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Eine Maß Bier vor der Kulisse des Klosters Andechs am Ammersee. Das ist zwar nicht in Franken, aber doch in Bayern, wo man ein kühles Blondes oder ein kräftiges Dunkelbier zu schätzen weiß.

© Peter Kneffel/dpa

Landauf, landab im Freistaat wird das Bier gefeiert: Noch amol Prost!

500 Jahre Reinheitsgebot: Die Oberfranken belächeln das großstädtische Selberbrauen. Ihr Bier entstand immer schon in Handarbeit. Wie gut es ist, schmeckt man beim beseelten Wandern von Kneipe zu Kneipe.

Etwas verwirrend ist das alles schon: Die fesche Lina, Brauerstochter aus Oberfranken, hat sich beim Studium in den Brauerssohn Lars aus Löwen verliebt – so beginnt der Theaterkrimi „Der halbe Mann und das Reinheitsgebot“. Demnächst wird geheiratet, und dann soll die große belgische Brauerei die kleine fränkische übernehmen. Und das deutsche Reinheitsgebot, Glaubensbekenntnis aller heimischen Biermacher und Biertrinker, soll mir nichts, dir nichts nicht mehr gelten? Eine Frechheit, eine Lästerung!

Nun aber liegt der Louis, der Vater vom Lars und Motor hinter den Übernahmeplänen, in seinem weißen Sommeranzug „dood“ am Fuß der Kellertreppe, und wie immer will’s keiner gewesen sein. Aber jetzt Prost erst mal! Und lasst’s euch das Schweinefilet dazu schmecken – auf Majoran-Landbiersoße kommt es diesmal daher.

Denn heute Abend geht es in der Gaststätte „Pfister“ in Weigelshofen rund. Und zwar rund ums Bier. Wie halt fast immer und überall in Bayern seit fast 500 Jahren. Am 23. April 1516 haben die bayrischen Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. in Ingolstadt verfügt, dass der Lebenssaft nur aus Gerste, Hopfen und Wasser gebraut werden darf – das berühmte Reinheitsgebot. Das wird jetzt 500 Jahre alt, und landauf, landab im Freistaat stehen Dörfer, Wirte, Vereine und Touristiker in den Startlöchern, um dieses Ereignis ja nur würdig genug zu begehen.

Zwischen den Tischen beim Pfister geht der Theatertrubel inzwischen munter weiter. Ein verschnupfter Kommissar kommt nicht so recht voran, das werte Publikum, Prost!, hilft aber gern. Und am Ende des Spektakels gibt es Gerechtigkeit im Saal, ein Pralinenparfait mit karamellisiertem Braumalz auf dem Teller und in die Kehle einen Schluck vom rotgoldenen Bockbier mit seinen Vanillenoten und dem cremigen Schaum. Noch amol Prost!

Bier mache die Männer rührselig, behaupteten die alten Sumerer

Dass Oberfranken in Sachen Bier besonders laut trommelt, ist verständlich. Rund 200 Brauereien gibt es hier noch, die rund 1000 Sorten Bier herstellen – die „weltweit höchste Brauerei-, Bäckerei- und Metzgereidichte“ schreibt man sich stolz auf die Fahnen. Die Fränkische Schweiz, jenes Gebiet zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth, das sie liebevoll „die Fränggische“ nennen, hat allein 70 Brauhäuser und bietet zudem eine prächtige Landschaftskulisse für einen gepflegten Schluck.

Da erstrecken sich in sanften Wellen Wiesen und Äcker. Kapellen und Obstgärten sind dazwischen gestreut, die Dörfer glänzen mit Fachwerkfassaden und alten Brunnen. Dahinter ragen silbergraue, schroffe Wände und Nadeln hoch, quarzhaltige Felsbrocken, die stehenblieben, als der weichere Kalkstein der Umgebung abgespült wurde.

Einst waren sie bewachsen von krüppligen Eichen, Fichten und Waldreben. Erst in den letzten Jahrzehnten ging der Wanderverband daran, Bäume und Gestrüpp zu entfernen und den blanken Fels freizulegen. Was zum einen attraktiver, weil romantischer aussieht, zum anderen der nur hier vorkommenden, lichtbedürftigen Mehlbeere erlaubt, sich wieder auszubreiten. Die Wanderfalken freuen sich über ein ideales Nist- und Jagdrevier.

Am eindrucksvollsten erschließt sich die Landschaft bei einer der Bierwanderungen. Unsere beginnt Samstagfrüh um neun in Waischenfeld. Ein Dutzend Frauen und ein Dutzend Männer mit lustigen Hüten und lauten Stimmen wandern mit „dem Helmut“ los und werden den ganzen Tag in kühler Natur und warmen Gaststuben verbringen. Alle zwei bis drei Kilometer wird eingekehrt, insgesamt sechs Mal am Tag.

Zunächst bleibt noch jede Gruppe für sich, doch nach dem Anwärmen mit einem Zwickelbier bei „Schroll“, dem Schäufele mit Klöß bei „Krug“ und einem Mirabellenbrand zum Aufwärmen in der „Brauerei Reichold“ mischt sich das bald. Ganz nebenbei erfährt man Grundlegendes zur Bierkultur: Zwischen zwei und drei Euro kostet das einen halben Liter fassende „Seidla“-Bier in Franken. Nachschub gibt es immer dann, wenn man diesen Tonkrug auf den Tisch legt, um zu zeigen, dass er leer ist.

Als dann der Helmut im Gasthaus „Pflaum“ das Akkordeon rausholt, werden die Männer mit den lauten Stimmen noch lauter, und die Anlagenbauer aus Marburg, die Sportler aus Mainz und die Mitarbeiterinnen der Kaffeeautomatenfirma aus Nürnberg stehen bald bunt durcheinander. Sie quatschen auch bei der „Kathibräu“, im „Rothenbach“ und beim „Wolf“ – und die feinen geschmacklichen Unterschiede zwischen Kellerpils, braunem Lager, hellem Zwickel, Rauchbier und dunklem Landbier spielen irgendwann nicht mehr die ganz große Rolle. Hauptsache Prost! Bier mache die Männer rührselig, behaupteten die alten Sumerer.

In der "Donnerbüchse" sitzen die Feintrinker

Wer näher in die Geheimnisse der Braukunst einsteigen will, ist beim „Bierkulinarium“ im „Drei Kronen“ in Memmelsdorf am richtigen Platz. Hans-Ludwig Straub, der Mann mit dem Dreispitz auf dem Kopf, versteht es, seine Brauereiführung so anschaulich und doch so fundiert zu gestalten, dass man sich bald zutraut, selbst so ein Gerstensäftchen anzurühren.

Schon klar: Wasser, Gerste, Hopfen und Hefe, die erst im 19. Jahrhundert ins Reinheitsgebot aufgenommen wurde, machen ein Bier. Dafür, dass keine langweilige Einheitsplörre daraus wird, sorgt die Vielfalt der einzelnen Stoffe. Weiches Wasser taugt für Pilsner, hartes für die dunklen Münchner Biere. Allein 200 Sorten Hefen gibt es. Ein Farbfächer zeigt die 74 unterschiedlichen Malze, die Bamberger Mälzereien anbieten. Beim Hopfen, der für die Bitterkeit zuständig ist, werden Sorten mit Fruchtaromen gezüchtet: Stachelbeere, Mango, Mandarine.

Umkehren? Nach rechts? Hier führen viele Wege zur nächsten Kneipe.
Umkehren? Nach rechts? Hier führen viele Wege zur nächsten Kneipe.

© K.-H. Grau/Wanderfreunde Leidenhofen 1996

Die Vielzahl der Rohstoffe erlaubt eine riesige Menge von Kombinationsmöglichkeiten – gerade reift in Straubs Keller ein Bier mit 50 Malzen heran.

Über den Wirbel um die Craft-Biere, von denen derzeit in den hippen Kneipen dieser Republik die Rede ist, können die fränkischen Brauer nur lachen: Ihr Bier entstand immer schon in Handarbeit. In Ewigkeit, Amen.

Jeder im Land Franken, der auch nur im Entferntesten mit Bier zu tun hat, versucht sich für das Jubiläum in Stellung zu bringen. Der Museumsbahnverein „Dampfbahn Fränkische Schweiz“ wollte da nicht zurückstehen. Also ist auch in diesem Jahr wieder die Dampflok zwischen Ebermannstadt und Behringersmühle unterwegs. In der „Donnerbüchse“, dem 80 Jahre alten, heftig ratternden Büfettwagen, sitzen dann die Feintrinker und hören dem Biersommelier Ernst Rothenbach zu, der ihnen die Unterschiede zwischen Dampfbahn-Bier, Gössweinsteiner Wallfahrtsbier und Aufsesser Dunkel beizubringen versucht.

Draußen zieht Gasseldorf vorbei, wo Johann Georg Lahner, der Erfinder der Wiener Würstchen, geboren wurde. Auf der Wiesent schwimmen Kajaks, in den Krügen knistert der Schaum, und so verbindet sich alles aufs Beste: Leib und die Seele, Augen und Gaumen, Kulinarik und Kunst, das Heute und das Gestern – und noch so a Schwanenbräu, bidde.

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