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Los Angeles: Portrait of a City: Wie im Film

Ein gewichtiger Bildband über Los Angeles zeigt, wie es wurde, was es ist. Herausgeber Jim Heimann muss in viele Archive gestiegen und dort lange gewühlt haben, um eine solche Fundgrube zusammenzustellen.

Es war einmal ein Dorf, das hieß Yang-Na. Erst war es indianisch, dann mexikanisch und schließlich amerikanisch. Es wuchs und wucherte und explodierte, bis es schließlich die amerikanischste aller Städte war. Wie Los Angeles wurde, was es ist, ein Albtraum, ein Wunschtraum, ein Mythos, kann man jetzt nachblättern in einem großartigen Foto-Album. Ein Buch wie die Stadt, ein Monster von einem Buch, für das man starke Arme und einen gesunden Rücken braucht, um es überhaupt nach Hause zu schleppen. Aber es lohnt sich.

So hat man Los Angeles noch nicht gesehen. So nackt, so kahl, so leer. Am Anfang war Hollywood nur ein Acker, der Sunset Boulevard ein Hain aus Obstbäumen – und in der Innenstadt wurde nach Öl gebohrt. Die Öltürme standen wie Bäume zwischen den Einfamilienhäusern. Bald aber werden die Bilder (und die Strände) voller, die Straßen länger, die Lokale am Straßenrand immer bizarrer und die Tankstellen rasanter. Los Angeles, das sieht man hier wunderbar, ist nicht nur eine Stadt der schönen Menschen, sondern auch der eleganten, auf jeden Fall originellen Architektur.

Das Buch ist chronologisch angeordnet, in kurzen Essays fasst Kevin Starr die Geschichte der verschiedenen Jahrzehnte nach. Das reicht, zusammen mit den Bildunterschriften, an Informationen. Den Rest denkt man sich. Der Band funktioniert wie ein Film, man blättert sich durch die Zeitläufte, beim ersten Mal sieht man lauter Großaufnahmen, später zoomt man sich näher dran, malt sich Geschichten aus, Komödien, Tragödien, Dramen. Wie das wohl ist, in einem Nebel von Smog zu verschwinden, oder auf dem opulenten Minigolfplatz zu spielen, den Mary Pickford angelegt hat. Es ist ein Buch zum Lachen und zum Weinen. Neben vielen Kuriositäten – Ronald Reagan als Bildhauer-Model, Leo der Löwe, wie er für MGM brüllt – gibt es auch Mord, Streik und Aufstand. Es ist kein idyllisches Bild, das hier von der Stadt vermittelt wird. Aber ein faszinierendes.

Herausgeber Jim Heimann muss in viele Archive gestiegen und dort lange gewühlt haben, um eine solche Fundgrube zusammenzustellen. Unter den Fotos, Schwarz-Weiß und Farbe, sind viele anonyme Aufnahmen, neben den Bildern von Shooting Stars wie Julius Shulman, Dennis Stock, Wolfgang Tillmans, Dennis Hopper. Und weil das Buch doch ein Ende hat, muss man anderswo weiter gucken, hören, lesen: Der Bildband endet mit einer langen Liste von Empfehlungen für Musik, Film und Literatur über L.A.

Wenn heute Abend dort die Oscars verliehen werden, kann man sich hier noch mal zurückblättern ins Jahr 1962, zu einer hinreißenden Sophia Loren, lachend beim Academy-Awards-Dinner. So entspannt geht’s inzwischen wahrscheinlich nicht mehr zu.

— Jim Heimann (Herausgeber), Kevin Starr: Los Angeles, Portrait of a City. Verlag Taschen, Köln; gebundene, mehrsprachige Ausgabe, 572 Seiten, 49,99 Euro

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