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Und tschüss! Auf Passagiere, die nicht rechtzeitig zur Abfahrt erscheinen, können Schiffe meistens keine Rücksicht nehmen.

© Wilfried MAISY/REA/laif

Kreuzfahrt-Pannen: Nimm mich mit, Kapitän!

Schiff verpasst. Was tun, wenn der schlimmste Albtraum eines jeden Kreuzfahrers wahr wird? Möglichkeiten beim Umgang mit diesem Ausnahmezustand, damit der Urlaub trotzdem noch ein gutes Ende nimmt.

Ein Albtraum wird wahr: Der Kreuzfahrer kommt im Hafen an und sieht – wie das Schiff, sein Schiff, schon davonfährt. Für 445 Passagiere der „Serenade of the Seas“ und der „Carnival Victory“ wurde das im vergangenen Jahr Realität, als sie in Puerto Rico ihre Schiffe entern wollten, die Kapitäne jedoch aus Furcht vor einem herannahenden Hurrikan bereits abgelegt hatten, um auf hoher See ihr Heil sowie das von Passagieren und Schiff zu suchen.

Ist das Schiff erst einmal weg, stellt sich nicht nur die Frage, ob man vielleicht noch in einem späteren Hafen zusteigen kann, sondern vor allem auch, wer die zusätzlichen Kosten trägt – und ob man Anspruch auf Rückerstattung des Kreuzfahrtpreises hat. Wir haben uns die möglichen Szenarien und das deutsche Reiserecht einmal genauer angeschaut.

Oft sparen Passagiere Geld, indem sie den Flug zum Kreuzfahrthafen individuell buchen, statt ein Anreisepaket der Reederei zu kaufen. Gibt es jedoch bei der Anreise Verspätung, entsteht ein Problem. Kreuzfahrt inklusive Anreisepaket bedeutet nämlich: Die Reederei als Pauschalreiseveranstalter ist dafür verantwortlich, dass die Passagiere das Schiff erreichen, muss sie gegebenenfalls zum nächsten Hafenstopp fliegen, um dort den Zustieg aufs Schiff zu ermöglichen. Schafft die Reederei das nicht, hat sie ihre Leistung nicht erbracht und muss den gesamten Preis zurückerstatten. Wer die Anreise auf eigene Faust bucht und das Schiff verpasst, hat im wahrsten Wortsinn das Nachsehen.

Im April 2010 verpassten beispielsweise durch die Luftraumsperre in Europa wegen einer Vulkanasche-Wolke tausende Passagiere ihr Schiff. Da die Kreuzfahrt als solche jedoch in den meisten Fällen regulär stattfand, blieben diejenigen Passagiere auf dem bereits bezahlten Preis für die Kreuzfahrt sitzen, die ihre Anreise individuell gebucht hatten.

Verpasst jemand selbst verschuldet das Flugzeug oder hat das Auto auf dem Weg zum Hafen eine Panne, sollte er wenigstens gewappnet sein. Zwar wartet der Kapitän in der Regel nicht auf verspätete Passagiere, doch es gibt Ausnahmen. Deshalb sollte man immer die Telefonnummer des Schiffs und der Reederei dabeihaben. Weiß der Kapitän, dass man sich verspätet, gibt es zumindest eine kleine Chance – vor allem, wenn auch zahlreiche andere Passagiere betroffen sind.

Auch sollte man sich immer vorab alternative Bahn- oder Flugverbindungen heraussuchen, damit man im Ernstfall schnell weiß, wie die Chancen stehen, das Schiff doch noch zu erreichen. Kennt man alternative Verbindungen (auch anderer Fluglinien), ist eine Umbuchung schneller zu organisieren.

Wer ganz auf Nummer sicher gehen will, recherchiert auch schon vorab, wie er das Schiff möglicherweise beim nächsten Hafenstopp noch erreichen kann. In jedem Fall ist aber ein Telefonat mit der Reederei oder dem Schiff fällig, um abzuklären, ob und wie ein späteres Zusteigen möglich ist.

Auch bei Hafenstopps während einer Kreuzfahrt sollte man auf den unangenehmen Fall vorbereitet sein, dass das Schiff ohne einen abfährt – sei es wegen plötzlich aufziehender Stürme oder einfach weil man sich in der Zeit verkalkuliert hat und zu spät kommt. Auch vor einem Landgang sollten die Telefonnummern des Schiffs sowie des örtlichen Hafenagenten notiert sein. Sehr wichtig auch, gültige Ausweispapiere dabeizuhaben. Ohne Pass wird die Weiterreise problematisch.

Objektiv betrachtet ist eine frühere Abfahrt unwesentlich. Für Passagiere sieht das ganz anders aus...

Aber was passiert, wenn das Schiff – wie in dem Fall auf Puerto Rico – früher abfährt als geplant? Oder wenn das Schiff nicht in Barcelona, sondern in Marseille zu der gebuchten Kreuzfahrt startet, man jedoch selbst einen Flug nach Barcelona gebucht hat? Unseren Recherchen nach gibt es bislang kein Gerichtsurteil, das sich mit dieser Frage auseinandersetzt.

Insofern können wir hier nur argumentieren und auf ähnliche Urteile Bezug nehmen. Fakt ist erst einmal, dass die Reederei bei vorverlegter Abfahrtszeit den Reisevertrag ändert – ob selbst verschuldet oder durch äußere Umstände erzwungen, spielt dabei keine Rolle.

Ähnliches war beispielsweise der Fall, als Reedereien wegen der Unruhen in Ägypten beschlossen, die Routen ihrer Schiffe zu ändern und Ägypten nicht anzulaufen. Ändert die Reederei die Reiseroute wesentlich, dann hat der Passagier nach der Rechtsprechung ein Sonderkündigungsrecht – sprich: Er kann die Reise kündigen und den Reisepreis zurückfordern. Entscheidend ist die Frage, ob die Änderung so wesentlich ist, dass eben ein solches Sonderkündigungsrecht entsteht und nicht nur ein Reisemangel vorliegt, den man hinnehmen muss oder der durch eine Minderung des Reisepreises ausgeglichen werden kann. Ob also ein Kündigungsrecht entsteht, hängt von den genauen Umständen jedes einzelnen Falles ab. Eine Prognose, wie ein solches Urteil ausfallen würde, ist daher kaum möglich.

Objektiv betrachtet, ist eine Abfahrt drei Stunden früher als geplant unwesentlich. Für den Passagier, der dadurch das Schiff verpasst, obwohl er ansonsten pünktlich am Hafen gewesen wäre, ist diese Fahrplanänderung aber sehr wesentlich. Das trifft nicht nur bei sehr kurzfristiger Fahrplanänderung zu, sondern eigentlich selbst dann, wenn er von der Änderung Wochen oder Monate vor der Anfahrt erfährt. Denn der Anreiseflug lässt sich möglicherweise nicht umbuchen oder müsste auf den Vortag verlegt werden, mit entsprechend zusätzlichen Kosten für eine Hotelübernachtung.

Kommt die Änderung so kurzfristig, dass der Passagier keine Möglichkeit mehr hat zu reagieren, kann man unserer Einschätzung nach von einer wesentlichen Vertragsänderung ausgehen. Eine langfristige Ankündigung ist aber möglicherweise hinzunehmen, so dass lediglich eine Reisepreisminderung angemessen ist. Das insbesondere dann, wenn die Reederei nicht schuld an der Änderung ist – also bei höherer Gewalt, politischen Unruhen, Kriegen oder Ähnlichem.

Der Autor betreibt die Internetplattform cruisetricks.de

Franz Neumeier

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