zum Hauptinhalt
Welch ein Gefühl, beim Bugspriet im Netz der „Star Flyer“ zu liegen.

© Dietmar Denger/laif

Kuba: Und die Taue singen im Wind

Kuba stellt sich auf mehr Kreuzfahrer ein. Manche kommen schon heute angerauscht – mit einem Großsegler

Ohne Che geht es einfach nicht. Sein Bild ist im Städtchen Trinidad überall zu sehen – als Revolutionär mit den verklärten Zügen eines Ersatz-Heiligen. Auf Che Guevara lässt hier niemand etwas kommen; er jedenfalls starb früh genug, um nicht für die wirtschaftlichen Fehler der Regierung und der ärmlichen Verhältnisse der Kubaner verantwortlich gemacht zu werden.

In Trinidad, seit 1988 mit Weltkulturerbe-Status, ist jedoch durchaus spürbar, wie sich die Insel auf den erneuten politischen Wandel einstellt. In vielen der malerisch-maroden Straßenzüge mit den bunten Fassaden, wo neben den uralten US-Straßenkreuzern auch noch Pferdekarren übers Kopfsteinpflaster holpern, gibt es wie häufiger im Land privat betriebene Restaurants und Herbergen.

Noch wird die Eigeninitiative von den Behörden gebremst und insbesondere kleine Lokale haben Probleme, eine reichhaltige Speisekarte anzubieten, weil die Lebensmittel nur schwierig zu beschaffen sind. Die Menschen begegnen ihren Besuchern jedoch mit offenem Selbstbewusstsein und überaus freundlich. Man spürt eine positive Erwartung und den Wunsch, dass sich ihre Lebensverhältnisse verbessern könnten..

Wer Trinidad nicht besucht, hat etwas verpasst

Wir nähern uns dem mehr als 500 Jahre alten Trinidad so, wie es 1513 dessen Gründer, der spanische Eroberer Diego Velásquez tat: unter vollen Segeln.

Die „Star Flyer“, deren vier Masten weithin sichtbar in den Himmel streben, liegt wie einst die spanische Karavelle vor den schönen Sandstränden von Ancón vor Anker. Für die Badenden ein besonderes Spektakel. Die kubanischen Behörden kümmern sich auf ihre Weise um die friedlichen Eroberer, die mit kleinen Booten anlanden – am Strand ist eine provisorische Passkontrolle eingerichtet. So viel Kontrolle muss sein!

Doch für die „Star Flyer“, deren Reederei bislang eine der wenigen war, die Kuba regelmäßig anliefen, ist das Routine. Und für die Gäste des 115 Meter langen Viermasters ist auch das Teil eines ungewöhnlichen Zugangs zu dem so reizvollen Land mit üppiger Vegetation.

Nicht ohne meinen Che. Der Revolutionär ist auf Kuba noch allgegenwärtig.
Nicht ohne meinen Che. Der Revolutionär ist auf Kuba noch allgegenwärtig.

© Gerd Nowakowski

Wer an der Südküste nur die karibische Dünung genießen will, die hier an den kilometerlangen Sandstrand schlägt, hat definitiv was verpasst, wenn er nicht auch Trinidad besucht – etwa mit dem kommunalen Bus, dessen Pünktlichkeit man sich im Berliner Nahverkehr wünschen würde. Doch zugegeben, die Verkehrsdichte auf Kuba ist außerhalb von Havanna sehr überschaubar.

Trinidad also. Im historischen Zentrum finden sich immer wieder lauschige Hinterhöfe, etwa von kommunalen Häusern, wo sich oft auch alte Männer versammeln, die sich mit Inbrunst kubanischen Rhythmen hingeben, und mal ein Tänzchen wagen.

Neben den Kreuzfahrtriesen wirkt der Segler auf einmal wie Spielzeug

Zwischen Revolution und Kapitalismus – entschiedener kann der Gegensatz zwischen Kuba und der Insel Grand Cayman nicht ausfallen. Hier Mangelwirtschaft, dort das Dorado der Briefkastenfirmen, wohin auf jede erdenkliche Weise teilweise dubiose Finanzströme der Welt auf Konten geleitet werden.

Grand Cayman ist auch der Ort, wo neben den drei Kreuzfahrtriesen, die zur gleichen Zeit wie unsere „Star Flyer“ ankommen, der gar nicht so kleine Segler plötzlich wie ein filigranes Spielzeug wirkt. Georgetown, die Hauptstadt der Cayman-Inseln, erscheint nahezu überdreht nach den ruhigen Tagen auf verschlafenen Inseln und auf See.

Tausende von Passagieren, die von den bis zu knapp 400 Meter langen Kreuzfahrtriesen einfallen, machen die Stadt zum karibischen „Ballermann“. Schwer gewöhnungsbedürftig, nach einsamen Stränden nun am eigentlich sehr schönen Tiki-Beach dicht an dicht mit anderen auf dem Sand zu liegen.

Die „Star Flyer“ wurde 1991 als erstes von bisher drei Segelschiffen der monegassischen Reederei Star Clippers in Dienst gestellt. Für 2017 ist ein viertes Schiff angekündigt.
Die „Star Flyer“ wurde 1991 als erstes von bisher drei Segelschiffen der monegassischen Reederei Star Clippers in Dienst gestellt. Für 2017 ist ein viertes Schiff angekündigt.

© promo

Doch das Erlebnis unterstreicht nur das Besondere an diesem Segelschiff, das wie aus vergangenen Zeiten daherschwimmt: Es ist ein Schiff und keine schwimmende Stadt für Kreuzfahrer, die nicht einmal mehr Vibrationen des Motors oder die wiegende Dünung des Meeres spüren dürfen. Gegen die Giganten, die nicht selten mehr als 4000 Passagiere an Bord haben, ist die „Star Flyer“ ein Schiff, das sich bewegt, das den Mitfahrern ein Gefühl für das Meer schenkt.

Eben deshalb sind hier doch einige Passagiere, die auch bereits auf den ganz großen Dampfern gefahren sind, schon zum wiederholten Male mit von der Partie. Die „Star Flyer“ – das fünfmastige Schwesterschiff „Royal Clipper“ ist mit 132 Metern Länge das größte Segelschiff der Welt – gibt ihren Gästen ein unverstelltes Segelerlebnis. Der hervorragende Komfort und die ausgesuchte Verpflegung werden da fast zur Nebensache.

Welch unbeschreibliches Gefühl, wenn man das Schiff steuern darf

Mit Hingabe werden die alten Karossen auf Kuba gepflegt.
Mit Hingabe werden die alten Karossen auf Kuba gepflegt.

© Dietmar Denger/laif

Oberbramsegel oder Kreuzmast, Außenklüver oder Großfischermann – wissen muss niemand, was das ist und wozu die unendliche Anzahl von unterschiedlichen Tauen dient, die von den Masten herab- und um die vielen Winschen geschlungen sind, um sich hier wohlzufühlen.

Gleichwohl wird Kapitän Yuri Slastenin, der zu Hause in der Ukraine Frau und Kinder hat, nicht müde, die unzähligen Segel zu erklären. Seine Brücke steht auch zu jeder Zeit für die Gäste offen. Und welch unbeschreibliches Gefühl, wenn man als kurzzeitiger Rudergänger das Schiff steuern darf, trotz der großen Segelfläche überraschenderweise wegen des Getriebes fast ohne Anstrengung, also anders als früher, als teilweise zwei Mann am Ruder stehen mussten.

Trotz vorhandener Maschine – es wird gesegelt, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Es ist immer wieder ein besonderes Erlebnis, wenn die riesigen Segel gesetzt werden.

Die große Nähmaschine zieht das dicke Garn durch den festen Segelstoff

Die „Star Flyer“ zeigt viele Facetten. In einem flauen Luftstrom gleitet das Schiff geschmeidig durchs Wasser. Doch kaum springt der Wind an, wird das Schiff lebendig. Dann baut sich auf dem Meer schnell Wellengang auf, und das Schiff schüttelt sich in jeder Wasserwalze, die gegen den Rumpf schlägt. Dann hebt und senkt sich der Bugspriet, als ob er gleich in die Welle schlagen wollte, während die Taue im harten Wind singen. Da schaut selbst der Kapitän besorgt in die Takelage hinauf, während die Passagiere ein wenig merkwürdig über das Deck laufen, vom Schiff abwechselnd ein wenig angelupft, bis die Planken urplötzlich wieder unter den Füßen absacken.

Wenn das Schiff vor Anker liegt und die Gäste auf Landausflug sind, dann werden auf dem Oberdeck unter der Sonnen-Persenning der Tropical Bar die schadhaften Segel ausgebreitet, und die große Nähmaschine, verborgen unter einer riesigen Kiste, auf der sonst die Gläser abgestellt werden, zieht das dicke Garn durch den festen Stoff.

Ein Fidel für Touristen.
Ein Fidel für Touristen.

© Gerd Nowakowski

Ganze Tage auf kleinen karibischen Inseln verbringen, dabei Stunden an strahlend weißen Stränden ausspannen, zum Schwimmen oder Tauchen an den Korallenbänken aufbrechen – so stellt sich jeder das Inselleben in den Tropen vor. Auch auf Cayman Brac, das einst wegen seiner Süßwasserquellen ein bevorzugter Unterschlupf von Piraten war.

An diesen Tagen unter blauem Himmel stellt sich eine ursprüngliche Empfindung von Abgeschiedenheit ein, eine Robinson-Erfahrung – mit dem kleinen, jedoch nicht zu unterschätzenden Unterschied, dass die Passagiere am Abend wieder hervorragend beköstigt werden vom kreativen Küchenchef.

Vorsichtig schleicht sich die „Star Flyer“ in die Bucht

Welch ein Gefühl, vorn beim Bugspriet im Netz zu liegen, unter sich die schäumend vom Bug geteilten Wellen, und den hurtigen Delfinen zuzuschauen, die das Schiff spielerisch begleiten. Oder unterm grandiosen Sternenhimmel auf dem Deck zu sitzen, wenn das Schiff durch die Nacht gleitet und sanft durch die Wellen rollt. Es sind unvergessliche Momente, wenn die Dunkelheit sich langsam hebt, bis die Sonne schlagartig den Horizont überstrahlt.

Kubas Kapital ist die einmalige Mischung aus historischen Städten, Kulturgeschichte und unglaublichen Naturschönheiten, von denen noch viele zu entdecken sind. Das hat zuweilen etwas Abenteuerliches. Etwa vor Cayo Rico, eine von hunderten Inseln mit traumhaften Stränden und besten Tauchmöglichkeiten vor der kubanischen Küste. Die „Star Flyer“ schleicht sich jetzt vorsichtig in die Bucht, weil die Seekarten vielfach veraltet sind. Dennoch gibt es plötzlich einen Ruck, weil der Rumpf eine Sandbank streift.

Ein zweiter Anlauf ist nötig, dann fällt der Anker mitten in einer Bucht, die mit Fifty Shades of Green ihre Gäste lockt. Dass wir während des Landgangs auf der unbewohnten Insel auch Leguanen begegnen, verstärkt das Gefühl, auch 500 Jahre nach Diego Velásquez wie Entdecker einer neuen Welt unterwegs zu sein.

Tipps für Kreuzfahrten in der Karibik

DAS REVIER

Viele Segler wissen die illustre Inselwelt der Karibik zu schätzen. Kreuzfahrern auf den dicken Pötten hingegen werden die schönsten Buchten und Strände verborgen bleiben. Als Kompromiss bietet sich eine Segelkreuzfahrt an. Das ist kein Massengeschäft, eine Reise also auch kein Schnäppchen.

DAS ANGEBOT

Große Segelschiffe für Kreuzfahrer sind (noch) rar. In Deutschland bieten vornehmlich Sea Cloud Cruises und Star Clippers Kreuzfahrten an. Beispiel: Die „Star Flyer“ kreuzt von Dezember bis März zwischen Kuba und den Cayman-Inseln. Eine Woche kostet ab 1220 Euro ohne Flug (star-clippers.de).

AUSKUNFT

Schiffsreisen sind etwas komplizierter zu buchen als ein Woche Mallorca. Deshalb sollten sich Interessierte zu Kreuzfahrten generell, zu Segelkreuzfahrten jedoch im Besonderen, im Reisebüro beraten lassen, auch was die An- und Abreise betrifft sowie gegebenenfalls Vor- und Anschlussreisen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false