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© AFP

Kapitänswechsel: Zu Höherem berufen

Der Kapitän der "Queen Mary 2" übernimmt Cunards neues Flaggschiff "Queen Elizabeth"

Es gibt Dinge, auf die Christopher Wells, noch Kapitän der „Queen Mary 2“, ausdrücklich Wert legt. „Dies ist keine Kreuzfahrt, sondern eine Atlantiküberquerung“, sagt er den 2620 Passagieren beim Begrüßungscocktail am Tag nach der Abreise des Ozeanriesen aus New York in Richtung Southampton. Dass die Rundumverglasung und die Klimatisierung der Brücke als Schutz für die Computer gedacht ist und nicht etwa für das Wohlbefinden der Offiziere, ist ihm ebenfalls wichtig: „Wir könnten auch im Freien arbeiten.“ Für ein wenig heimelige Atmosphäre auf dem logistisch perfekt durchgestylten Schiff sorgen allerdings auch ein paar Topfpflanzen im Mannschaftsbereich.

Gleich nach der Schule, die er mit besten Noten absolviert hatte, ist Wells davon gelaufen. Zur See. Geboren ist er in Bournemouth, aufgewachsen in Poole in Dorset. Heute hat er ein Haus in Barnham, West Sussex. Nach vier Monaten auf See hat er immer zwei Monate frei. An Bord arbeitete er allerdings sieben Tage in der Woche. Seine deutsche Frau Hedda, die auf der „Queen Elizabeth 2“ arbeitete als er sie dort kennen lernte, ist inzwischen Mutter seiner drei Kinder Henry, Emily und William. Mit 53 ist Christopher Wells der jüngste Kapitän eines so großen Schiffs, und er hat in allem das letzte Wort.

Seine Lehre hat, wie er es sieht, 32 Jahre gedauert, bis er vor drei Jahren Kapitän wurde. Jetzt ist er Herr über ein Schiff, das 800 Millionen Dollar gekostet und eine 1253 Mitglieder zählende Crew hat. Dass 55 Nationen friedlich zusammenarbeiten, macht ihn stolz. „Wir sind so eine Art Miniatur-UN“, sagt er lachend.

Man sollte denken, ein Schiff mit 151 400 BRT zu steuern, das 345 Meter lang und 72 Meter hoch ist, könnte einen Kapitän schon auslasten. Doch er hat auch zahlreiche soziale Verpflichtungen. Mitten im Britannia-Restaurant, zu Füßen der Freitreppe und von oben gut einsehbar, steht der Captain’s Table, der zwölf Personen Platz bietet. Wer bei den Galadinners dort sitzen darf, entscheidet nicht er allein. Manchmal legt ihm die Reederei besonders treue Gäste ans Herz, auch seine Assistentin wirkt bei der Auswahl mit.

Sonntags tritt er in seiner blütenweißen Uniform sogar an ein mit der britischen Flagge verhülltes Stehpult, um den Schiffsgottesdienst zu zelebrieren. Die Texte der Hymnen sind auf Englisch, die Melodien von deutschsprachigen Komponisten. Ein Lied wird zur Melodie der deutschen Nationalhymne gesungen. Sein Lieblingslied aber sei „Nun danket alle Gott“, denn das wurde auch auf seiner Hochzeit in Husum, der Heimatstadt seiner Frau gespielt, erzählt er den Gottesdienstbesuchern. Jeden Tag um 12 Uhr 15 gibt es eine Durchsage des Captains über die Lage des Schiffs, das Wetter und was sonst interessant ist. Da bricht manchmal sein Entertainment-Talent voll durch. Das musste lange schlummern. Sechzehn Jahre lang hat er für den Mineralölkonzern Shell auf Tankern gearbeitet und gelebt „wie ein Eremit“, erinnert er sich. „Man sprach praktisch gar nicht.“ 1992 wechselte er zur Reederei Cunard, fing dort an als zweiter Offizier auf der „Queen Elizabeth 2“. Nebenbei ist er Reserveoffizier der britischen Marine.

Im April 2002 zog er sich für 18 Monate von der Seefahrt zurück um in St. Nazaire für Cunard den Bau der „Queen Mary 2“ zu begleiten. Er kennt das Schiff gewissermaßen von klein auf.

Wo sich das Herz des Schiffes befindet? Er braucht nur ein paar Sekunden, um die Antwort auf diese Frage zu finden. „Das Herz des Schiffes befindet sich in meinem Herzen. Und wohl im Herzen eines jeden Passagiers an Bord.“

Doch jetzt wartet eine neue Herausforderung auf Chris Wells: Cunard hat ihn zum Kapitän ihres neuesten Flottenmitglieds, der „Queen Elizabeth“, bestimmt. Das Schiff (90 400 BRT) soll im Oktober 2010 in Dienst gestellt werden. Wells ist stolz darauf: „Die ,Queen Elizabeth‘ in ihren Heimathafen Southampton zu bringen, wird einer der schönsten Momente in meinem Leben sein. So hoffe ich, dass die Bewohner Southamptons das Schiff so in ihre Herzen aufnehmen, wie sie es seit Indienststellung der ,Queen Mary‘ im Jahr 1934 mit allen Cunard-Königinnen getan haben. Die ,Queen Elizabeth‘ wird einer großen Tradition folgen.“

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