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Geflügelte Wahrzeichen. Fünf Mühlen, sorgsam restauriert, gehören zur Silhouette der Insel. Freie Plätze in der ersten Reihe am Wasser gibt es nur in der Nachsaison.

© Hella Kaiser

Griechenland: Insel der Seligen

Die Einheimischen auf Mykonos machen sich keine Sorgen. Der Tourismus brummt – wie eh und je. Und Athen ist weit weg.

In den fünfziger Jahren war das Hotel Leto die beste Wahl auf Mykonos. Es gab keine Alternative. „Es war das erste Hotel auf der Insel“, sagt Dimitris stolz. Er steht hinter dem Empfangstresen des Vier-Sterne-Hotels, dessen Lage am alten Hafen nicht schöner sein könnte. Doch längst kann sich das „Leto“ nicht mehr messen mit all den luxuriösen Unterkünften, die inzwischen auf der Insel entstanden sind. Solche mit modernen Infinity Pools, in denen der Gast das Gefühl hat, ins Meer hinauszuschwimmen. Wo Fußböden in der Lobby mit weißen Kieseln belegt sind, in Zimmern teure Designersofas stehen und Lampen wie Kunstobjekte von den Decken hängen. Das „Leto“ wurde 1997 das letzte Mal renoviert. Hier und da fehlt eine Kachel im Bad, Armaturen sind lose, der Stecker für den Fön hat einen Wackelkontakt. Trotzdem ist das Hotel in der Hochsaison – die Doppelzimmerpreise beginnen bei 250 Euro – immer ausgebucht. Überall in Griechenland senken sie die Preise, buhlen um Touristen. Auf Mykonos gibt es keine Rabatte – denn es gibt auch keine Krise.

Die Entwicklung zur Jet-Set-Insel war rasant. Zuvor, in den 1930er Jahren zum Beispiel, hatten höchstens Archäologieinteressierte einfache Zimmer auf Mykonos gebucht. Denn hier waren sie ihrem eigentlichen Ziel, dem winzigen, unbewohnten Eiland Delos am nächsten. Der Mythologie zufolge soll Göttin Leto hier die Zeus-Kinder Apollon und Artemis geboren haben. Delos – ein Jahrtausende altes Heiligtum, ein herausragender Schauplatz antiker Geschichte. Das war das Ziel – Mykonos interessierte keinen.

Das änderte sich dramatisch, nachdem Jackie Kennedy im Juni 1961 das erste Mal auf Mykonos weilte. Sie verliebte sich in die Insel und kam immer wieder aufs Neue, gemeinsam mit ihrem Mann Aristoteles Onassis und der Yacht „Christina“. Fortan schob sich die 86 Quadratkilometer große Kykladeninsel in den Fokus der Prominenz. Brigit Bardot kam, Paul Newman, Valentino, Pierre Cardin, Liz Taylor, Anthony Quinn oder Françoise Sagan. Auch der griechische Künstler Mikis Theodorakis verbrachte oft Ferien auf Mykonos. Alle schwärmten von dem Eiland, dem kleinen Hafenort mit seinem Gassenlabyrinth und den schneeweißen würfelförmigen Häusern.

„Schauen Sie die Silhouette der Stadt an, sie hat sich über all die Jahre kaum verändert“, sagt Dimitris. Es herrschen strenge Bauvorschriften auf Mykonos. Von den ursprünglich zehn Windmühlen auf dem Hügel hinter dem Hafen sind immerhin fünf erhalten. „Die Bewohner von Mykonos sind clever. Sie wissen, was die Besucher erwarten – und handeln danach“, sagt Konstantinos Koukas, Er ist Anwalt, aber auch Vize-Präsident des Tourismuskomitees der Süd-Ägäis. Alle 24 Kykladeninseln gehören dazu, aber keine boomt so wie Mykonos. „Wir haben tolle Strände, Nightlife und schicke Geschäfte“, sagt Koukas. „Wir haben einfach alles.“ Das wichtigste aber sei die Internationalität. Mykonos sei eine Marke, in aller Welt bekannt. Manche Gäste, aus Japan, Australien oder den USA, wüssten gar nicht, dass Mykonos zu Griechenland gehört. Koukas lächelt und sagt: „Am liebsten würden wir uns selbstständig machen. Denn, was haben wir von Athen? Wir zahlen Steuern, aber wir bekommen nie etwas zurück. Unser Flughafen könnte besser sein, unser Hafen, auch die Straßen sind nicht im Top-Zustand.“

Sophia, Ende 50, hat den kleinen Schmuckladen ihres Vaters am Hafen übernommen. Das Geschäft laufe gut, sie könne nicht klagen, erzählt sie. In Athen indes sei es schlimm. Sophia steigen Tränen in die Augen. „Wir zahlen immer mehr Steuern, aber es hilft ja nichts“, sagt sie. Auf der Insel, gibt sie zu, merke man nichts von der Not in Griechenland. „Krise?“ fragt ein Kioskbesitzer, überlegt und sagt: „Na ja, die kubanischen Zigarren werden nicht mehr so oft verlangt.“ Konstantinos Koukas betrachtet die Lage nüchtern. „Athen ist arm dran“, sagt er achselzuckend, „aber Krisen kommen und gehen.“ Mykonos bleibt davon verschont. „Vielleicht sind in diesem Sommer ein paar griechische Touristen weggeblieben“, sagt Sabine Luett-Zachos, die eine Reiseagentur auf der Insel führt. „Aber in diese Lücken springen dann sofort andere.“ Auch chinesische Urlauber interessierten sich bereits für Mykonos.

Neue Nachfrage, neue Angebote. Immer hat sich Mykonos erfolgreich dem Trend angepasst. Nach den Prominenten kamen die Homosexuellen, die als ausgabefreudige Gäste sehr willkommen waren und zudem in schicke Bars und Restaurants investierten. Dann folgten die Kreuzfahrtgäste. In den Sommermonaten steigen bis zu 15 000 von ihnen täglich von den Riesenschiffen. Der neue Hafen wurde eigens für sie erweitert. Die Menschen schieben sich durch die Altstadt – und geben Geld aus. 450 Boutiquen finden sich im Gassenlabyrinth, was auf den Laufstegen von Mailand oder Paris gezeigt wurde, ist hier zu haben.

Für die internationalen Partygäste zählen indes die langen Nächte der Insel. Wenn an den Stränden „Paradise“ oder „Super Paradise“ die Bässe wummern, halbnackte Mädchen auf Tischen tanzen, Zwei–LiterChampagnerflaschen kreisen und der Dj aus Italien einen umgeschnallten goldenen Stoffpenis wippen lässt.

Mykonos im Hochsommer hat wenig mit Griechenland zu tun. 100 000 Touristen, 5000 Bewohner. Deshalb freut sich Sophia jetzt auf den Winter. „Da sitzen wir zusammen und plaudern, sowie früher. Und wie damals essen wir einfaches Souvlaki“, sagt sie. Im Oktober endlich gewinnt Mykonos seinen alten Charme zurück – und behält ihn bis Anfang Mai. Dann gibt’s kein Gedränge in „Klein Venedig“, dem hübschen Hafenquartier. Die schrill bekleideten Schaufensterpuppen in den Gassen wurden hereingeholt, Katzen dösen ungestört auf den Treppenstufen. Keiner da, der ansteht, um Pelikan Petros am Hafen zu fotografieren.

www.mykonos-accomodation.com

www.greektravel.com

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