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New York City: Wo Cassius Clay trainierte

E rgibt es eigentlich noch Sinn, dem Leser über New York City zu berichten? Ja, doch.

E rgibt es eigentlich noch Sinn, dem Leser über New York City zu berichten? Ja, doch. Finden wir zumindest. Denn erstens verändert sich die Stadt am Hudson immer noch rasant, bringst stets und ständig Neues hervor. Zweitens besteht die Metropole schließlich nicht allein aus dem kräftig schlagenden Herz Manhattan. Die anderen vier Bezirke – Bronx, Brooklyn, Queens und Staten Island – mit ihren zum Teil völlig unterschiedlichen Stadtteilen sind tatsächlich mehr als nur einen kurzen Ausflug wert. Und dafür sollte der Besucher schon etwas Zeit einplanen. Nein, nicht wegen des Verkehrs in der Acht-Millionen-Metropole. Den kann man nämlich bestens sich selbst überlassen, indem man die U-Bahn nimmt. Zeit braucht der Tourist, weil die Wege lang sind und es so unendlich viel zu entdecken gibt, dass man sich zur Abreise tatsächlich wünscht, statt des Rückflugs warte eine Aschewolke irgendwo am Himmel, die einem eine weitere Woche Erkundungszeit spendiert.

Unser erster Weg in Manhattan führt ins NYC Information Center in Midtown (810 Seventh Avenue, zwischen West 52nd and West 53rd Streets). Wer bisher nichts von Tourist-Informationsstellen hielt – hier wird er bekehrt. Das elektronische Info-System, das dem Besucher auf riesigen Touchscreens zur Verfügung steht (Hilfe vom Personal gibt’s immer), ist einfach sensationell, lässt keine Wünsche offen. Zu großen und kleinen Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Kneipen gibt es jede, wirklich jede Information in Bild, Ton und Schrift, inklusive Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln – und alles schließlich ausgedruckt zum Mitnehmen, frank und frei. Anschaulicher, bequemer geht es nicht.

In der einstigen Berliner Tageszeitung „Der Abend“ gab es im Lokalteil die Rubrik „Det fiel mir uff“. Gäbe es diese Kolumne bei einem New Yorker Blatt, könnten wir sie über Wochen bestreiten. Nach nur dreitägigem Aufenthalt. Stärkster Eindruck: Die Stadt wird immer „grüner“. Nicht allein in Bezug auf Büsche und Bäume in – Achtung Berlin – gepflegten Parks und Grünanlagen. Im wahrsten Sinn herausragendes Beispiel: der High Line Park, der auf einer alten Bahntrasse zehn Meter hoch an der Westseite Manhattans verläuft. Bisher erst zwei Kilometer lang, doch bereits eine herrliche Flaniermeile mit bester Aussicht. Wir freuen uns auf die Fortsetzung.

Auch Fahrradfahrer haben die Stadt erobert. Da darf man staunen, dass einem überhaupt noch Jogger begegnen. Überall Radler. Und selbst das ein oder andere Moped mogelt sich zwischen die gelben Taxis. Früher undenkbar. Ja, Bürgermeister Michael Bloomberg sei zu einem „Grünen“ mutiert, ist vielfach zu hören.

Endlich finden wir Zeit, zumindest einen Fuß nach Brooklyn zu setzen, dem mit 2,6 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Bezirk der Stadt. Da ist der An- oder zumindest der Abmarsch über die Brooklyn Bridge natürlich Pflicht. Auch wenn die einmalige Aussicht auf Manhattan derzeit etwas von Bauarbeiten an der Brücke behindert wird: Es ist ein Erlebnis.

Ziel jenseits der Brücke ist Brooklyn Heights, ein altes Viertel mit gepflegten Sand- und Backsteinhäusern, aus deren Souterrains und Kellern die Kunstszene leider aus Kostengründen aus- und weitergezogen ist. Ins Arbeiterviertel Williamsburg am East River. Doch, wie uns gesagt wird, greift auch dort schon wieder die Gentrifizierung Platz.

Schade, die exzentrisch verbaute Wohnung des 2007 verstorbenen Norman Mailer, die die Erben zum Verkauf inserieren, haben wir in Brooklyn nicht gefunden. Dafür Gleason’s Gym, das Boxstudio, in dem Cassius Clay, später Muhammad Ali, für seinen Kampf 1964 gegen Sonny Liston trainierte. Na gut, viel ist nicht zu sehen, dafür mehr zu riechen. Aber immerhin, für Ali-Fans ein Stück Geschichte.

Ach ja, zum Schluss müssen wir noch rasch eine Lanze brechen. Für die Einwanderungsbehörde. Nachdem wir jüngst über einen Einreise-Albtraum britischer Kreuzfahrtgäste in Los Angeles berichtet hatten, ist das geboten. Immigration am Kennedy-Flughafen, einst berüchtigt, ist nach unserer Erfahrung zu einem Disneyland mutiert. Naja, fast. Freundliches Personal, das den Besucher anlächelt, sich auf Smalltalk einlässt, zügig das Notwendigste erledigt und einen mit den besten Wünschen durchwinkt. Ein Wunder? Nicht wirklich. Die Tourismusindustrie hat offenbar wegen anhaltender Beschwerden über mürrische bis feindselige Zerberusse so viel Druck gemacht, dass zumindest das JFK-Passpersonal zu Benimmkursen der Disney Corporation geschickt worden ist. Mit Erfolg. Glückwunsch!

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