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Safran

© Laif

Gâtinais: Zupfen für den guten Geschmack

Im Gâtinais, einer Landschaft nördlich von Orléans, wird dieser Tage Safran geerntet. Die Haubenköche warten schon darauf

Madame Fouquin ist eine eher kräftige Frau, nicht mehr ganz jung und ihre Haut verrät, dass sie die Arbeit an der frischen Luft schätzt. Anne-Marie Fouquin ist Safranbäuerin und als solche braucht sie eine gute Konstitution. Die Arbeit mit dieser Jahrtausende alten Kulturpflanze ist mühselig – aber höchst einträglich.

Es ist ein kleines Feld, das die Bäuerin im Gâtinais, einer Landschaft nördlich von Orléans im Département Loiret, bestellt. Doch dieses Feld hat es buchstäblich in sich. Nur auf fünf Ar, also 500 Quadratmetern, hat Anne-Marie Fouquin die Krokuszwiebeln gepflanzt. Im Oktober beginnt die Erntezeit. Dann wartet sie gespannt darauf, dass sich die zarten violetten Blütenblätter zeigen. Wenn es so weit ist, bückt sich die Safranbäuerin wochenlang über ihre wertvollen Pflänzchen, um sie vorsichtig zu pflücken. Die Ernte des Safrankrokus'' ist reine Handarbeit. Madame Fouquin scheint das nichts auszumachen.

Fast ein wenig aufgeregt streift sie die Blätter nach außen, um den Schatz im Inneren freizulegen, drei rote Stengel, die so genannten Narbenschenkel. „Hieraus wird Safran gewonnen“, erklärt die Expertin. „Die Fäden werden herausgezupft und danach, ohne sie zu zerkleinern, in einer langen Prozedur bei mäßiger Hitze getrocknet.“ Die zeitraubende Handarbeit zahlt sich aus. Für die kleinste Abgabeeinheit von 0,2 Gramm muss man nicht weniger als sieben Euro bezahlen. Doch der Safran aus dem Gâtinais, der den Geschmack der Speisen auf so delikate Weise verfeinert, hat seinen Weg zurück in die Küchen der Region gefunden.

„Am Anfang sind wir natürlich belächelt worden“, sagt Anne-Marie Fouquin. Es ist nur wenige Jahre her, seit sich einige Landwirte darauf besonnen haben, den Safrankrokus zu rekultivieren. „Im 17. und 18. Jahrhundert hatte unser Safran internationales Renommee, da belieferten die Bauern der Region sogar den französischen Hof“, sagt die Safranexpertin. An diese Tradition knüpft man im Gâtinais nun wieder an. Um ihr Ziel zu erreichen, haben sich die Safranbauern in einer Genossenschaft zusammengeschlossen, die die Qualität des Produktes garantieren soll.

Einer der Käufer des Safrans von Madame Fouquin ist Hervé Daumy. Der Chefkoch des Hauben-Restaurants der Auberge des Templiers in Boismorand schätzt ihn als „ein Gewürz mit Noblesse“, das gleichermaßen starke wie feine Geschmacksnuancen entfalte. „Unsere Safrangerichte sorgen bei den Gästen regelmäßig für Aha-Erlebnisse“, freut sich Daumy. Und wenn er dann verrät, dass es sich um einheimischen Safran handele, sei das Staunen meist groß. „Denn weit verbreitet ist das Gewürz in der französischen Küche noch nicht.“

Wer die Safranküche kennen lernen und seinen Geldbeutel dabei nicht so arg strapazieren möchte (obwohl die Jakobsmuscheln in Safransauce von Hervé Daumy nahezu jede Sünde wert sind), sollte einen Tisch im Relais Saint- Georges in Pithiviers reservieren. Bei Danièle Levassort steht immer ein Safranmenü auf der Karte: ein Süppchen, danach Geflügel, Kalbfleisch oder Fisch, gefolgt von einer Crème brulée, nach der man so schnell nichts anderes mehr essen will.

Das Département Loiret, das sich an beiden Ufern der Loire erstreckt, ist unter Kulturreisenden als Teil des berühmten Tals der Könige bekannt. Auf seiner Schlösser- und Museentour sollte man jedoch die kulinarischen Seiten dieses Landstrichs nicht zu kurz kommen lassen, sonst verpasst man eine Menge. Der Safran, über dessen für die Region so wichtige Bedeutung ein eigenes Museum in Boynes informiert, ist nicht die einzige Spezialität des Loiret.

Orléans, die geschichtsträchtige Hauptstadt des Départements, lädt zum Bummel durch die restaurierte Altstadt mit stillen, mittelalterlich anmutenden Winkeln und herrschaftlich prunkenden Plätzen voller Geschäftigkeit. Wenn man sich ein bisschen treiben lässt, wird man unweigerlich in die prachtvollen Arkaden der Rue Royale gelangen. Eine Schaufensterdekoration sorgt hier für einen besonderen Hingucker, erst recht wenn man erfährt, dass die ausgestellten Skulpturen allesamt aus feinster Schokolade sind.

Für Charles Chavanette, den Chef der Chocolaterie Royale, der ältesten in Frankreich, ist die Herstellung von Schokolade reine Leidenschaft. „Das Riechen und Schmecken ist mein Lebenselixier“, erklärt er. Chavanette ist viel in der Welt unterwegs, um die Qualität des Kakaos zu überprüfen. In seinem kleinen Betrieb, der seit 1760 in Familienbesitz ist, verarbeitet er nur Produkte aus kontrolliert biologischem Anbau. „Man muss die Zutaten geschmacklich unterscheiden können. Dann erst bin ich mit meiner Kreation zufrieden.“ Vertreter der Schokoriegel-Kultur werden sich wundern, wie königlich Schokolade schmecken kann – unter anderem übrigens auch nach Safran.

Zum Probieren der Süßigkeiten der Chocolaterie Royale muss man allerdings nach Orléans reisen. Monsieur Chavanette, der sich gerne als Schokoladen-Wissenschaftler bezeichnet, lehnt nämlich die Expansion seines Geschäfts und den Vertrieb ab. Da ist es gut zu wissen, dass die Loire-Stadt unter den Feinschmeckern unseres Nachbarlandes einen besonders guten Ruf genießt. Das liegt nicht nur allein an Safran und Schokolade, sondern auch an den zahlreichen ausgezeichneten Restaurants. Und die verarbeiten eben mit Vorliebe Produkte aus der Region.

Ulrich Traub

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