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La Seu, die Kathedrale von Palma, am Start des Frauenmarathons auf Mallorca. Das Schönste: Ein Teil der Strecke verläuft am Meer.

© Rafa Babot

Laufen: Nichts verloren am Ballermann

Der Marathon in Palma de Mallorca ist ein Frauenlauf. Dabei ist auch Kathrine Switzer, die 1967 als erste weibliche Teilnehmerin einen Marathon absolvierte.

„Und – welche Zeit peilst Du an?“ – typische Mitläuferfrage am Start. Lisa Jackson aus London, im rosa Tüllrock und bunten Halsketten, sagt gut gelaunt: „Ich denke, so sechs Stunden, ich hab’ nicht viel trainiert.“

Dann knallt’s. Startschuss für den einzigen Frauenmarathon in Europa. 80 Marathonläuferinnen, die in der Avenida d’Antoni Maura im ersten Startblock stehen, preschen los. Dann sind die Zehn-Kilometer-Läuferinnen dran, mehr als 800. Die Kathedrale La Seu ist fast noch in Sichtweite, da haben sie die Marathonläuferinnen eingeholt. Und mit gemeinsamem Schwung zieht der bunt getupfte Schwarm stadtauswärts nach Osten, auf der heute für Autos gesperrten Autopista de Levante.

An der Strandpromenade verharren hier und da Jogger und Spaziergänger, die mit Musik in den Ohren oder Hunden an der Leine ihre Runden drehen wollten. Und ab und zu jagen Fahrradfahrer durchs Bild. Nur 50 Meter entfernt brandet sanft das Meer und schickt Wellen mit salzig-warmer Frühlingsluft an Land. Die ersten Kapuzenhemden und langen Shirts fliegen an den Straßenrand oder werden auch mal verdutzten Passanten in die Hand gedrückt

„Ich kann nicht glauben, dass wir 15 Grad haben“, sagt eine Läuferin, „ich hab die vergangenen Wochen in Schweden im Schnee trainiert.“ Unter Palmen, mit Blick auf die Bucht von Palma geht es weiter zum Viertel El Molinar.

Es duftet nach Orangen und frisch gebrühtem Kaffee

Die Straße Carrer de Llucmajor ist schmal und viele Kilometer lang. Sie führt vorbei an Bäckereien und Obstläden, Bars und Cafés. Und am Publikum. Wie für den Kirchgang adrett gekleidete Kinder und Erwachsene bleiben stehen, schauen interessiert zu, applaudieren. Leute treten aus den Cafés, manche noch ein Glas in der Hand, und prosten den Läuferinnen zu. Immer wieder ist ein „Hola“ oder „Hi“ zu hören, neben Fußgetrappel und Gesprächsfetzen auf Englisch, Spanisch oder Deutsch. Es duftet nach Orangen und frisch gebrühtem Kaffee.

Wer hier immer weiter nach Südosten läuft, erreicht nach weiteren fünf Kilometern die Platja de Palma und den Strand von S’Arenal mit dem berüchtigten Strandlokal „Ballermann 6“. Doch dahin will heute kein Mensch. Das Läuferfeld biegt an der Carrer Trafalgar hinunter zum Strand der Gartenstadt Ciutat Jardí und läuft am Meer zurück zur Kathedrale.

„261“ steht auf den neongelben Hemden der Läuferinnen, denn so heißt dieser Lauf. Nach der historischen Startnummer, die Kathrine Switzer 1967 beim Bosten-Marathon trug. 20-jährig lief sie damals als erste Frau offiziell einen Marathon, obwohl der Renndirektor sie unterwegs angriff. Die Fotos gingen um die Welt – Frauen durften bis 1984 olympisch nur 800 Meter laufen. Dass sich das geändert hat, ist Switzers Verdienst. Und auch, dass an diesem Sonntagmorgen im März Frauen aus 23 Nationen hier gemeinsam Marathon laufen – mit Blick aufs Meer.

Laufpionierin Kathrine Switzer empfängt jede Läuferin persönlich

Der Weg führt direkt am Strand zum kleinen Hafen Portixol mit seinen 120 Bootsliegeplätzen. In den Cafés sitzen Menschen in der Morgensonne, manche schauen von der Zeitung auf.

Ein Sportevent ist auf Mallorca nichts Besonderes, ein Frauenlauf hingegen schon. Das hat heute jede Menge Neugierige angelockt. Bei der Kathedrale sind die zehn Kilometer geschafft. An den Absperrungen steht jubelndes Publikum – und direkt im Zieleinlauf: Laufpionierin Kathrine Switzer (68). Sie empfängt jede Läuferin persönlich, einen Marathon an Umarmungen absolviert sie heute.

Wer auf die 42,195 Kilometer trainiert hat, läuft weiter auf der prachtvollen – heute abgesperrten – Avenida Gabriel Roca. Plötzlich so viel Platz für so wenige Läuferinnen und kaum Zuschauer! Aber das Meer ist immer nah, und der Kopf wird frei. Zuerst geht es vorbei am Fischereihafen, den Molls des Pescadors, dann zum Real Club Náutico, wo die Jacht von Exkönig Juan Carlos liegt.

Männer sind als Schrittmacher willkommen

Schritt für Schritt zum Ziel.
Schritt für Schritt zum Ziel.

© AFP

Noch mehr Segelboote und Jachten im Wasser und frisch gestutzte Palmen an der Straße – fünf Kilometer bis zum historischen Militärhafen Porto Pi und dann wieder zurück zur Kathedrale. All das dreimal aufs Neue. „Ihr seid gut!“ und „Venga, venga, Andrea!“, rufen Zuschauer und Läuferinnen auf der Gegengeraden, als die Dreiergruppe vorbeiläuft: Andrea Löw aus München mit Andreas und Roland. Stopp. Das ist doch ein Frauenmarathon – haben die Männer sich verlaufen? Sie dürfen mit auf die Strecke, erhalten aber keine Wertung.

Jetzt ist die Gruppe schon vorbeigerauscht, denn Andrea will heute ihre Bestzeit knacken. Mit jeder Runde wird es wärmer, jeder Kilometer dehnt sich schier unendlich lang.

Eine Frau macht es kurz: Elena Daniela Cirlan zieht vorüber, beschleunigt von brasilianischen Trommelklängen. Die Rumänin erreicht das Ziel als Erste – nach zwei Stunden und 51 Minuten. Dort wurde für alle Läuferinnen ein rosafarbener Teppich ausgebreitet, frische Blumen stehen bereit. Lisa Jackson läuft nach sechs Stunden und 19 Minuten schweißgebadet, aber lachend Kathrine Switzer in die Arme.

"Mein erster Laufgefährte machte mich zu dem Menschen, der ich heute bin."

Sie und der Veranstalter SMM, Sports Marketing Management, aus Madrid feiern das Event an diesem lauen Abend in einer Tapasbar am Hafen von Palma. Das Büfett im Café Amarre duftet nach Oliven, Brotspießchen mit Schafskäse und Tortillas werden angeboten.

Switzer erklärt, warum Männer bei dem „Frauenlauf“ zugelassen sind. Sie sagt: „Mein erster Laufgefährte machte mich zu dem Menschen, der ich heute bin.“ Der Betreuer des Männer-Crossteams an der Uni habe ihr Talent entdeckt und mit ihr trainiert. „Er war der Einzige, der glaubte, dass ich einen Marathon schaffen könnte.“

Männer hätten Frauen in sportlicher Hinsicht immer unterstützt, lobt die 68-Jährige. Grund genug, warum bei diesem Frauenlauf Sportkollegen als Pacemaker (Schrittmacher) willkommen sind.“ Und wie viele Männer waren diesmal dabei? 132 Männer haben 802 Frauen begleitet. Mal sehen, wie es im kommenden Jahr ist. Am 10. April wird man es wissen.

Am Wasser macht's noch mehr Spaß

La Seu, die Kathedrale von Palma, am Start des Frauenmarathons auf Mallorca. Das Schönste: Ein Teil der Strecke verläuft am Meer.
La Seu, die Kathedrale von Palma, am Start des Frauenmarathons auf Mallorca. Das Schönste: Ein Teil der Strecke verläuft am Meer.

© Rafa Babot

WINTER ADE

Wer den Frühling hierzulande nicht abwarten will, kann am 17. Januar zum Marathon starten. An diesem Tag laufen Sportliche zeitgleich auf den Bahamas (Sunshine-Insurance Marathon), auf Bermuda oder Trinidad-Tobago.

DEUTSCHLAND

Fast jede Stadt, so scheint’s, organisiert mittlerweile ein Laufevent. Am schönsten sind jene am Wasser. Los geht’s etwa am 26. März beim Ueckermünder Haffmarathon, am 27. März beim Föhr-Marathon oder am 10. April beim Tangermünder Elbdeich-Marathon. Am 24. April fällt der Startschuss beim „Oberelber Marathon“ in Königstein.

FRAUENLAUF

Der nächste „261 Women’s Marathon“ startet 2016 am 10. April.

UR-MARATHON

Die Originalstrecke des Ur-Marathons, so versprechen die Veranstalter, kann man am 8. November zwischen Athen und Marathon laufen.

VERANSTALTER

Es gibt verschiedene Reiseveranstalter, die Arrangements rund um die Laufevents zusammengestellt haben und natürlich auch die An-und Abreise organisieren. Darunter ist zum Beispiel Geisler Marathonreisen, Postfach 5113, 24063 Kiel, Telefon: 0431/2472713. Dort können sich sportliche Menschen etwa für den Marathon in Tokio (22. Februar), den Halbmarathon in Lissabon (März) oder den Marathon in Paris (April) anmelden.

LAUFKALENDER IM NETZ

runme.de oder planet-marathon.de

Ursula Thomas-Stein

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