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Alle Mann am Deck? Nicht ganz, schließlich müssen die meisten der Multikulti-Crew arbeiten.

© Uwe Bahn

Kreuzfahrt: Vereinte Nationen

Die Crew aus 47 Ländern harmoniert gut an Bord der „Crystal Symphony“.

Butler David ist aus Chile, Maître Paolo aus Sizilien, Kellner Darius aus Litauen. Andere kommen aus Uruguay, Indien, Polen, der Schweiz, Kroatien, Schweden oder Deutschland. Eine Multikulti-Crew. Dass die „vereinten Nationen“ an Bord bestens funktionieren, liegt vor allem an der Crystal-Chemie. „Happy Crew – happy Guests“, so die Maxime auf dem Meer. Dafür gönnt die Reederei ihrer Mannschaft einen eigenen Offizier.

Boris Braun, ein Heidelberger, der auf den Philippinen lebt, kümmert sich ausschließlich um die Belange der Besatzung. Nicht ohne Stolz gewährt er einen sonst höchst unüblichen Einblick in die Crew-Katakomben. Fitnessstudio, Kicker, Tischtennis, mobile Basketballkörbe für die Pier, Crew-Fahrräder, ein eigener Pool, Chillout-Zone, ein Mini-Casino, eine Crew-Bar, Restaurants für Mannschaft und Offiziere, ein kleiner Supermarkt. An alles ist gedacht. „Das hier ist ein Sim-Karten-Automat“, erklärt Boris. „Mit den Ocean-Cards können die Kollegen günstig in die Heimat telefonieren.“ Und sollte einer einen Notfall in der Familie in Manila, Manaus oder Mailand haben, dann spendiert die Crew die Flüge in die Heimat. Aus der eigenen Kasse, in die monatlich jedes der 580 Crewmitglieder zwei Dollar einzahlen muss. Einen weiteren Teil gibt die Reederei dazu.

Butler David serviert den Luxuskabinen auf dem Penthouse-Deck Punkt 17 Uhr die tägliche Ration Kaviar. Seit acht Jahren ist er schon bei Crystal, genau wie sein Kollege auf der Steuerbordseite. Ein eingespieltes Team – hier stimmen die Laufwege. Kontinuität schafft Qualität. Der Service ist kaum zu toppen. „I do it for ya!“ Nicht nur Butler Davids Devise. Im Hauptrestaurant des Schiffes, dem „Crystal Dining Room“, schwirrt eine Armada von Pinguinen aus. In zwei Sitzungen umgarnen die Kellner jeweils 400 Passagiere.

Diniert wird à la carte. Auf höchstem Niveau, was bei dieser Anzahl von Speisen ganz beachtlich ist. Verantwortlich ist Küchenchef Markus Nufer, ein Schweizer aus Zürich, auch bereits 15 Jahre auf dem Schiff. Die vergangenen Monate war er vor allem mit Datenpflege beschäftigt. 30 000 Rezepte hat der Schweizer in allen Einzelschritten fotografieren und digitalisieren lassen. Nun stehen in der Großküche die Computer, und neue Kochkollegen können sich durch das nötige Wissen scrollen.

Butler David kommt aus Chile.
Butler David kommt aus Chile.

© Uwe Bahn

Mehr als 100 Mitarbeiter hat Nufer, vom Tellerwäscher bis zum Fischkoch. Arbeitsteilung ist das Prinzip: Einer rührt nur Dessert, ein anderer nur Dressing. Der Dressing-Code steht – selbstverständlich – auch im Computer: falls der Mann nach einem Jahr Dressing in die schiffseigene Bäckerei wechseln möchte und der Nachfolger schnell eingearbeitet werden muss.

Gekocht wird nicht nur für die Passagiere, auch die Crew ist hungrig. Für sie gibt es eine eigene Großküche, ein eigenes Küchenteam unter kulinarischer Aufsicht des Küchenchefs. Wer hier ein „Resteessen“ vermutet, der wird überrascht: Vielfältig sind die Speisen. 47 Nationen, das heißt, der Kellner aus dem Nepal wird sich kaum mit Eisbein und Sauerkraut abspeisen lassen. Für ihn beginnt der „Late Lunch“ gegen 14 Uhr 15, nach den Essenszeiten der Passagiere.

Integration auf kölsche Art

Der Schweizer Küchenchef Markus Nufer arbeitet bereits seit 15 Jahren auf dem Schiff.
Der Schweizer Küchenchef Markus Nufer arbeitet bereits seit 15 Jahren auf dem Schiff.

© Uwe Bahn

Im Gang auf dem Weg zu den Crew-Kabinen hängt das „Belohnungsbrett“. Ana aus dem Spezialitätenrestaurant „Prego“ ist Mitarbeiterin des Monats, gewählt von einer Offiziers-Jury. Ihr Preis, neben der Urkunde: ein Einkaufsgutschein, ein Menü im Spezialitätenrestaurant und ein (geheimer) Geldbetrag.

Die Crystal-Crew wird überdurchschnittlich bezahlt – auch deshalb ist der Job an Bord begehrt. Trotzdem ist das Trinkgeld ein wichtiger Teil des Einkommens für die Besatzung. Die Kabinenstewardess im Heck des Penthouse-Decks darf da allerdings auf keine großen Einkünfte hoffen. Selten hatte sie vor 14 Uhr „klar Schiff“ in ihrem Revier. Mit leeren Taschen dürfte auch DJ Jay aus Kanada dastehen. Auch wenn es nicht an ihm liegt: Die Disco an Deck ist an manchem Abend „passagierfreie Zone“. Betriebswirtschaftlich nicht weiter schädlich, denn bei Crystal sind die Drinks inklusive. Davon schenkt Suzana aus Serbien die ganze Bandbreite aus. Sie steht hinter der Bar im Avenue Saloon, dem Hotspot im ansonsten recht biederen Bordleben. Aber in diesem kubanisch-kolonialen Ambiente hätte auch Hemingway seine Freude gehabt. Auch an Suzana, die hiermit für die nächste Mitarbeiterin des Monats vorgeschlagen wird.

Oberster „Mitarbeiter“ auf der „Crystal Symphony“ ist ein Deutscher: Kapitän Ralf Zander, gebürtiger Kölner, mit dem passenden rheinischen Humor ausgestattet. Dass Kölsch nicht die Bordsprache ist, damit kommt er klar. Bei so vielen Nationen kann nur Englisch der gemeinsame Nenner sein. Der Kapitän ist auf diesem Schiff nicht nur oberste Respektsperson, sondern auch Integrationsfigur. Er ist geschätzt von der Crew („The best captain we can get“) und er schätzt die Crew.

Nach Jahren in der Frachtschifffahrt und bei Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten auf der „Columbus“ ist Ralf Zander seit vier Jahren das „Familienoberhaupt“ auf der „Crystal Symphony“. Am Abend hat er einen besonderen Gast zu ehren. Wieder einmal. Die Japanerin fährt zum 277. Mal mit diesem Schiff, das heißt umgerechnet: zehn Jahre. Von der Crew kennt sie bis auf wenige Ausnahmen jeden persönlich.

Ein anderer Gast, Peter aus Southhampton, ist beruflich an Bord. Er brieft die Besatzung in Sachen Sicherheit. In Kursen und Präsentationen übt er Abläufe für den Fall der Fälle. Seit dem Costa-Unglück hat Peter mit seiner Coachingfirma Odyssey kaum eine ruhige Minute. Die Crew ist begeistert: „Er präsentiert großartig, motiviert das Team. Gerade bei so einem ernsten Thema“, sagt ein Offizier, der auch morgens auf See die Sicherheits-Schulbank drückt.

Pünktlich zum Lunch ist Kellner Darius vom Landgang in Tallinn zurück. Nicht eben erholt, denn an diesem Tag liegen fünf Kreuzfahrtschiffe in Estlands Hauptstadt. Durch die Altstadt schieben sich gut 10 000 Passagiere. In so einem Moment wird Kreuzfahrt zum Fluch. Und das Lido Café auf der „Symphony“ zur Rettungsinsel. An diesem Tag allerdings zum Schlaraffenland. Das asiatische Büfett macht abhängig. Wer hier keinen Nachschlag holt, sollte seinen Stoffwechsel untersuchen lassen.

Butler David wird bald in den Urlaub nach Chile gehen. Für zwei Monate. Und danach kommt er zurück an Bord. Damit die vereinten Nationen wieder komplett sind.

Uwe Bahn

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