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Zugreifen, bitte. Kalorienarm ist das Gebäck am „Pie Spot“ nahe Portland nicht. Vielleicht schmeckt es aber gerade deshalb so unverschämt lecker.

© mauritius images/Alamy

Oregon: Highway durchs Schlaraffenland

Kalifornien ist out. Wer up to date sein will, fährt jetzt nach Oregon, zu Streetfood, Winerys und coolen Aussichten.

Wie wär’s mit ein bisschen Schnee? Tut im Sommer besonders gut. Vor allem, wenn man anschließend in den Pool springen kann, in dem sich die Skifahrer auch im Winter erfrischen, das Wasser wird immer beheizt. Ist zwar ökologisch nicht korrekt – und darauf legt man in Oregon eigentlich besonders viel Wert –, aber Spaß macht’s doch. Und am Abend kuschelt man sich auf einem der roten Sessel vor dem riesigen Kamin.

Willkommen auf Mount Hood – willkommen in der Timberline Lodge. Der Berg ist nicht zu übersehen, rund ums Jahr erhebt er sich mit weißer Haube, 3429 Meter hoch, über der grünen Ebene. „Der mächtige Krieger“, so nannten die Indianer ihn. Für die Pioniere, die den mühsamen Weg durch die Ödnis zum Pazifik auf sich genommen hatten, wurde er zum Sinnbild der Erlösung: Sie hatten es geschafft! Am Fuße des Vulkans liegt das fruchtbare Willamette Valley.

Mt. Hood, von Portland aus zu sehen, trägt fast immer eine Schneekappe.
Mt. Hood, von Portland aus zu sehen, trägt fast immer eine Schneekappe.

© OMHT

Mount Hood ist eines der Wahrzeichen von Oregon, und die Timberline Lodge weit mehr als eine Herberge, nämlich ein nationales Denkmal und als solches geschützt. Wann gibt es das schon, dass ein Hotel in staatlichem Auftrag erbaut wird, damit die örtlichen Handwerker zeigen können, was sie draufhaben? Und dass dann noch der Präsident der Vereinigten Staaten persönlich zur Eröffnung des New-Deal-Projekts anreist! 1937 war das, die Roosevelt Terrasse erinnert daran.

Oregon ist umweltfreundlich, ja überhaupt sehr freundlich

Immer wieder trifft man in Oregon Menschen, die mit leuchtenden Augen von ihren Kindheitsausflügen hierher erzählen. Davon, dass sie mit dem eigenen Nachwuchs oder den alten Eltern zu besonderen Gelegenheiten in die rustikale Herberge fahren. Wobei man nicht mal übernachten muss, um das Haus zu besichtigen. Forest Rangers - Forst-Mitarbeiter - bieten Führungen an.

Der Nordwesten boomt, auch unter deutschen Urlaubern. New York, Chicago, Los Angeles – hat der US-Fan alles schon gesehen. Jetzt stehen Oregon und Washington State auf dem Programm. Es hat sich herumgesprochen, dass man hier liberal und umweltfreundlich, ja überhaupt sehr freundlich ist. So sehr, dass es manchem Einheimischen schon zu viel wird, wenn zum Beispiel jeder Autofahrer dem anderen die Vorfahrt lassen will und niemand losfährt.

Die „Brücke der Götter“ führt über den Columbia River.
Die „Brücke der Götter“ führt über den Columbia River.

© Mauritius Images

Oregon ist ein besonders familien- und paarfreundliches Reiseziel: weil man, ohne stundenlang im Auto zu sitzen, die unterschiedlichsten Interessen gut unter einen Hut bekommen kann. Zumindest im Westen liegen die Attraktionen nah beieinander. Naturfreunde kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Großstadtfans, Auto- und Fahrradfahrer, Wein- wie Biertrinker, Surfer und Golfer, Powershopper und Wanderer.

Pause mit Blick auf die Götterbrücke

Es muss ja nicht gleich so extrem sein wie in „Wild“, dem Film mit Reese Witherspoon (soeben als DVD erschienen), und dem zugrunde liegenden Buch: die wahre Geschichte der jungen Cheryl Strayed, die sich den mörderischen Pacific Crest Trail mit schwerem Gepäck allein erkämpft, anwandert gegen die Trauer über den Tod ihrer Mutter.

Da fließen jede Menge Blut, Schweiß und Tränen. Wir machen es uns bequemer, steigen einfach aus dem Auto aus, um die historische Brücke zu bewundern, die so hinreißend aussieht, wie sie heißt, „Bridge of the Gods“, und an der Witherspoons Pilgerreise endet. Lassen uns am Ufer des Columbia River nieder, schauen auf den Staat Washington an der anderen Uferseite, und probieren uns durch die selbst gebrauten Biere der Thunder Island Brauerei. Immerhin, die Helden des 4279 Kilometer langen Wanderwegs bekommen die Stärkung gratis, das spendieren die fauleren Gäste.

Craft Bier begann im „Biberstaat“ zu boomen, als man in Berlin noch gar nicht wusste, wie man das buchstabiert. Was nicht nur an den kreativen Hipstern lag, oder daran, dass der Pioniergeist hier noch sehr lebendig ist, sondern auch daran, dass hier so viel Hopfen wächst. Überhaupt hat sich Oregon in den vergangenen Jahrzehnten zu einem wahren Schlaraffenland und kulinarischen Trendsetter entwickelt.

Wer wissen will, was morgen in Kreuzkölln auf den Tisch kommt, sollte heute vielleicht schon mal nach Portland fahren. Streetfood zum Beispiel ist hier ein alter Hut. Aber einer, der immer noch passt. Mitten in der Stadt zum Beispiel, rund um einen Parkplatz herum, findet man die ganze Welt.

So viele Wagen existieren inzwischen, dass es eigene Streetfood-Bücher und -Führungen gibt: Brett Burmeister hat aus seiner Leidenschaft einen Beruf gemacht. Wie ein Dandy tritt er auf, im karierten Sakko, den Bart kunstvoll designt, erzählt munter Geschichten.

Hier liegt das wahre Springfield, Heimat von Homer Simpson

Craft Beer boomt in Oregon. Überall stößt man auf kleine Brauereien.
Craft Beer boomt in Oregon. Überall stößt man auf kleine Brauereien.

© Travel Oregon

Wer sich das Angefutterte wieder ablaufen will, sollte weiterfahren, ans südliche Ende des Willamette Valleys, nach Eugene. In der Unistadt, „Track Town, USA“ genannt, wurde der Nike-Schuh erfunden. Von hier aus kann man schnell rüber nach Springfield laufen.

Nicht irgendein Springfield, 64 Städte dieses Namens soll es geben in den USA, sondern „das wahre Springfield“. Das hat Matt Groening, Erfinder der Simpsons, den Bewohnern schriftlich gegeben. „Yeah Springfield, Oregon“, schrieb der Vater von Homer, Bart & Co, und unterzeichnete: „Euer Kumpel, Matt Groening, stolzer Bürger von Oregon!“ Und so gibt es jetzt eine Simpsons-Springfield-Tour sowie ein großes Wandbild, vor dem man sich fotografieren lassen kann, in dem Ort, der ansonsten ziemlich arm an Sehenswürdigkeiten ist.

Winzer behaupten, sie produzierten den besten Pinot Noire außerhalb Burgunds

Wein aus Oregon – vor ein paar Jahrzehnten hätten viele bei der Vorstellung nur gelacht. Inzwischen gibt es hier 500 Weingüter, viele von ihnen mit Probierstuben. Der letzte Schrei ist die „Urban Winery“, der größte Hit der Pinot Noir, für den das Klima offenbar ideal ist. Man sollte ihn auch unbedingt vor Ort trinken, denn in Deutschland wird man ihn kaum finden. Wenn, dann eher in England oder Schweden, dort ist man an hohe Weinpreise gewöhnt. Ein guter Pinot Noir für weniger als 30 Dollar gilt in Oregon als günstig. Ein preisgekrönter kostet schnell mal über 50.

Die Winzer geben sich selbstbewusst, finden, sie produzierten die besten Pinot Noirs außerhalb Burgunds. Inzwischen lassen sich tatsächlich schon die ersten französischen Winzer nieder. „Die Dinge entwickeln sich schnell“, schrieb Deutschlands bekanntester Weinkritiker Stuart Pigott nach seinem Oregon-Besuch, „und in die richtige Richtung.“

Die Böden sind fruchtbar. So werden 95 Prozent der US-Haselnüsse in Oregon geerntet. Zudem gibt es große Obstplantagen. Kein Wunder, dass nach Wein und Bier nun auch der Cider boomt. In der jungen Wildcraft Cider Works-Bar in Eugene werden ausschließlich trockene Varianten angeboten, eine davon gereift in alten Whiskyfässern. Man kann sich, bei delikatem Essen, durch die verschiedenen Sorten trinken. Das Probieren ist überhaupt ein beliebter Freizeitsport in Oregon, selbst beim Kaffee, auf den man so stolz ist, als hätte man ihn erfunden.

Brett, der Guide.
Brett, der Guide.

© Susanne Kippenberger

Hier bedient der Tankwart noch selbst

In Oregon scheint alles ein bisschen anders zu sein. So kann man, wie in Kalifornien, den herrlichen Highway 101 am Pazifik hinauffahren – muss aber nicht selber tanken, ja, darf es nicht mal: Der Tankwart ist Pflicht. People's Coast heißt die Küste, seit ausgerechnet ein republikanischer Gouverneur durchsetzte, dass sie in ihrer vollen, oft dramatischen Schönheit dem Volk gehört. Anders als in Kalifornien darf hier niemand eine große Villa oder ein Luxushotel auf den Sand setzen und anderen den Weg versperren.

Eine weitere Besonderheit: Es gibt keine Umsatzsteuer. Manche kommen nur zum Einkaufen nach Oregon. Gezielt in Outletcentern wie Woodburn Premium mit den gängigen Ketten, individueller in Portland, für das man eh mehrere Tage einplanen sollte. Dort lohnt sich neben einem Streifzug durch die angesagten Viertel auch ein Besuch des Museums der Oregon Historical Society.

Und natürlich sollte man mal durch Powells, City of Books, flanieren, dem nach eigenen Angaben größten unabhängigen Buchladen der USA, der trotz seiner Größe noch ein charmantes 70er-Jahre-Gefühl verströmt. Da kann man sich mit Reiselektüre eindecken oder der Kultserie „Portlandia“.

„Keep Portland weird“, lautet der Stoßseufzer der Großstädter. „Don’t Californicate Oregon“, wird der Besucher an den Grenzen gewarnt. Je attraktiver Stadt und Land werden, je höher die Lebensqualität – in kein anderes Bundesland zogen im vergangenen Jahr so viele Amerikaner –, desto größer die Gefahr, dass das, was den besonderen Charme ausmacht, verloren geht.

Die kalifornischen Weingüter zum Beispiel sind oft riesig und durchkommerzialisiert, hier sind es meist noch Familienbetriebe, oft bio. Das Einzige, was gierige Eindringlinge vielleicht abschrecken könnte, ist das Wetter. Es regnet oft. Was die Oregonians anscheinend nicht weiter stört. Dann ziehen sie sich eben regenfeste Jacken an oder machen es sich bei Austern und Wein gemütlich.

Tipps für Oregon: Von Seattle aus mit dem Leihauto

Timberline Lodge
Timberline Lodge

© mauritius images

ANREISE

Von Berlin aus geht es über Amsterdam nach Portland (derzeit ab rund 1300 Euro) mit KLM/Delta. Wer hingegen nach Seattle fliegt, kommt günstiger weg und hat per Leihauto die Chance, ein gutes Stück der herrlichen Pazifikküste kennenzulernen. Und einen Mietwagen benötigt ohnehin, wer Oregon erkunden möchte. Schnellste Verbindung: von Tegel über Amsterdam nach Seattle (jetzt knapp 1000 Euro) mit KLM in 12,5 Stunden

REISEZEIT

Gewiss, Oregon ist kein Sonnenschein-Staat, doch zumindest in Küstennähe wechselt das Wetter rasch. Juli und August sind zu meiden, wenn halb USA Urlaub macht.

UNTERKUNFT

Timberline Lodge, Gebirgshotel am Mt. Hood (Tel.: 001 503 272 33 11, timberlinelodge.com); Doppelzimmer ab 135 Dollar.

Heceta Head Lighthouse, ein B & B (Telefon: 001 866 547 36 96, hacetalighthouse.com); Doppelzimmer ab 133 Dollar (Winter), 209 Dollar (Sommer). Der Leuchtturm ist noch in Betrieb.

KULINARISCHES

Cyril’s at Clay Pigeon Winery, Portland (Telefon: 001 503 206 78 62, claypigeonwinery.com);

Urban Winery mit köstlichem Essen. Wildcraft Cider Works, Eugene (Telefonnummer: 001 541 735 3506, wildcraftciderworks.com);

Thunder Island Brewing, Cascade Locks; mit Blick auf Fluss und Götterbrücke (Telefon: 001 971 231 45 99, thunderislandbrewing.com), aus dem Hahn kommt zum Beispiel Chocolate Stout.

AUSKUNFT

traveloregon.de. Dort kann man auch Broschüren bestellen wie „Oregon Scenic Byways“. Tel.: 089 68 90 63 842; im Internet auch unter: travelportland.com

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