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Volley, bitte! Nicolas Kiefer macht's vor: kleine Schritte nach vorn und in die Knie. Sonst wird es selten was.

© gws

Tenniscamp: Das Gelbe ist der Ball

Aufschlag, Return, Sidesteps: Eine Woche im Tenniscamp mit Nicolas Kiefer in der Türkei.

„Hallo zusammen, ich heiße Nicolas.“ Allseitiges Nicken in der Runde. Eigentlich ist diese Vorstellung ja nicht notwendig, denn so lange ist die Tenniskarriere von Nicolas „Kiwi“ Kiefer noch nicht vorbei. Und die Angesprochenen haben nicht zuletzt seinetwegen das Tenniscamp in Belek an der türkischen Riviera gebucht. Nun soll der ehemalige Profi, im Jahr 2000 immerhin auf Platz vier der ATP-Weltrangliste, ein paar andere Tennissaiten für die Urlaubsgäste im Club Robinson Nobilis aufziehen, als diese es in ihren Heimatvereinen gewohnt sind.

Ungeduldige 15 „Tennislehrlinge“ aus allen Regionen Deutschlands, aus der Schweiz und Österreich haben sich eingefunden, um ein wenig an Aufschlag, Vor- und Rückhand zu feilen und sich vom Profi den ein oder anderen Tipp zu holen, der vielleicht im nächsten Match zu Hause den Ausschlag geben könnte. Und der 36-jährige Kiefer ist nicht allein gekommen, um die Hobbyspieler etwas auf Trab zu bringen. Mit von der Partei ist Tim Fleißig, oft Weggefährte von „Kiwi“ auf der Tour und jahrelang Bundesligaspieler des Hannoverschen Tennis-Vereins (HTV), sowie Timo Scholich, lizensierter Trainer und zugleich Abteilungsleiter des Fachbereichs Sport in der Robinson-Zentrale in Hannover.

Das Trio lässt schon beim ersten Aufwärmtraining und der Gruppeneinteilung nach unterschiedlichen Spielstärken keinen Zweifel daran, dass es ihnen neben dem Feilen an Schlagtechnik und Taktik vor allem auch auf eines ankommt: den Spaß am Tennis zu vermitteln, den sie selbst dabei haben. „Die sind gut, die Jungs“, schnauft Karl aus Gießen und wischt sich bei einer Trinkpause den Schweiß von der Stirn. Karl ist ein alter Tennisfuchs im gesetzten Alter und hat schon viele Camps besucht.

„Früher ausholen! Und die Augen auf den Ball!“

„Das macht eigentlich immer Spaß mit den früheren Stars.“ Besonders schwärmt er vom Schweden Anders Järryd (1985 im Halbfinale von Wimbledon gegen Boris Becker unterlegen): „Ein Mann völlig ohne Allüren.“ Stargehabe legt allerdings auch Nicolas Kiefer nicht an den Tag. Im Gegenteil. Immer gut gelaunt, immer ansprechbar – auch abseits des Platzes, wenn man ihm auf der weitläufigen, direkt am langen Sandstrand gelegenen Anlage begegnet. Und das gemeinsame frühe Frühstück mit den Trainern, die sich wie alle in der Gruppe als echte Teamplayer erweisen, ist an jedem Camptag ein doppelter Genuss, jedoch beileibe keine Pflicht.

Auch hier sind die drei Musketiere echte Vorbilder: viel Obst und Körnerfutter. Die Sportlergäste hingegen können meist nicht den Versuchungen des überbordenden Büfetts widerstehen: Eier, Schinken, Pfannkuchen mit Sirup – all das, wozu daheim morgens (gottlob) die Zeit nie reicht. Urlaub halt. Doch das Schönste, und darin unterscheiden sich Tennisspieler nicht von Golfern: Fachsimpeln, zumal mit richtigen Cracks, ist schlicht ein Genuss. Auf dem Platz allerdings ist’s vorbei mit der Theorie. „Früher ausholen! Und die Augen auf den Ball!“

Immer entspannt. Fachsimpeln mit Kiwi nach dem Spiel gehört dazu.
Immer entspannt. Fachsimpeln mit Kiwi nach dem Spiel gehört dazu.

© promo

Die häufigsten Korrekturen, die die drei Trainer ihren jeweils drei Nachhilfeschülern auf dem Platz zurufen. Doch auch an Lob wird nicht gespart: „Gute Länge, Karl. Aha, ich habe hier einen Sicherheitsspieler“, erkennt Nicolas sofort – und schickt den etwas rundlichen Gießener gleich mal ein wenig in die Ecken des Feldes, um ihn zu etwas mehr Lauffreude zu animieren. Walter aus Berlin muss schon am ersten Tag die Segel streichen. Nach zehn Jahren Tennisabstinenz wollte er es noch einmal wissen. Nun: die Achillessehne. „Bei solchen Verletzungen haben wir früher natürlich gespielt“, sagt Kiwi. „Und wenn es dann nicht läuft, sagen die Zuschauer: Was ist denn mit dem los?“

Nicht zuletzt um solchem Malheur vorzubeugen, ist vor der ersten Trainingseinheit jeden Tages intensives Aufwärmen angesagt. „Das solltet ihr auch zu Hause beherzigen“, mahnt Timo, der die bei ballhungrigen Hobbyspielern ungeliebte Einheit mit pfiffigen Spielchen versüßt.

„Die Gäste sind komisch“

Büfett im Club, mal draußen
Büfett im Club, mal draußen

© gws

Nach den morgendlichen 90 schweißtreibenden Minuten auf den für die meisten ungewohnten Quarzsandplätzen bleibt den Gästen für den Rest des Tages ausreichend Zeit zur Regeneration. Eigentlich. Doch wie es in Clubanlagen so ist: Das Angebot, sich sportlichen Aktivitäten hinzugeben, ist gewaltig. Neben den frei zu nutzenden sechs Tennisplätzen lockt eine Bogensportanlage sowohl zu ernsthaftem Training als auch mit Schnupperkursen.

Immer am Ball sein können Fuß- und Volleyballer auf entsprechenden Feldern, Tischtennis- beziehungsweise Pingpongspieler können sich gegenseitig von der Platte putzen, und ganz Fixe sollten mal Speedbadminton ausprobieren, eine Mischung aus Badminton, Tennis und Squash. Ja, gewiss, auch für Golfspieler ist gesorgt. Ihnen steht sogar ein clubeigener 18-Loch-Kurs zur Verfügung; wer weitere Herausforderungen sucht: In der näheren Umgebung des Nobilis gibt es weitere 13 Plätze.

Dass Kinder aller Altersklassen gern gesehen sind und ein mehr als ausreichendes Betätigungsfeld finden, versteht sich in den Clubs ebenso von selbst wie das Angebot von allen Arten von Wassersport. Der größte Genuss im Club wird jedoch offenbar den leidenschaftlichen Essern geboten. Kaum zu glauben, mit welchem Aufwand das unermüdliche Servicepersonal Büfetts aufbaut und fortwährend dafür sorgt, dass es an nichts fehlt.

Erkenntnis: üben, üben, üben

Doch der clubeigene Tennistrainer Tomas wundert sich: „Die Gäste sind komisch: Zu Hause machen sie wenig Sport und essen zu viel von allem. Hier machen sie dann viel Sport, essen jedoch nur Salat und Fisch. Dabei sollten sie hier alles essen und sich viel bewegen.“ Na ja, nach unserer Beobachtung wird von den meisten schon ganz gut zugelangt...

Fünfter Trainingstag für die Tennisfreunde. Lektion: Aufschlag. „Ein richtiger Knackpunkt bei vielen Spielern“, weiß nicht nur Nicolas Kiefer. Die meisten haben scheinbar einen eingebauten Zufallsgenerator – mal klappt’s, meistens nicht. Zumindest nicht mit der nötigen Härte und Präzision. „Größtes Problem ist der Ballwurf. Hobbyspieler werfen einfach nicht hoch genug.“ Kiwi macht’s immer wieder vor, wenn auch mit angezogener Handbremse.

Erkenntnis: üben, üben, üben. „Jetzt mal Returns“, ruft Kiwi. Marc, der junge Schweizer, bettelt um Bestrafung: „Kiwi, mach mal ’nen richtigen Aufschlag!“ Bitte sehr – und zisch. Genau auf die T-Linie. Marc zeigt keine Reaktion. „Marc, was ist? Das Gelbe ist der Ball!“ Der Junge ist verdattert. Und Tennisfuchs Karl freut sich: „Das war insgesamt eine richtig gute Woche. Also, wenn ich davon in meinem Club erzähle...“

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