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Glatz: Kletterer zieht es nach Niederschlesien

Wanderer und Kletterer finden im niederschlesischen Bergland um Glatz ein herausforderndes Terrain. Das Heuscheuergebirge ist eine seiner eindrucksvollsten Bergketten.

Was für ein Ausblick! Windumweht stehen die Wanderer auf dem Biale Skaly, einem Plateau, das sich steinern und grau aus dem dunklen Tannenwald heraushebt. Sie schauen über ein weites Land, das bis zu fernen Bergketten in sanften Hügelformationen förmlich zu fließen scheint. Weiß blitzt ein Kirchturmdach, grüne, kaum befahrene Alleen führen durch verschlafene Dörfer, düster ballen sich die Wolken über der hingestreckten Landschaft.

Der Biale Skaly ist einer der prominentesten Felsen des Heuscheuergebirges im Südwesten Polens. Es ist Teil des Glatzer Berglands, das wie eine Raute nach Tschechien hineinragt. Es gehörte einst zeitweise zu Böhmen, ab 1742, zusammen mit Schlesien, dann zu Preußen. Es ist ein Ausläufer der Sudeten und umfasst mehrere Mittelgebirge. Das Heuscheuergebirge (Stolowe Gory), seit 1992 ein Nationalpark, ist davon das vielleicht Eindrucksvollste. Skurril ragen seine Sandsteinformationen aus dem Wald, wie Tier- oder Fabelgestalten oder wie riesige Pilze. Steil, schmal und hoch sind sie – oben aber immer abgeflacht – perfekte Aussichtspunkte. Alles erinnert stark an das Elbsandsteingebirge.

Immer wieder treten die Wanderer auf die Steinplateaus hinaus, nur um zu schauen. Immer wieder geben die Felsterrassen unterschiedliche Ausblicke frei – auf den Ratschenberg, der kegelig am Horizont steht, auf das kleine Dörfchen Friedersdorf, die Streusiedlung Keilendorf.

Nicht nur Wanderer fühlen sich hier wie verzaubert. Auch Kletterer suchen und finden in den Formationen ihre Herausforderungen. Während die einen am steilen 830 Meter hohen Kopa Smiercifelsen noch Seile und Haken ordnen, kommt bereits die nächste Klettertruppe mit schweren Rucksäcken angestiefelt. Allerdings: Längst nicht überall ist es so belebt. Wanderer treffen eher selten auf Gleichgesinnte.

Nur wenigen Menschen begegnet der Besucher auch im sonntagmorgendlich verschlafenen Bad Reinerz (Dusniki- Zdroj), einem Kurort, den bereits 1826 Fréderík Chopin besuchte. Das Papiermuseum ist sehenswert, was man vom Bahnhof, der Visitenkarte jeder Stadt, leider nicht behaupten kann. Den Wanderer zieht es jedoch weiter, hinaus nach Friedersdorf (Lezyce). Durch eine Kulturlandschaft mit Wiesen, Weiden, Feldern, Hügeln und Heide. Auf eine ansehnliche Ebereschenallee folgt schon das langgezogene Dorf. Mal mehr, mal weniger schön renoviert, mal halb verfallen, mal recht hübsch mit Blumen geschmückt stehen die Häuser von Friedersdorf entlang der Straße. Der riesige alte Gutshof, zuletzt eine Kolchose, wird offenbar seit langem nicht mehr bewirtschaftet. An so manchen Häusern, bei denen oft nur noch die Grundmauern stehen, ist zu erkennen: Einst lebten hier sehr viel mehr Menschen. Auf dem Land sein Auskommen zu finden ist offenbar auch hier schwierig. Wer kann, geht in die Stadt, nach Glatz, oder noch weiter nach Breslau.

Es ist Sonntag, und es ist Messe. Ein paar alte Fahrräder lehnen an der Kirchenmauer. Das Gotteshaus selbst – mit weißem Blechdach und verblichenem, ehemals rosafarbenem Putz – ist über einen schmalen Fußpfad und eine wackelige Brücke rasch erreicht. Die Frömmigkeit der Schlesier steckt auch in den Polen, die aus dem Osten ihres Landes hier angesiedelt wurden. Die deutschen Sprüche und Inschriften sind allerdings größtenteils abgeschlagen oder überstrichen worden.

Die Abstände zwischen den einzelnen Häusern werden bald größer, immer wieder ziehen sich mit Blumen bunt gesprenkelte Wiesen voller Obstbäume den Hang hinauf. Es wird steiler, unter Ahorn und Buchen gelangen wir in den Nationalpark des Heuscheuergebirges. Ein schmaler Pfad führt durch eine Felsbrockenlandschaft, anschließend auf Holzplanken durch ein Feuchtgebiet nach Karlsberg (Karlow).

Der 1728 gegründete Ort liegt auf einer Hochfläche, wo sich mehrere Wanderwege kreuzen. Von hier steigen die meisten Touristen in den spektakulären Felsenpark der Großen Heuscheuer (Szczeliniec Wielki) und die Wilden Löcher (Bledne Skaly) auf. Einkehrmöglichkeiten, Imbisse, Cafés und Restaurants gibt es zwar genug, aber ein Restaurant mit Blick auf die grandiose Felskulisse sucht der Wanderer vergeblich. Unbegreiflich! Dort, wo Terrasse und Fenster sein könnten, sind Toilette und Küche installiert. Auch das Speisenangebot lässt zu wünschen übrig, beschränkt sich auf eher weniger erquickliches Fast Food.

Bis zum Aussichtspunkt Skaly Puchacza führt uns der Panoramaweg. Steil geht es erst auf schmalem Pfad, dann gemütlich auf breitem Forstweg wieder hinunter durch den Wald. Blühende Wiesen, ein kleiner Tümpel, ein uralter, mit Feldsteinen gepflasterter Weg – viel wärmer ist es gleich hier unten. Am Ufer wird gegrillt, einige Familien machen ihren Sonntagsspaziergang.

In einem Talkessel zwischen Heuscheuer- und Habelschwerdter Gebirge liegt am Eingang des „Höllentals“ der Ort Rückers (Szczytna). Hier wird es höchste Zeit für eine Pause. Gleich am Ortseingang liegt einladend ein kleines Restaurant, das verlockend mit Forellen wirbt, frisch aus dem Teich hinter dem Haus. Für acht Zloty, nicht einmal zwei Euro, gibt es den leckeren Fisch, perfekt gegrillt. Eindeutig ein Verkaufsschlager – kaum ein Gast, bei dem keine Forelle auf dem Teller liegt.

Auch Rückers ist eines jener langgezogenen Städtchen. Fast eine halbe Stunde dauert der Weg vom einen Ende ans andere, dorthin, wo die Hauptstraße zwischen Bad Altheide und Bad Reinerz verläuft. Hier steht auch die 1895 gegründete Glashütte. Unter der Schutzmarke „Glasbläser“ wurde in den 1930er Jahren bis zur Enteignung 1946 kunstvoll geschliffenes Kristallglas hergestellt. Heute produziert das Werk überwiegend Gebrauchsglasware und Laborgläser.

Hoch über dem Ort lockt die Burg Waldstein (Zamek Lesna). Sie wurde von Karl Leopold Moritz von Hochberg im Stil einer Ritterburg erbaut. Der Entwurf für das vierflügelige neugotische Schloss, das von Mauern und Zinnen umgeben ist, stammt übrigens – man hätte es ahnen können – von Karl Friedrich Schinkel. Es wurde 1832 bis 1838 erbaut und 1892/1893 umgebaut. Im Zweiten Weltkrieg als Lazarett genutzt, dienen Teile des Gebäudes heute unterschiedlichen Zwecken.

Vom Burgfelsen aus ein letzter Blick über die westliche Grafschaft, dann federt traumhaft weich der Waldboden auf dem leicht abschüssigen Weg unter den Füßen. Bad Altheide (Polanica Zdroj) mit seinen imposanten Kurvillen ist erreicht. Doch wie in den anderen Bädern der Region läuft hier das Geschäft mit der Gesundheit eher schleppend. Schade, denn auch dieser Ort wie das gesamte Glatzer Land sind es durchaus wert, (wieder)entdeckt zu werden.

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ANREISE

Mit dem Zug ab Berlin dauert die Reise inklusive Umstieg in Breslau acht Stunden bis Glatz. In der Region kommt man mit Bus und Bahn ganz gut voran.

Mit dem Auto ab Berlin über Görlitz sollte man wenigstens fünf Stunden einkalkulieren.

GORY-STOLOWE-NATIONALPARK

Offizielle englischsprachige Webseite des National Parks unter

www.pngs.pulsar.net.pl/indexeng.htm

WANDERN
Wer auf eigene Faust wandern will, kommt in der Regel gut zurecht. Die örtlichen Tourismusbüros sind sehr bemüht und hilfsbereit.

Für Gruppen organisiert ein Veranstalter aus Remagen beispielsweise eine fünftägige Wanderreise in Niederschlesien mit Standort Bad Reinerz ab 235 Euro. Auskunft: Intercontact, Gesellschaft für Studien- und Begegnungsreisen mbH, In der Wässerscheid 49, 53424 Remagen; Telefon: 026 42 / 20 09 37 oder kostenlose Hotline 08 00 / 00 200 90, Internet: www-ic-gruppenreisen.de

KUREN
Das Kurhaus Wielka Pieniawa wurde 1904 erbaut und ist der Kurmittelpunkt von Bad Altheide. Das im Jugendstil erbaute Haus beeindruckt durch seine imposante Architektur. Sieben Übernachtungen mit Vollpension und täglich drei Kuranwendungen kosten ab 336 Euro pro Person im Doppelzimmer, im Einzelzimmer: ab 406 Euro

Spezialisierte Kurreiseveranstalter haben Pauschalen im Programm. Auskunft in Reisebüros.

AUSKUNFT
Polnisches Fremdenverkehrsamt in Berlin, Telefon: 030 / 210 09 20

Corinne Ullrich

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