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Mercat de la Boqueria. Barcelonas größter und faszinierendster Markt ist eine Attraktion für Touristen. Er liegt zentral in der Stadt, direkt am Bummelboulevard La Rambla.

© imago/steinach

Gourmet-Kreuzfahrt: Oh, da sind ja Feigenkaktusblüten

Auf der „Aida Mar“ können Gourmets schlemmen und lernen. Beim Landausflug führt der Koch über den Markt.

Grüne Linsen! „Davon nehmen wir gleich 300 Gramm mit!“ Michael Simon ist Küchenchef im Gourmetrestaurant Rossini auf der „Aida Mar“. Den 700 Meter langen Markt, der sich durch die Gassen von Palermo zieht, kennt der 29-Jährige gut. Aber diesmal ist etwas anders. Im Schlepptau hat er eine Gruppe der Gourmetreisenden, die zum ersten Mal zum Thema „Mittelmeer für Feinschmecker“ auf dem Kreuzfahrtschiff zusammengekommen sind.

Einige Stände weiter entdeckt der Chefkoch Blüten vom Feigenkaktus. „Cool, davon kann man einen Tee kochen.“ Von dem im Ofen gebackenen Ricotta nimmt er gleich zwei kleine Laibe mit. Sizilianische Clementinen entdeckt er noch, ganz frisch geerntet für 1,19 Euro pro Kilo, die müssen mit fürs Dessert. Außerdem kauft er Burrata, getrocknete Cherrytomaten von intensiver Süße, Parmesan, wilden Fenchel, rote Garnelen, roten Spinat mit Wurzeln und schwarze Oliven mit Kern. „Je länger der Kern drin ist, desto besser ist das Aroma.“ Es wird viel geschnuppert und probiert. Nach knapp zwei Stunden besteigt Michael Simon mit einer ganzen Kollektion kleiner Tüten und Beutel und einem Kopf voller Ideen das Taxi zurück zum Schiff. Am Abend des kommenden Tages werden die Gäste sehen, was er aus den Einkäufen für das Antipasti-Büfett bei der Sail-Away-Party gezaubert hat.

Zwischendurch gibt es aber noch jede Menge Ablenkung. In Häfen wie Neapel wird der Bauch des Schiffes vollgeladen mit Vorräten, und genau dorthin führt auch eine Tour auf dieser Reise durchs westliche Mittelmeer. Günther Kroack, verantwortlich für alle Küchen auf den Aida-Schiffen, führt vorbei an den zwölf blitzenden Tanks, die jeweils 900 Liter roten oder weißen Tischwein enthalten. Jetzt sind 2600 Gäste an Bord, im Schnitt trinkt jeder einen halben Liter täglich.

7500 Liter Bier in der Woche

Besonders stolz ist Kroack auf die Backstube, in der rund um die Uhr gewerkelt wird. Fünf Bäcker arbeiten im Schichtdienst. „Hier werden 250 Kilo Mehl pro Tag verarbeitet.“ In den Regalen duften sieben verschiedene Sorten Brot und sechs verschiedene Brötchensorten. Im Fisch-Lagerraum sind es minus 20 Grad, da ziehen sich die eher sommerlich gekleideten Gäste rasch wieder zurück. In anderen Räumen müssen 83 Sorten Käse untergebracht werden, natürlich Champagner und das Bier, das im Marktrestaurant zu den Hauptmahlzeiten gereicht wird.

Für Biergourmets gibt es freilich noch besondere Angebote, denn die „Aida Mar“ weist wie vier andere Schiffe der Flotte eine eigene Brauerei auf. Braumeister Tobias Kunzmann erzählt, dass von den 7500 Litern Bier, die in der Woche im Schnitt getrunken werden, 2500 Liter seine „Handschrift“ tragen. Wenn die Spitzenköche an Land gehen, um frische Doraden oder Seewolf zu finden, dann ist auch der Braumeister voll im Einsatz. „An Seetagen ist es schwierig bis unmöglich zu brauen“, weiß er. Je nach Seegang kann die Maische sich dann nicht absetzen. Drei Sorten hat er im Angebot, darunter das aktuelle Aktionsbier „Aida Zwickel“. Er verwendet Meerwasser aus der bordeigenen Entsalzungsanlage, das gibt dem Bier einen weichen Geschmack, weil es nicht sehr kalkhaltig ist. Mit 24 Jahren ist der Braumeister vergleichsweise jung. Seine Lehre hat er mit 15 begonnen, später noch ein Studium drangehängt.

Auch in der Aida-Flotte bilden junge Menschen das Rückgrat im Servicebereich. Der Kreuzfahrtmarkt wird immer größer, da bieten sich gute Chancen, die Karriereleiter emporzuklettern. So wie es Nancy Becher aus der Gegend von Leipzig geschafft hat. Die gelernte Köchin entdeckte an Bord ihr Talent fürs Barfach und ist im Alter von 31 Jahren bereits verantwortlich für den Service auf allen Aida-Schiffen. Wenn im kommenden Jahr die neue „Aida Prima“ in Japan in Dienst gestellt wird, kommt zum ersten Mal ein Schiff mit eigener Kochschule zum Einsatz. Nancy Becher gehört zu denen, die sich jetzt schon Gedanken machen, wie die am besten bespielt wird.

Im Hafen von Neapel wird der Bauch des Schiffes vollgeladen

Beim Landgang in Neapel schließt sie sich einer Gruppe an, die auf Trüffeljagd gehen will. Mit dem Bus geht es anderthalb Stunden weit in die Berge, dann soll die Gruppe dem Trüffeljäger Carmine Marino sowie seinen Hunden Febo und Argo über steile Geröllhänge zu den Trüffeln folgen. Bald kommt auch schon einer der Hunde angelaufen und tauscht eine dicke braune Trüffel gegen einen Hundekeks. „Die kleinen Trüffeln fressen sie selber, die großen geben sie ab“, sagt der Führer. Ob er die beiden großen, die auf dieser Tour gefunden werden, selber versteckt hat, werden die Teilnehmer kaum herausfinden. Der Geruch dringt durch mitgebrachte Plastiktüten in den Kleinbus hinein, ein bisschen muffig ist er schon. Rasch zurück nach Neapel. Das Schiff wartet nicht, vor allem aber locken die Antipasti bei der Sail-Away-Party.

Was mag wohl aus den Einkäufen geworden sein? Michael Simon führt es nur zu gerne vor, während der Vesuv langsam am Horizont verschwindet. Die roten Garnelen hat er mit dem roten Spinat und Krustentiergel in winzigen Naschportionen angerichtet, hat Burrata mit Ochsenherztomate, Oregano und grüner Olive inszeniert und Yellow Fin Thunfisch mit marinierten grünen Linsen und Pinienkernvinaigrette zu voller Geschmacksblüte gebracht. Am besten ist das Dessert: Espuma vom 36 Jahre alten Parmesan mit Parmesanchip, Honig und Kaffeepulver, außerdem Panna Cotta vom gebackenen Ricotta mit Clementinen und Kaktusfeigengel.

Da schwärmt auch Sternekoch Thomas Stork von der Textur und der gelungen Balance von süß und salzig. Stork, früher selber mal Aida-Küchenchef, hat die Seefahrt seiner Frau zuliebe aufgegeben. Ausnahmsweise hat er sein Restaurant in Marbella noch mal verlassen, um den etwa 60 Gourmetreisenden Einblicke in seine Kunst zu geben. Am Seetag versammeln sich die Interessierten mittags auf den langen Bänken im Brauhaus, das für den Workshop kurzerhand als Kochschule deklariert wurde. Einige Gäste tragen das grüne Aida-Kochbuch unterm Arm, um es sich später signieren zu lassen.

Drinnen ist man in einer anderen Welt. Mmmmh!

Mustermann. Früchte an Bord sollen nicht nur schmecken, sondern auf dem Büfett auch eine gute Figur machen. Bei dieser Wassermelone wird ein Kunstwerk daraus.
Mustermann. Früchte an Bord sollen nicht nur schmecken, sondern auf dem Büfett auch eine gute Figur machen. Bei dieser Wassermelone wird ein Kunstwerk daraus.

© promo

Auf den Tischen steht schon Brotkonfekt und schwarzes hawaiianisches Salz. Los geht es mit einer knoblauchfreien Gazpacho mit schwarzen Brombeeren. Schwungvoll schnippelt Stork einen grünen Apfel so klein, dass die Schnitze als Tatar durchgehen. Rein damit in kleine Gläschen und die Gazpacho drübergegossen, schon ist eine originelle Vorspeise fertig. Zum Schluss würfelt er Thunfischbauch und mariniert ihn mit Kimchi-Sauce, dazu gibt’s Mangostreifen und Avocadowürfel.

Draußen toben derweil die Kinder in der Sonne, spielen Jugendliche Volleyball oder Tischtennis, draußen lesen die normalen Erholungsgäste ihre dicken Krimis auf gelben Liegen. Hier drinnen ist man in einer anderen Welt. Teils mit geschlossenen Augen probieren die Gourmets die Tapas der Spitzenköche. Mmmmh!

Auch Sommelier Jose Villar Perez probiert mit. Der Spanier hat auch in Deutschland schon in Sterne-Restaurants gearbeitet und gibt an Bord ein Sherry-Seminar. Bei der nächsten Tour kommt an seiner Stelle der Berliner Sommelier Gunnar Tietz mit auf die Reise. Zu den Aufgaben des Star-Sommeliers gehört bei einer Gourmetreise auch die Weinbegleitung des Abschiedsdinners. Dafür muss aber vorher noch mal eingekauft werden, diesmal auf dem berühmten „Mercat de la Boqueria“ in Barcelona.

„Bei mir heißt okay: nicht gut“

Michael Simon ist wieder in seinem Element. Hier hängt aus dem Maul des Wolfsbarschs noch der Angelhaken heraus, ein Qualitätszeichen. Die Carabinieros haben genau die richtige Farbe Rot, die auf tiefes Wasser hindeutet, aus der Seeteufelleber ließen sich prima Vorspeisen machen. Alle müssen den fünf Jahre gereiften iberischen Schinken probieren, der 179 Euro pro Kilo kostet – und köstlich schmeckt. Lange bleibt Simon stehen vor einem Stand, hinter dem ein ausgesprochen mürrischer Mann Kisten mit Pilzen in die Auslage stapelt. „Der ist immer so, aber er gehört zu den Besten“, sagt der Koch. Die vom Ausflug mitgebrachten Trüffeln fand er höflich „okay“ mit dem Zusatz: „Bei mir heißt okay: nicht gut.“

Die beiden kleinen weißen Trüffeln, die Simon für 179,20 Euro an diesem Stand ersteht, sind exzellent. Da muss man nicht mal Gourmet sein, um das zu erschnüffeln. Diese Trüffeln wird er später als oberste Schicht auf Portweinrisotto mit Nussbutterespuma hobeln.

Beim Naschen wurden die Gourmets seltener ertappt

Den iberischen Schinken hat Thomas Stork unterdessen mit Portweinmelone kombiniert. Als die Gourmetgruppe beim Abschlussessen bei der Katalanischen Creme mit Portweinfeigen und Schokoladenerde angelangt ist, werden den Gourmands draußen schon die Zahlen genannt: Allein 19 800 Eier in allen möglichen Varianten mussten in dieser Woche auf dem Schiff dran glauben, 242 Kilogramm Nüsschen ließen sich die Gäste schmecken. Beim Naschen wurden die Gourmets seltener ertappt.

Schließlich ging es ihnen auch darum, „auszuprobieren, dass essen nicht nur essen ist, sondern was Höheres sein kann“. So formulierte es ein Kollege von Michael Simon beim ersten Kochseminar.

Im Laufe der Reise, die in Palma de Mallorca begann und dort auch endet, ergab sich auch eine Begegnung mit Kapitän Sven Laudan. Der gebürtige Rostocker ist scheinbar überall auf dem Schiff unterwegs, und er isst durchaus auch im Crewrestaurant. Was ist denn eigentlich sein Lieblingsessen? „Ich bin in allen Häfen immer zum Italiener gegangen und habe Spaghetti Carbonara gegessen. Wo die gut sind und wo nicht, kann ich Ihnen ganz genau sagen.“ Sein ultimativer Gourmettipp für die Freunde der Carbonara lautet: Montego Bay, Jamaika. Und wo wird er an diesem Abend essen? Da lächelt der Kapitän plötzlich ganz warm: „Im Rossini!“ Der Gourmet-Trend macht, so hat es den Anschein, auch vor der Brücke nicht halt.

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