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Land und Leute. Auf Bahnreisen (hier der Eastern & Oriental Express zwischen Bangkok und Singapur) bieten sich Urlaubern besondere Ausblicke.

© Lernidee Erlebnisreisen

Im Bann der Bahn: Zug um Zug

Bahnerlebnisreisen gibt es von Anatolien bis Australien. Wer sie bucht, will sich einen Traum erfüllen.

Es gibt einen typischen Fehler, den Anfänger auf einer Bahnerlebnisreise machen: „Sie denken, jetzt komme ich endlich mal dazu, in Ruhe ein paar Bücher zu lesen“, sagt Thorsten Haferkamp. „Doch fürs Lesen bleibt selten Zeit.“ Viel zu spektakulär sei oft die Landschaft, die vor dem Fenster vorbeizieht, viel zu interessant seien meistens die Gespräche mit den Mitreisenden, viel zu gut in der Regel das Essen im Speisewagen. Der Geschäftsführer des Berliner Veranstalters Lernidee Erlebnisreisen kommt richtig ins Schwärmen, wenn er über Bahnreisen spricht.

Die Angebotspalette an Zugreisen ist riesig. „Klassiker ist natürlich der Glacier-Express in der Schweiz“, erklärt Kai de Graaff, Geschäftsführer von Ameropa. Weiterhin gibt es Züge, bei denen allein schon die Erwähnung des Namens Träume auslöst: Orient-Express, Zarengold, in Kanada der Rocky Mountaineer, in Südafrika Rovos Rail, in Australien The Ghan. „Am beliebtesten ist bei uns nach wie vor die Transsibirische Eisenbahn“, ergänzt Haferkamp. „Das ist einfach ein Mythos.“ Genaue Zahlen, wie viele Deutsche ihren Urlaub auf der Schiene verbringen, gibt es nicht. Klar ist jedoch: „Bahnerlebnisreisen sind nach wie vor eine Nische“, sagt Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV). Mit den Größenordnungen der Kreuzfahrt seien sie noch lange nicht vergleichbar – auch wenn manche von einer „Kreuzfahrt auf Schienen“ sprechen. Das Interesse an Bahnreisen wächst allerdings, hat Haferkamp beobachtet.

Auch bei Ameropa gibt es einen 20-prozentigen Zuwachs bei den aktuellen Buchungen. Dertour konnte beim Sonderzug Zarengold zulegen, auch Klassiker wie Eastern & Oriental Express, Rovos Rail oder Ghan seien sehr gefragt. Zugreisen mit dem kanadischen Rocky Mountaineer seien geradezu ein Trend.

Ein Massenprodukt werden Bahnreisen jedoch wohl auch in Zukunft nicht werden. „Bahnerlebnisreisen sind kein Allerweltsprodukt“, schränkt Zeuch ein. Da steht schon der meist doch recht hohe Reisepreis im Weg. „Unsere teuerste Reise im Programm kostet 22 000 Euro“, erklärt de Graaff von Ameropa. Dafür reist der Urlauber 22 Tage im Zarengold. Es geht zwar auch billiger, zum Beispiel zehn Tage durch Anatolien für rund 2000 Euro. Doch mit dem Preis für einen normalen Urlaub oder auch einer Schiffsreise ist das noch lange nicht zu vergleichen.

Viele Züge kultivieren auch einen besonderen Luxus: Wer zum Beispiel mit Rovos Rail durch das südliche Afrika reist, muss abends mit Krawatte zum Essen erscheinen. Im Orient-Express serviert der Maître de Cabine Tee im Abteil. Dementsprechend ist das Durchschnittsalter der Reisenden meist relativ hoch. „50 bis 60 plus“, erklärt Maren Vollert, Produktmanagerin Nordamerika bei Meier’s Weltreisen, seien zum Beispiel die Passagiere des Rocky Mountaineers. Auf 45 bis 55 Jahre schätzt Haferkampf das Durchschnittsalter der Lernidee-Reisenden, beim Glacier-Express wahrscheinlich sogar erheblich älter. „Je mehr es ein Hotelzug ist, desto betagter, je abenteuerlicher und einfacher der Zug, desto jünger“, laute die Faustregel. Grundsätzlich sinke der Altersschnitt der Passagiere allerdings etwas. Ein Trend, den auch de Graaff beobachtet hat.

Doch was sind das für Menschen, die eine Zugreise unternehmen? „Bei den meisten ist es natürlich so eine Einmal- im-Leben-Geschichte“, sagt Haferkamp. Der typische Reisende sei der Entdecker, der die Welt nicht mit Auto oder Bus bereisen will. „Eine Neugierde auf Land und Leute muss einfach gegeben sein.“ Oft haben die Passagiere die Länder zuvor schon auf anderen Wegen bereist. „Niemand fährt mit Rovos Rail, wenn er nicht schon vorher mal in Afrika war“, erklärt de Graaff.

„Die Passagiere wollen einfach das Land von einer anderen Seite sehen, alles eine Spur authentischer erleben.“ Daneben gibt es noch einige Bahnfreaks, die jede Schraube der Lok in- und auswendig kennen. „In der Regel ist es aber eine Kombination aus Zug und Land, die Menschen zu solch einer Reise bewegen“, sagt de Graaff.

Neben den Klassikern gibt es auch viele unbekannte Strecken. Bei Ameropa gut gebucht werden derzeit zum Beispiel Reisen in Spanien, etwa mit dem Tren Al-Andaluz. „Spanien ist ohnehin das beliebteste Urlaubsziel der Deutschen, da bietet sich so eine Fahrt in Kombination mit einem Strandurlaub an“, sagt de Graaff. Lernidee zum Beispiel bietet Zugreisen im Salonwagen durch die Slowakei oder Wales an. Dertour hat mit dem Shongololo eine günstigere Alternative zu Rovos Rail im Angebot oder den Indian Pacific in Australien.

Auch die Länge der Tour ist von Zug zu Zug unterschiedlich: Während die Reise mit dem Glacier-Express nur ein paar Stunden dauert, muss man für Sonderzugreisen von Moskau nach Peking locker mal drei Wochen rechnen. Mit dem Flugzeug ist die Strecke binnen weniger Stunden überwunden – Haferkamp nennt eine Bahnerlebnisreise daher auch eine „Zeitreise über Schienen“. Dazu gehören auch mal Fahrplanänderungen, wenn zum Beispiel irgendwo eine Strecke gesperrt ist. „Doch meist sind die Züge pünktlicher als die Deutsche Bahn, obwohl sie oft tausende Kilometer unterwegs sind.“

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