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Etwas brummig gibt sich dieser Braunbär, einer von rund 200 in Asturien.

© Garcia

Asturien: Der Liebhaber der Heidelbeeren

In den Bergen Asturiens leben wieder Braunbären. Auf geführten Touren kommt man ihnen nahe.

Die Anreise ist eine Fahrt ins alte Europa. In vielen engen Schleifen windet sich die Provinzstraße 15 durch das sattgrüne Tal des Narcea hinauf in die Berge Asturiens. Viereinhalb Autostunden westlich von Bilbao ist das nordspanische Hinterland nur noch dünn besiedelt und von wenigen Straßen durchzogen. Der viele Regen vom Meer lässt die Pflanzen üppiger sprießen als im Rest des Landes. Hölzerne Kornspeicher auf Stelzen, mit Schieferplatten gedeckt, stehen am Straßenrand. Man lebt noch heute von der Landwirtschaft auf kleinen Parzellen, lokal vom Weinbau – und vom Bergbau. Der hat hier eine jahrhundertelange Tradition und stellt fast 90 Prozent der Arbeitsplätze. 2018 aber sollen alle unrentablen Kohleminen geschlossen werden. So hat es die EU-Kommission verfügt.

Die Angst geht um in der Region um das Städtchen Cangas del Narcea, dass hier dann endgültig die Lichter ausgehen könnten. Die Jungen ziehen schon seit einiger Zeit fort. Im Straßendorf Tablado ganz im Süden der Autonomen Region Asturien mit ein paar weiß getünchten Häusern mit roten Ziegeldächern will Viktor Garcia bleiben, trotz allem. „Es ist doch nicht mutig, einfach vor den Problemen davonzulaufen“, sagt der 23-Jährige auf Englisch und stemmt die Hände in die Hüften. Gerade den Mangel an Entwicklung, gerade die Stille und Einsamkeit hält der stämmige junge Mann für seine Verbündeten – und die Osos, die Bären.

220 Braunbären leben heute wieder in der entvölkerten Region im Westen der Provinz im riesigen Biosphärenreservat Fuentes del Narcea und sichern Viktor aus Tablado sein Auskommen. 30 weitere Tiere leben isoliert im Osten der Provinz. Die meisten Dörfler halten Viktor für verrückt, weil er mit seinem Onkel Vitorino seit dem Schulabschluss vor vier Jahren den Bären nachsteigt, die als Schafräuber, Honigdiebe und Hühnermörder gelten. „Aber darum kümmere ich mich gar nicht“, sagt Viktor und winkt ab.

Besucher im Bären-Fieber

Er lädt ein schweres Dreibeinstativ samt voluminösem Zeiss-Fernrohr in den Kofferraum seines Landcruisers, hängt sich noch einen Feldstecher um und packt eine Wasserflasche in den Rucksack. Für 25 Euro pro Person fährt er Touristen auf einer schmalen Fahrspur bis auf 1200 Meter hinauf in die Sierra de Degãna. Oben beginnt nach nur wenigen Schritten einer der größten Eichenwälder Europas. Zielstrebig schreitet Viktor in das Naturreich. Nach kaum 50 Metern knackt Viktors Funkgerät. Onkel Vitorino meldet sich vom Hang weiter oben: „Un Oso“, rauscht es aus dem Lautsprecher.

Viktor Garcia, Bären-Experte
Viktor Garcia, Bären-Experte

© M. Wein

Hektisch stürmen die Besucher weiter hinauf. Teleobjektive werden aufgeschraubt, Augen zusammengekniffen. Der dicht bewachsene Hang jenseits des Tals ist ein undurchsichtiges Terrain. Manch vermeintlicher Bär erweist sich als Feldstein oder Baumstumpf. Doch schon bald hat Viktor das Tier im Fernrohr erfasst. Gemächlich mampft der sich durch die Heidelbeeren, dreht nur manchmal den Zuschauern seine Nase und den weißen Kragen zu. Ein Jungtier, groß wie eine Dogge. Ein ruhiger Geselle, der nicht ahnt, dass er beobachtet wird. „Ein Heidelbär“, ruft jemand entzückt in die kleine Runde. Viktor nimmt maximal zehn Naturfreunde mit auf Tour.

Vor 30 Jahren war die isolierte Population auf nur noch 70 Tiere geschrumpft. Strenger Schutz und der Rückzug des Menschen haben zur Verdreifachung der Bärenzahl geführt. Die Tiere sind bedeutend kleiner als etwa in Skandinavien oder Russland. Männchen wiegen nur um die 150 Kilogramm, Weibchen noch weniger. Doch aufgerichtet bringen sie es trotzdem auf gut zwei Meter Höhe, erzählt Viktor.

Auch wenn er mit noch jugendlicher Begeisterung für seine Heimat wirbt – naiv geht er seine Arbeit nicht an. Über Facebook, Twitter und auf einer Homepage bewirbt er seine Touren in sieben Sprachen, vermietet einige Fremdenzimmer, serviert Tortillas mit Paprikawurst, selbst gebackenen Honigkuchen und Rotwein aus der Gegend als Picknick. Geschäftig schießt er allen Besuchern mit deren Mobiltelefonen Erinnerungsbilder.

Nachts heulen die Wölfe

Nach einer Dreiviertelstunde trollt sich das Beobachtungsobjekt ins Gebüsch. Viktor schiebt sein Stativ zusammen. Im Eichenwald unten zeigt er dann doch noch einen frischen Kratzbaum und eine Schlafmulde. Den gesamten Lebensraum der Bären will er vorstellen und damit die Notwendigkeit zum Schutz der Tiere erklären. Auch Wildkatze, Gemse und Auerhahn leben schließlich in der Gegend. In den Flüssen tummeln sich Lachse und Forellen. Seit Jahrtausenden haben auch Menschen mit und von der Natur gelebt. In seiner Werkstatt im Dorf zeigt Viktor Touristen, wie man aus dem Holz der Traubeneiche Trinkschalen, Butterfässchen oder die traditionellen Holzschuhe drechselt. Nebenbei verkauft er Honig und Blaubeermarmelade.

Doch während die Dämmerung über das Tal zieht, steht er jetzt noch mitten im Wald vor einem Rundbau aus Feldsteinen mit einem einzigen niedrigen Eingang. Ist das ein altes Hirtenhaus oder eine Einsiedelei? „Es ist eine Wolfsfalle, schon 400 Jahre im Gebrauch“, erklärt der junge Mann. So funktionierte sie: Eine Ziege lockte die Wölfe hinein. Weil sie den Ausgang nicht fanden, vergaßen die Tiere in der Falle sogar ihre Beute und liefen hektisch im Kreis herum, bis die Jäger kamen.

Heute ist eine Seite der Rundmauer eingestürzt und die Falle außer Betrieb. Wölfe aber gebe es noch immer, sagt Viktor begeistert, sogar zwei Rudel mit 11 und 13 Tieren. Für ihn sei es das eindrucksvollste Erlebnis, die Wölfe nachts auf einer geführten Tour heulen zu hören. Aber das ist fraglos eine andere Geschichte.

Auskunft: Spanisches Fremdenverkehrsamt Berlin, Telefon: 030 / 882 65 43

Auf der ITB: Halle 4.2

Martin Wein

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