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Mitte_Karosas

© Stefan Jacobs

Europas Mitte, km 1200: Angst vor Manhattan

1991 hat der Bildhauer Gintaras Karosas einen Park am geografischen Mittelpunkt des Kontinents gegründet, damit dort mehr zu sehen ist als nur ein Stein. Jetzt hadert der Künstler mit seinem Land, das er seit dem EU-Beitritt von Konzernen unterworfen und verschandelt sieht.

An seinem Mittelpunkt sieht Europa ganz und gar nach Osten aus. Eine löchrige Landstraße führt zwischen Feldern und schiefen Holzhäusern entlang, taucht in dichten Mischwald ein und endet an einem Parkplatz. Von hier führt ein Fußweg weiter in den Europa-Park. Rechts und links stehen auf Wiesen im Wald mehr als 100 Skulpturen zeitgenössischer Künstler. 1991 hat der Bildhauer Gintaras Karosas, damals 23 Jahre alt, den Park gegründet, damit am geografischen Mittelpunkt des Kontinents - von französischen Wissenschaftlern in den 80ern berechnet - mehr zu sehen ist als nur ein Stein.

Jetzt steht der Künstler in einem von Reiseführern gepriesenen Freiluftmuseum und hadert mit seinem Land, das er seit dem EU-Beitritt von Konzernen unterworfen und verschandelt sieht. "Vilnius war so menschlich dimensioniert. Und jetzt spielen wir hier Manhattan: Fürchterliche Wolkenkratzer werden gebaut, ohne Rücksicht auf die Umgebung. In manchen Gegenden haben sich die Preise binnen zehn Jahren verhundertfacht. Leute sind durch Immobilienspekulation reich geworden. Extrem reich, ohne dass sie dafür gearbeitet hätten."

Auf eine Alternative zur EU-Mitgliedschaft mag sich Karosas nicht festlegen. "Vielleicht machen es Norwegen und die Schweiz besser", sagt er so, dass es eher wie eine Frage klingt, die gerade niemand beantworten kann. "Wirtschaftswachstum und Brüsseler Geld sind jedenfalls nicht alles." Sein Zorn ist wenig konstruktiv, aber er hat zumindest einen sehr konkreten Grund. Jahrelang hat sich Karosas um eine ordentliche Straße zu seinem Park bemüht. Bis es plötzlich aus der Kreisverwaltung geheißen habe, das Geld sei leider gerade ausgegeben worden: für die Zufahrt zum neuen Golfclub namens "Europas Zentrum". Stefan Jacobs

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