitrinen, die sich aneinanderreihen, erinnern mit ihrer Form an unterirdische Stollengänge.
Blick in die Ausstellung. Die vielen Vitrinen, die sich aneinanderreihen, erinnern mit ihrer Form an unterirdische Stollengänge.

© promo

Damit der Bergbau nicht in Vergessenheit gerät, hat die saarländische Landesregierung die Ausstellung „Das Erbe“ zum Bergbau im Saarland initiiert, die vor allem den Menschen gewidmet ist, die seit 1751, seit der Verstaatlichung des saarländischen Steinkohlebergbaus, das Land geprägt haben.

Der Ort ist authentisch, die leere Lobby und die Flure im ersten Stock, wo es zur Waschkaue ging, sehen noch so aus, als sei gerade ein Trupp Bergleute vorbeigekommen. Betritt man die Waschkaue, in der sich die Bergleute früher gereinigt und ihre Kleidung an Ketten in Körben bis hoch unter die Decke gezogen hatten, ist man zunächst von Dunkelheit umgeben. Doch man gewöhnt sich schnell daran, schließlich befindet man sich „unter Tage“.

So haben die Ausstellungsmacher die Schau angelegt, die Vitrinen stehen gestaffelt, die leicht schrägen Querschläge haben das Profil der Stollengänge. Die Vitrinen sind im Sockel mit Koks gefüllt, über ihnen ist zwischen Glasplatten Kohlestaub eingelassen. Die Gänge zwischen den Vitrinenwänden erinnern an die „Strecken“ in den Gruben. Das Licht kommt aus LED-Lampen, so dass wirklich ein Unter-Tage-Effekt entsteht.

Die Ziege als „Bergmannskuh“

Im Modell: Bergbau von einst. Deutlich erkennbar die Verehrung für die heilige Barbara, die Schutzpatronin der Bergleute.
Im Modell: Bergbau von einst. Deutlich erkennbar die Verehrung für die heilige Barbara, die Schutzpatronin der Bergleute.

© B & B, p-a

Die Ausstellung beginnt mit Fossilien, Kohlevarietäten und schematischen Darstellungen, wie ein modernes Bergwerk organisiert sein muss, damit Kohle und Abraum befördert werden, schädliches Methangas und Grubenwasser abgepumpt und Sauerstoff zugeführt werden können. Im Saarland ist der Abbau von Steinkohle schon im 15. Jahrhundert urkundlich nachgewiesen, ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde verstärkt in den nun staatlichen Bergbau investiert und 1767 wurde der erste Koks-Hochofen des Kontinents angeblasen.

Original-Exponate im Kabinett der Pickhämmer.
Original-Exponate im Kabinett der Pickhämmer.

© promo

Ein wichtiges Kapitel in der Ausstellung ist der heiligen Barbara gewidmet, der Schutzpatronin der Bergleute. Die verstärkte Einwanderung von Arbeitern aus katholischen Gebieten veränderte auf Dauer die ursprünglich protestantisch geprägte Sozialstruktur im heutigen Saarland. Aber auch die allgegenwärtige Lebensgefahr hat die Frömmigkeit und den Barbara-Kult bewirkt. Davon zeugen viele Insignien von Barbara-Vereinen.

Die gefährliche Arbeit unter Tage förderte auch ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Menschen. Oft waren es ganze Dorfgemeinschaften und Familien, die auf einer Grube arbeiteten. Auf den anderen achten, ihm helfen – Wesenszüge, die in die saarländische Mentalität eingegangen sind.

Die Schau zeigt neben technischem Gerät und Alltagsgegenständen der Bergleute auch Aspekte des frühen sozialen Wohnungsbaus, die Tradition der Schlafhäuser für die Pendler. Mit dem Bau von attraktiven Wohnungen für die Arbeiter mit etwas Landwirtschaft, der Ziege als „Bergmannskuh“, verband die preußische Bergbauverwaltung auch die Hoffnung, die Arbeiter zu binden, Abwanderung etwa ins Ruhrgebiet zu verhindern.

Hinaus ins Grüne. Der kaskadenartig gestaltete Wassergarten in Reden umfasst fünf verschiedene Becken.
Hinaus ins Grüne. Der kaskadenartig gestaltete Wassergarten in Reden umfasst fünf verschiedene Becken.

© Rolf Brockschmidt

Großen Raum nimmt auch die politische Geschichte des Saarlandes ein, der ständige Wechsel zwischen Frankreich und Deutschland. Kurios muten heute die Fußballzeitschriften mit der saarländischen Nationalmannschaft an, die 1954 an der Qualifikation zur Fußball-WM gegen die deutsche Mannschaft antrat.

Zu den düsteren Kapiteln gehört die NS-Zeit, als auch Zwangsarbeiter in den Gruben beschäftigt wurden. Auch das verheerende Grubenunglück von Luisenthal 1963 ist durch eine enge Rettungsbombe für Bergleute beklemmend dokumentiert.

Verlässt man über zwei Rampen die Situation unter Tage, finden sich auf einer höheren, hellen Ebene einerseits die Folgen des Bergbaus heute, der auch mit dazu beiträgt, dass das Saarland wieder grüner wird. Zum anderen werden Erinnerungsobjekte gezeigt, Bergmannssouvenirs und das allerletzte Stück Kohle, das am 30. Juni 2012 gefördert wurde. Es ist Zeugnis einer untergegangenen Welt, deren Nachwehen dauerhaft zu spüren sein werden. Zumindest das Grubenwasser im Garten Reden wird wohl ewig fließen.

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