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Galapagos

© AFP

Galapagosinseln: Ratlos auf der Arche Noah

Der Tourismus gefährdet die Galapagosinseln, sagt die Unesco. Doch er finanziert auch ihren Schutz.

Es war der pure Zufall, dass die Inseln im Jahre 1535 entdeckt wurden. Der Erzbischof von Panama, unterwegs zwischen Panama und Peru, hatte im Pazifischen Ozean Schiffbruch erlitten. Was er sah, als er strandete, beschrieb er so: „Steinige Eilande voller Seelöwen und Schildkröten, völlig unbewohnbar“. Sein Bericht führte 1574 zur ersten Eintragung auf einer Weltkarte unter der Bezeichnung „Archipelago de los Galopegoes“ (spanisch für: Inseln der Schildkröten). Längst ist alles genau gezählt und vermessen: Die Inselgruppe der Galapagos besteht aus 14 größeren und acht kleineren Inseln sowie rund 40 winzigen Eilanden.

Fünf Inseln sind bewohnt. Rund 30 000 Menschen leben inzwischen dort. Und natürlich kommen Touristen her, etwa 140 000 pro Jahr, Tendenz steigend. 2003 waren es nur 80 000. Reisende, die die einmalige Pflanzen- und Tierwelt dieser Region bestaunen wollen: Seelöwen, Meerechsen, Prachtfregattvögel, Klippenkrabben, Blaufußtölpel und Riesenschildkröten zum Beispiel. Die Liste der ausschließlich hier lebenden Arten ist erstaunlich lang.

Anfassen verboten!

Unser kleines Kreuzfahrtschiff, ein 100 Jahre alter dänischer Küstenmotorsegler, ankert vor der spektakulären Felsnadel Pinnacle Rock. Wir sind zehn Passagiere, mehr als zwölf Gäste hätten gar keinen Platz auf dem Schiff. Der Landgang auf dem 1,2 Quadratkilometer kleinen Eiland San Bartolomé ist nur mit Naturführer erlaubt. David hat uns auf „wet landing“ vorbereitet, das heißt: Schuhe aus, Hosen hochkrempeln – hier gibt es keinen Anlegesteg. Er ermahnt uns, keine Tiere anzufassen und nicht die markierten Wege zu verlassen. Aber manche Seelöwen-Junge sind so neugierig, dass sie auf uns zulaufen und mit der Schnauze die Kamera berühren wollen!

Diese Art von Seelöwen gibt es nur hier. Vor Millionen Jahren wurden sie durch die starke Meeresströmung hergetrieben und haben sich den Lebensbedingungen der Inseln exakt angepasst. Genau wie die Leguane, die – vermutlich auf weggeschwemmten Baumstämmen – auf die Inseln kamen. Auch Vögel vom südamerikanischen Festland, vom Kurs abgekommen, landeten hier. Alle Tiere waren so isoliert, dass sie sich, abhängig von ihrer neuen Umwelt, zu neuen Arten entwickelten.

Die Vielfalt ist faszinierend: Allein von den Darwinfinken gibt es 13 Arten, die sich durch die Form ihres Schnabels unterscheiden, je nach Nahrungsangebot auf den einzelnen Inseln. Eine von ihnen hat gelernt, einen Kaktusstachel im Schnabel zu halten, um damit Insektenlarven aus dem Holz herauszukratzen. Ihren Namen Darwinfinken erhielten sie in Anlehnung an den britischen Naturforscher Charles Darwin, der hier als Student im Jahr 1835 durch seine Beobachtungen die Grundlagen für seine später verfasste Evolutionstheorie legte.

„Damals gab es hier einen einzigen Landrover, und jetzt denken wir über die erste Verkehrsampel nach!“

Zwei Stunden lang wandern wir über ein noch junges Lavafeld auf dem unbewohnten Inselchen Santiago. Vor hundert Jahren spuckte hier noch der Vulkan. Unser Guide David erläutert detailliert und kenntnisreich rötliche Schlackenkegel, erkaltete Schleifen und Kräusel auf der bizarren Oberfläche. Hier und da wachsen schon wieder erste Kakteen. Können wir in dieser Einöde als Touristen bedrohlich sein? Wohl kaum.

Ganz anders sieht es in Puerto Ayora, dem Hafen von Santa Cruz, aus. Fast tausend Quadratkilometer groß ist die Insel, 20 000 Menschen leben hier. Wir registrieren Bars, Restaurants, Souvenir- und Schmuckläden. Es ist ein Urlaubsort wie viele. Rege ist auch der Autoverkehr. Unser Hotelchef Werner Silberstein, vor 15 Jahren kam er aus Deutschland auf die Galapagos, kann sich noch erinnern: „Damals gab es hier einen einzigen Landrover, und jetzt denken wir über die erste Verkehrsampel nach!“

Zahlreiche Ecuadorianer sind in den letzten Jahren zugezogen. Der Lohn ist viel höher als im rund 1000 Kilometer entfernten Festland. 350 Dollar verdient Barkeeper Ernesto im Hotel. Er ist zufrieden.

Ein Balanceakt - Wie viel Tourismus vertragen die Inseln, wie viel brauchen sie?

Nun will die Regierung in Quito die Ansiedlung von Neubürgern erschweren. Und auch den Tourismus begrenzen. „Die Zahl der Tage, die Passagiere von Kreuzfahrtschiffen auf den Galapagos verbringen, ist in den vergangenen 15 Jahren um 150 Prozent gestiegen“, konstatierte jetzt die Unesco. Es gebe derzeit etwa 80 Schiffe, die rund um die Galapagos-Inseln kreuzten. Im Durchschnitt haben sie Platz für 16 Passagiere, einige wenige fassen 100 Personen. Werner Silberstein sagt: „Der Tourist sichert und finanziert Galapagos.“ Jeder Besucher zahle schließlich 100 Dollar Nationalpark-Gebühr. Früher, so heißt es, seien diese Gelder im ecuadorianischen Staatshaushalt versickert. Inzwischen würden sie gezielt für Schutzmaßnahmen verwendet.

Trotzdem: Auf Santa Cruz scheinen die Grenzen des Tourismus erreicht. Anders sieht es auf Isabela aus, der größten Insel des Archipels. Hier wird der Verkehr auf der sandigen Hauptstraße des Ortes Puerto Villamil durch ein paar Volleyballspieler geregelt. Sie haben ihr Netz quer über die Straße gehängt. Erst als der Ball ins Aus geht, darf das einzige wartende Auto endlich passieren. Ansonsten: ein paar kleine Pensionen, ein ewig langer Sandstrand mit schwarzen Leguanen, Pelikanen und Blaufußtölpeln. Doch die Idylle ist auch hier bedroht. Ein neuer Flughafen ist geplant, auf dem auch große Maschinen landen können. Kommt der Unesco-Alarm also zur rechten Zeit? Ecuador erhält nun die Möglichkeit, Gelder aus dem Welterbe-Fonds abzurufen. Wird sie die für oder gegen den Tourismus einsetzen? Die Erhaltung der „Arche Noah im Pazifik“ ist eine Gratwanderung.

CHRONIK

1959 erklärte die ecuadorianische Regierung die Galapagosinseln, inzwischen eine Provinz von Ecuador, zum Nationalpark. Das Ziel, die einzigartige Flora und Fauna zu bewahren scheint knapp zehn Jahre später erreicht: 97 Prozent der Landfläche sind unter Schutz. Seit 1978 stehen die Inseln auf der Welterbeliste der Unesco. Doch Tourismus und Besiedlung bedrohen das Ökosystem. Ende Juni 2007 schlug die Unesco Alarm. Die Inseln kommen auf die Rote Liste.

Reinhard Berkholz

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