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Mainhattan grüßt. Weil’s die Hessen auch gemütlich mögen, bauten sie eine breite Promenade am Fluss. Da kommen sich Radler und Spaziergänger nicht in die Quere.

© philipus / Alamy

Frankfurt: Eine Stadt zum Kopfverdrehen

Demnächst rückt die Stadt am Main wieder in den Fokus: Vom 14. bis 18. Oktober ist Buchmesse. Doch viel zu bestaunen gibt’s hier 365 Tage im Jahr.

Die Banker zogen blank. Nicht wiederzuerkennen war Frankfurt am Main in den heißen Augusttagen dieses Jahres. Krawatten schienen verpönt, Sakkos dauerhaft eingemottet, Notebooktaschen weggesperrt. Unter der Sonnenglut hatte sich die Businesswelt in ein Freizeitparadies verwandelt. Statt wie üblich in ihre Smartphones zu bellen, lutschten die Kapitalknechte an Eiswaffeln, nutzten die Börsenzeitung zum Fächer um und starrten auf den Main.

In jenen Tagen machte es sich bezahlt, dass der Weg von den Wolkenkratzern des innerstädtischen Bankenviertels nicht weit ist bis zum rechten Mainufer, an dem ein angenehmer Spazier- und Radweg entlangführt. Nicht von ungefähr heißt diese Parkanlage hinter dem Untermainkai seit jeher „Nizza“ – das aber nicht in an der Côte d’Azur liegt, sondern „hibbdebach“, Frankfotterisch also hüben, diesseits des „Baches“ (Main).

Auch drüben und gegenüber, „dribbdebach“, führt ein kilometerlanger Spazier- und Radweg an Museumsufer, Sachsenhausener Villen und Deutschherrenufer vorbei bis zur Gerbermühle, wo der alte Geheimrat Goethe sich in eine sehr junge Marianne verliebte und sie im „West-Östlichen Divan“ als Suleika verewigte.

Unterm Messeturm entsteht mit dem Europaviertel ein komplett neues Quartier

Zwischen hüben und drüben gibt es rund ein Dutzend Mainbrücken. Wer die Skyline der City bestaunen will, kann also im Nu die Ufer und die Perspektive wechseln. Vom Kommerz guckt man dann auf die Kultur am Museumsufer mit Städel, Film-, Kommunikations- und Architekturmuseum, von der Kultur auf die Kirch- und Kommerztürme der City.

Ruderer skullen, mal sportlich, mal träge, gegen den trägen Fluss – die Traditionsclubs, etwa der Frankfurter Kanu-Verein 1913, sind mit Mainzugang im noblen Sachsenhausen angesiedelt. Lastschiffe kommen vom Osthafen, einem der logistischen Rhein-Main-Zentren, und steuern an der City vorbei westwärts, vielleicht zum Rhein.

Im Westend, unter dem Messeturm (der mit der Frankfurter Messe wenig zu tun hat) und auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs entsteht mit dem Europaviertel ein komplett neues Quartier, sehr businessmäßig und ziemlich geleckt. Geradezu erholsam rebellisch wirkt da der grinsende Totenkopflappen, den ein exilierter St.-Pauli-Fan in sein Fenster gehängt hat.

Der neureiche Finanzmensch bezieht eine Wohnung mit Marina

Zum rechten Mainuferweg geht’s durch das eher triste Gutleutviertel am Restaurant Druckwasserwerk vorbei. Dort werden in einer ehemaligen, mächtig ausladenden Maschinenhalle gutbürgerliche Speisen zu ebensolchen Preisen angeboten. Den Kaffee nimmt man tunlichst auf der Terrasse, wo sich’s im Schatten eines Heizkraftwerks mit Blick auf den Fluss trefflich über Mainhat räsonieren lässt. Dessen altreiche Nutznießer wohnen drüben, in Sachsenhausener Villen oder irgendwo im Taunus.

Der neureiche Finanzmensch dagegen bezieht eine Wohnung am Becken des ehemaligen Westhafens. Das Motorboot ankert in der Marina direkt vor der Haustür. Über dem östlichen Ausgang des schicken Hafenbeckens ragt 112 Meter hoch der Westhafen-Tower, ein zylinderförmiges Hochhaus, das wegen seiner mattgrünen Verglasung und der Rautenstruktur an ein Ebbelwoiglas erinnert und folgerichtig „das Gerippte“ genannt wird.

Wie verwegen die Analogie ist, das lässt sich gleich unterm Gerippten erkunden, in einem der schicken Cafés und Gartenlokale am Mainuferweg oder in der nahen Kleinmarkthalle bei einer Fleischwurst mit Knoblauch der Metzgerei Schreiber, für deren Verkaufsstand die Leute in einer langen Schlange warten.

Im lichten Foyer der Commerzbank liegt die öffentliche Kantine

Ein Prosit auf den Commerzbank-Turm – natürlich mit Ebbelwoi.
Ein Prosit auf den Commerzbank-Turm – natürlich mit Ebbelwoi.

© Uli Schulte-Döinghaus

Vom Main her eröffnet „das Gerippte“ die Kette der Hochhäuser, die sich wie ein schwankender Börsenkurs entlang der Skyline zieht, mal dramatisch aufragend und mal eher flach. Wie eine mahnende Erinnerung daran, dass die Bankenkrise dem Geldhaus darunter beinahe den Garaus gemacht hätte, spitzelt eine Antenne als Zeigefinger über dem 250-Meter-Turm der Commerzbank in den Frankfurter Himmel.

Im wunderbar lichten, hohen und weiten Foyer des Glaspalasts, den Norman Foster Anfang der 90er-Jahre entwarf, ist die Firmenkantine zugleich ein günstiges und gutes öffentliches Restaurant, wo die Gäste den Köchen auf die Finger schauen können.

Am Hintereingang des Commerzbank-Turmes, in der Neuen Mainzer Straße, kommentieren schaulustige Rentner den Abriss des alten Metzler-Bankgebäudes. Es weicht in den nächsten Monaten einem spektakulären 185-Meter-Hochhaus der Entwicklerfirma Tishman-Speyer, in dem Leben, Shoppen, Wohnen und Arbeiten möglich sein soll.

Schon jetzt kann sich den Kopf verdrehen, wer in den Eingangsbereich des Junior-Hauses am Kaiserplatz schaut, ein paar Schritte halbrechts vor der Commerzbank und gut am Mercedesstern zu erkennen. Neun Stockwerke sind mit einer atemberaubend ästhetisch gewundenen Wendeltreppe verbunden, die jede Schnecke blendend weiß vor Neid werden lässt.

Nordwestlich riegeln die bewaldeten Taunushöhen den Horizont ab

Fast in der Nachbarschaft bietet der Main-Tower in knapp 200 Metern Höhe Frankfurts einzige wolkenkratzende Aussichtsplattform. Unter uns spiegeln die Glasfassaden von Soll und Haben, den Zwillingstürmen der Deutschen Bank, die Banken- und Börsenwelt wider.

Nordwestlich riegeln die bewaldeten Taunushöhen den Horizont ab, östlich dominiert das jüngste Wahrzeichen der Frankfurter Aufwärtsarchitektur – der EZB-Tower, deren Fassade die Architekten etwas gewunden konstruierten, als hätten sie die aktuelle europäische Finanzpolitik vorausgeahnt. Noch ragt die Zentrale der Europäischen Zentralbank etwas verloren ins Ostend, das gerade stadtplanerisch entwickelt wird.

Im Südosten zeigt Gabriele Spanuth, wo sie in Offenbach – dribbdebach – lebt und arbeitet. Sie unterrichtet im Hauptberuf Englisch und Deutsch, im Nebenberuf ist Spanuth seit 40 Jahren Stadtführerin in Frankfurt. Während sie am Main entlang den östlichen Horizont erläutert, baut sich, wie jeden Abend, ein Fernsehreporter vor der Taunuskulisse auf und erzählt vom nahenden Regen. Wetterbericht und Ziehung der Lottozahlen, beides bekanntlich Glücksache, strahlt der Hessische Rundfunk regelmäßig hier oben vom Maintower aus, eigentlich Domizil der „Hessischen Landesbank“.

„Ja, ja, ja. Nä, nä, nä“, klingt Joseph Beuys aus dem Lautsprecher

Ein bisschen ist auch von hier oben zu erkennen, wie rund um Frankfurts gute Stube aufgeräumt und gebaut wird. Zwischen Römerberg, Rathaus Römer, Paulskirche und Dom wird in der Altstadt ein Quartier teils historisch rekonstruiert, teils neu aufgebaut, das im Zweiten Weltkrieg durch Bombardements zerstört wurde.

Diese Baustelle, die im nächsten Jahr abgeschlossen werden soll, wäre der Rede eigentlich nicht wert, gäbe es da nicht diesen Jux. Wer nämlich vom Römerberg an Bautafeln und Absperrungen vorbei zum Kaiserdom stapft, kommt durch den Innenhof der berühmten Kunsthalle Schirn und muss vor einer poolartigen Aufschüttung aus Baumüll stoppen, in deren Becken es so laut wie verdächtig tropft. Die Barriere ist Anspielung, pure Ironie – eine Installation des nordamerikanischen Künstlers Doug Aitken.

Hier, im ältesten Quartier Frankfurts sind gleich zwei Topmuseen für zeitgenössische Kunst beheimatet. Gleich hinterm Domplatz und unweit der Schirn zeigt das Museum für Moderne Kunst, dass in den besten Exponaten immer auch ein gehöriger Hintersinn steckt. Zum Beispiel Joseph Beuys: Während die Besucher ergriffen und andächtig vor seinem Werk „Blitzschlag mit Lichtschein auf Hirsch“ verharren, hören wir aus Lautsprechern die Stimme des Meisters mit einer Aufnahme seines berühmten Lamentos: „Ja, ja, ja. Nä, nä, nä.“

Tipps für Frankfurt

Mainhattan grüßt. Weil’s die Hessen auch gemütlich mögen, bauten sie eine breite Promenade am Fluss. Da kommen sich Radler und Spaziergänger nicht in die Quere.
Mainhattan grüßt. Weil’s die Hessen auch gemütlich mögen, bauten sie eine breite Promenade am Fluss. Da kommen sich Radler und Spaziergänger nicht in die Quere.

© philipus / Alamy

ANREISE

Der ICE-Sprinter der Deutschen Bahn verkehrt täglich um 6.14 Uhr ab Berlin-Hauptbahnhof und erreicht Frankfurt am Main ohne Zwischenhalt 3 Stunden 45 Minuten später. In der Gegenrichtung verbindet der Sprinter Frankfurt und Berlin täglich um 18.14 Uhr. Alle übrigen Züge brauchen mindestens eine halbe Stunde länger.

ÜBERNACHTUNG

Frankfurt Tourismus hat interessante „Weekend“-Packages aufgelegt. So zahlen zwei Personen im Fleming Deluxe Hotel in der City 198 Euro für eine Übernachtung mit Frühstück. Cool: Das Hotel hat einen Paternosteraufzug.

ESSEN UND TRINKEN

Zum Beispiel in den Metzgereien der traditionsreichen Kleinmarkthalle (Hasengasse 7; warme Fleischwurst, Frankfurter etc.) oder in der öffentlichen Kantine des Commerzbank Tower (Große Gallusstraße 17-19)

EBBELWOI-WOCHENENDE

mit Verkostung, Rundfahrt und Übernachtung pro Person ab 78 Euro im DZ.

MAIN TOWER

Die Plattform ist täglich ab 10 Uhr geöffnet. Eintritt: 6,50 Euro.

AUSKUNFT

Informationen, auch über Stadtführungen, in der Touristen-Info am Römerberg in der Altstadt sowie am Hauptbahnhof, Telefon: 069/21 23 88 00.

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