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Champagner lagert in der kleinsten Hütte. An Frankreichs Pisten kann man auch gut speisen – wie hier im Berggasthof „Le Lapisa“ im Gebiet Portes du Soleil.

© mauritius images

Frankreich: Auf schnellen Brettern zum Kaminfeuer

Auch in Frankreich können Skiorte romantisch sein: In Châtel und Les Gets geht’s gemütlich zu – und auf den Pisten ist noch reichlich Platz.

Ein Glas Champagner wäre gut gewesen. Nicht allein, um auf die grandiose Aussicht oben auf dem 2200 Meter hohen Cornebois anzustoßen. Ringsum grüßen die Gipfel der französischen Alpen. Der Mont de Grange, die Zacken der Dents Blanches, der knapp 3000 Meter hohen „Weißen Zähne“ – alles zeigt sich unter azurblauem Himmel. Doch uns verlässt der Mut. Vor uns liegt eine steile Piste. Für geübte Skifahrer auf zwei Brettern kein Problem. Aber im Ski-Taxi?

Wie im Liegestuhl sitzend sollen wir von den Ski-Guides über die Buckel chauffiert werden. „Einfach zurücklehnen und genießen, Madame“, empfiehlt Yoan, während er hinten auf die Bretter steigt und den Lenker umfasst. Nun heißt es, auf die Erfahrung des Skilehrers vertrauen. Nachdem die Angst erst mal verflogen ist, macht es sogar Spaß, in rasantem Tempo durch die Kurven manövriert zu werden.

Eigentlich ist das Ski-Taxi, das vor kurzem im Skigebiet Portes du Soleil eingeführt wurde, für Menschen mit Handicap gedacht. „Auf diese Weise erleben sie auch mal, wie es ist, die Pisten hinunterzusausen“, meint Yoan. „Und mittags können sie sich mit ihrer Familie oder Freunden auf den Berghütten treffen.“ Aber das Konzept überzeugt auch viele Nicht-Skifahrer.

Wir steigen jetzt lieber wieder selber auf die Bretter. Etwa 650 Kilometer Pisten kann man im Skigebiet Hochsavoyen erkunden. Wir beginnen im Alpendorf Châtel, eine der ersten französischen Wintersportstationen südlich von Genf. Am einen Ende des Dorfs locken die Abfahrten an der 2427 Meter hohen Tête de Linga, weiter östlich erhebt sich Super-Châtel, das bis ins Nachbarland hineinreicht. „Willkommen in der Schweiz“, sagt Skilehrer Bernard, und führt uns zu seinem liebsten Aussichtspunkt. Auf der einen Seite liegen Genfer See und Rhône-Tal, auf der anderen der Montblanc, dazwischen lässt sich der San-Bernadino-Pass an der italienischen Grenze erahnen. Das Panorama ist einzigartig. Dennoch: Die Pisten sind auffallend leer. Ob es am eisigen Wind liegt? Eher sind es wohl die Lifte, die viele abschrecken.

Wenn schon die Aufstiegshilfen an der Tête de Linga nicht die allerneuesten sind – auf Sessellifte mit Powärmer und Windschutzhauben müssen Kälteempfindliche verzichten –, dann bedeuten hier noch jede Menge Tellerlifte eine Zeitreise in die Achtzigerjahre. „Da das Skigebiet Portes du Soleil von beiden Staaten betrieben wird, dauert es eben ein bisschen länger, bis man sich über die Finanzierung eines neuen Lifts geeinigt hat“, kommentiert Bernard die modernisierungsbedürftige Infrastruktur.

Das Kaminfeuer flackert, unter schrägen Holzwänden werden Zwiebelsuppe, mit Käse gratiniertes Schnitzel und Tarte Tatin serviert. Dazu gibt es guten Savoyer Rotwein und Café Crème – gallische Lebensart paart sich mit alpenländischer Gemütlichkeit, die in den französischen Wintersportgebieten Seltenheitswert hat. Oft genug bestimmen nüchterne Appartementsblocks und Selbstbedienungsrestaurants das Bild, von Romantik keine Spur.

In den Portes du Soleil lässt sich dagegen noch so manches authentische Alpendorf finden, das sich seinen traditionellen Charakter bewahrt hat. Den Ortskern von Châtel bilden rund 30 alte Bauernhöfe, drumherum gruppieren sich neuere Chalets. Auf Fassaden aus Naturstein und dunklen Holzbalken ruhen breite Dächer, viele Türen und Fenster sind bemalt, die Balkone mit kunstvollen Schnitzereien verziert. Hier eine Patisserie, dort ein Feinkostladen oder eine Töpferei.

„Châtel lebt nicht nur vom Tourismus, sondern auch von der Landwirtschaft“, erklärt Pascale Ducrot vom Touristenbüro. Hauptprodukt ist der Käse, die kulinarische Visitenkarte der Region. Er wird aus der Milch der sogenannten Brillenkühe gemacht, die mit ihren weißen Gesichtern und dunklen Augenrändern ihrem Namen Ehre machen.

Nach ihrer Rasse – Abondance – sind das ganze Tal und ein Nachbardorf benannt und eben auch der würzige Hartkäse, der angeblich schon seit dem 15. Jahrhundert fabriziert wird. In Form von acht Kilo schweren, runden Laiben lagert er in den Kellern der Bauernhöfe und reift dort wie ein guter Wein. Ohne ihn gäbe es auch keinen „Berthoud“, der auf jeder Speisekarte der Region zu finden ist und aus einer Holzschale voll geschmolzenem Käse mit Weiß- oder Madeirawein und Knoblauch besteht, zu dem Pellkartoffeln und Charcuterie – Schinken und luftgetrocknete Wurst – gereicht werden.

Charmante Dörfer und gediegene Mittelklassehotels

Wer will, kann hier und da auch bei der Herstellung des Abondance zusehen. Es ist schon ein echtes Spektakel, wenn die bröckelige, weiße Masse mit großen Tüchern aus dem hundert Liter fassenden Kupferkessel gesiebt und in Ringformen gepresst wird, während an den Seiten überall der petit lait, die Molke, herausspritzt. „Voilà. Nach vierundzwanzig Stunden Pressung wird der Käse in eine Salzlauge gelegt, danach muss er mindestens drei Monate reifen“, erläutert Bäuerin Corinne.

Auch ein junger Japaner hat hier seine Leidenschaft für das aromatische Milchprodukt entwickelt. Nachdem sich Michihisa Yamaguchi im Nachbarort Les Gets in die Kunst der savoyischen Käseherstellung einweihen ließ, tritt er dort an sechs Tagen in der Woche um 4 Uhr 30 Uhr seinen Dienst in der Käserei La Fruitière an. Sein Abondance, außerdem Tomme de Savoie, Gruyère und Blauschimmelkäse werden nicht nur im kleinen Laden verkauft, landen auch auf den Tischen des dazugehörigen Spezialitätenrestaurants. Unter den liebevoll dekorierten Gewölben der Fruitière werden Raclette und Fondues serviert.

Um die gehaltvollen Delikatessen verdauen zu können, sollte man sich vorher an der frischen Luft den nötigen Hunger holen. Dazu besteht bei der Skisafari Gelegenheit, die uns von Châtel nach Les Gets führt. Statt mit Auto oder Bus umständlich von einem Tal ins andere zu fahren, überqueren wir die Berge mit unseren zwei Brettern – und sparen sogar Zeit dabei.

Von der Ebene Plaine Dranse bei Châtel geht es über den Bassachaux-Pass nach Les Lindarets und weiter nach Morzine. Zwischendurch kommen wir an Avoriaz vorbei und können uns ein Bild von den typischen französischen Retortensiedlungen machen. Laut hämmernde Musik auf der Piste stimmt auf den Skizirkus des künstlich aus dem Boden gestampften Orts ein. „Zielgruppe ist ein jugendliches Publikum, das in irgendeinem Studio im achten oder zehnten Stock wohnt und sich mit seinen Boards auf den Snow Parcs austobt“, sagt unser Guide etwas abfällig.

„Bienvenus“ – ein paar Sessellifte und Pisten weiter begrüßt uns Chrystelle in Les Gets. Charmant wie die ehemalige Abfahrtsläuferin muten Dorf und Skigebiet an. Rund um Kirche, Eislaufplatz und das Museum der mechanischen Musikinstrumente, stehen gediegene Mittelklassehotels. Direkt im Ortszentrum beginnen auch die beiden Skigebiete. Auf der einen Seite die breiten, bequemen Pisten von Chavannes, auf der anderen der anspruchsvollere Mont Chéry. „Der hat rein gar nichts mit den Kirschpralinen zu tun“, sagt Chrystelle. Aber er bietet jede Menge Abwechslung im Wintersportprogramm: Erst nehmen wir im Huskyschlitten Platz, dann ziehen uns Pferde zu noch höher gelegenen Almen hinauf.

Zurück ins Tal – durch verschneite Tannenwälder – stapfen wir in Schneeschuhen. Als wir in Les Gets ankommen, meldet sich der Appetit. Wieder ein Käsefondue? „Keine Sorge, es gibt hier noch andere Spezialitäten“, winkt Chrystelle ab. „Wie wäre es mit Barschfilet aus dem Genfer See?“

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