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Starke Brise aus West. Winde treiben das Nordseewasser in die Dünen von Amrum. Nur eines von vielen winterlichen Spektakeln, die Feriengäste so zu schätzen wissen.

© imago

Nordsee: Ein Grog mit Wind und Wellen

Winterurlaub an der Nordsee muss keineswegs langweilig sein. Wer die richtige Einstellung hat, kann sich bestens erholen.

Ein menschenleerer Strand, ein gemütliches Domizil mit Sauna, dazu vielleicht noch ein gutes Restaurant oder ein Museum um die Ecke – viel mehr braucht man eigentlich nicht, um in der kalten Jahreszeit ein paar erholsame Tage an der Nordsee zu verbringen. Hier ein paar Tipps für spontane Kurzurlauber.

WREMEN

Wer wirklich nur seine Ruhe will und ansonsten vielleicht noch einen unverstellten Blick auf den Nationalpark Wattenmeer, am besten schon über das Frühstücksei hinweg, der sollte einchecken im einzigen Hotel an der deutschen Nordseeküste, das direkt auf dem Deich thront: das Upstalsboom Hotel Deichgraf in Wremen, einem kleinen Nordseebad zwischen Bremerhaven und Cuxhaven (Internet: upstalsboom.de).

Stilvoll auch das Ambiente im „Deichhof“, einem 200 Jahre alten Bauernhaus mit Scheune, das auf einer Wurt und damit ebenfalls etwas höher liegt (Internet: deichhof.de). Auch wenn im Winter in Wremen nicht viel los ist – ein morgendlicher Spaziergang zum nahen Hafen hat seinen ganz eigenen, durchaus herben Charme. In der Ferne brummt dumpf der Hafenverkehr von Bremerhaven, übertönt nur vom Geläut der Kirchenglocken. Die Sonne kommt spät hinter dem Deich hervor und taucht das Wattenmeer in ein mildes Licht. Ein paar Kutter sind eigentlich auch immer da, mal dümpeln sie an der Kette, mal liegen sie regungslos im Schlick. Denn anders als in vielen anderen Häfen fallen hier die Schiffe bei Ebbe trocken. Und sollte einem wirklich mal der Sinn nach Abwechslung stehen: Bremerhaven mit dem Klimahaus, dem Deutschen Auswandererhaus und dem Deutschen Schifffahrtsmuseum ist nur knapp eine halbe Autostunde entfernt.

HARLESIEL/SPIEKEROOG

Wer auch im Winter partout nicht auf seine Wattwanderung verzichten will, der wende sich an die Brüder Frank und Ralf Hensel aus dem friesischen Hohenkirchen (wattwandern.de). Die zwei sind schon in Jugendtagen durchs Wattenmeer zu Fuß nach Spiekeroog gelaufen, um sich die Fähre zu sparen. In Studienzeiten wurde daraus ein netter Nebenerwerb. Heute bieten sie ganzjährig Touren durchs Wattenmeer an. Nur dass man im Winter einen Neoprenanzug und Füßlinge mit dicker Sohle braucht (ausleihbar bei Surfschulen), weil man mitunter bis zum Bauchnabel im Priel steht. Die kürzeste Tour ist die nach Baltrum, viel lieber geht Frank Hensel allerdings nach Spiekeroog. Es gibt keine festen Termine, gewandert wird auf Anfrage und nach Tide. 16 Euro kostet eine Tour. „Ein bisschen sportlich“ sollte man schon sein, heißt es. Eine vierstündige Wattwanderung ist schließlich kein Pappenstiel, vor allem, wenn es – wie bei der „Königstour“ nach Langeoog – zeitweise durch bis zu 30 Zentimeter tiefen Schlick geht.

Auf der Insel wartet dann eine letzte Prüfung: Raus aus dem nassen Neoprenanzug, womöglich bei Minusgraden und kräftigem Ostwind, und rein in die warmen Freizeitklamotten. Spätestens in der Inselkneipe färben sich dann die Gesichter rot ...

HELGOLAND

Der Winter ist für viele Helgoländer selbst die schönste Jahreszeit, vor allem wenn das Wetter „richtig übel“ ist und die See „überläuft“. Die Kraft der Naturgewalten – auf Deutschlands einziger Hochseeinsel kann man sie studieren. Zum Beispiel abends, wenn die Sonne in der Nordsee versunken ist. Dann hat man das ganze Oberland für sich allein, im Ohr nur Wind und Wellen und vielleicht noch ein paar Zugvögel. Das Feuer des Leuchtturms bietet Orientierung, alle paar Sekunden erleuchten die kreisenden Lichtstrahlen die Szenerie. Wenn einem dann auf dem Rückweg ein süßlicher Geruch in die Nase steigt, dann haben sich vermutlich wieder ein paar Helgoländer Frauen versammelt, um gemeinsam Sokkerstruuven zu backen, ein inseltypisches Weihnachtsgebäck, den Mutzenmandeln recht ähnlich. Ebenfalls sehr beliebt: Eiergrog.

Übrigens: Niemand sollte sich wundern, wenn der Helgoländer zur Begrüßung nicht gleich die Hand gibt. Er ist es nicht anders gewohnt. Die Hand reicht man sich hier zum Gratulieren und Kondolieren. Und beim „Wünschen“ – so wird ein Brauch genannt, bei dem sich die Helgoländer zu Neujahr einen Besuch abstatten.

AMRUM

Urlaubsgäste, die zum ersten Mal einen Jahreswechsel auf Amrum erleben, sind vermutlich noch irritiert, wenn merkwürdige Gestalten ums Haus ziehen. Denn an Silvester sind auf Amrum und auch auf Föhr die „Hulken“ unterwegs, verkleidete Insulaner, die an der Tür mal ein Lied und mal einen Sketch darbieten. Erkennt der Hausherr die „Hulken“, was auf einer kleinen Insel nicht ganz so schwierig ist, gibt es zur Belohnung je nach Alter entweder Bonbons oder einen „Kurzen“. Also: eine Art Halloween auf nordfriesisch.

Zum Jahreswechsel selbst geht es auf Amrum ruhig zu. Sehr ruhig sogar. Denn Knaller, Kanonenschläge oder Raketen sind verboten – kein Wunder bei den vielen Reetdächern. Ahnliches gilt für die Nachbarinsel Föhr, wobei sich hier die Pyrotechniker an ausgewählten Abschnitten des Strandes von Wyk austoben dürfen.

LANGEOOG

Auf den Schildern am Dünenweg steht: „Kein Winterdienst“. Sei’s drum. Eine Runde auf dem Dünenpfad ist Pflicht. Wer dabei inselkundige Gesellschaft wünscht, ist bei Peer Agena gut aufgehoben. Agena bietet selbst im Winter seine „Insel-Erkundungstour mit dem Fahrrad“ an, nebst dem ortsüblichen „Du“ (Telefon: 049 72 / 99 03 11, pro Person acht Euro, Fahrrad ebenfalls acht Euro). Nur wenn die Wege vereist sind, favorisiert der Insulaner eine Dünenwanderung. Ein Klinkerpfad führt hinauf zur alten Seenotbeobachtungsstation. Der orangefarbene Kastenbau ziert eine der höchsten Dünen, der Rundblick ist famos. Weiter geht es auf der Höhenpromenade, einer Art Dünenkamm. Links liegt das Dorf inklusive einiger Bausünden aus den 80er Jahren, rechts der Strand und die offene Nordsee. Und am Horizont eine der am stärksten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. „Schiffe gucken“ kann man natürlich auch im Sitzen. Peers Tipp: Entweder „Seekrug“ oder „Strandhalle“. Beide Restaurants liegen auf der Höhenpromenade und haben einen fantastischen Ausblick. Bei Bratapfel und Sanddornsaft die Sonne untergehen lassen – das hat was.

SYLT

... geht eigentlich immer. Auch im Winter. Mittlerweile kommt etwa jeder vierte Inselgast in der kalten Jahreszeit. Mag andernorts auch der Hund begraben sein, hier servieren Sterneköche wie Jörg Müller auf dem Weihnachtsmarkt Flammkuchen mit schwarzer Trüffel und andere Leckereien. Auch nach dem Jahreswechsel muss der Feinschmecker nicht darben. Es gibt vom 15. bis 19. Januar sogar eigens ein „Gourmet-Festival“, bei dem sich renommierte Küchenchefs den Löffel in die Hand geben (mehr dazu im Internet: gourmet-festival-sylt.de).

Kurz danach beginnen dann die Vorbereitungen für ein weiteres Glanzlicht im Jahreslauf des hartgesottenen Sylt-Fans. Holz, Reisig, ausrangierte Weihnachtsbäume und brennbares Strandgut werden zusammengetragen und zu einer Biike aufgetürmt. Biike ist Sylter Friesisch für Feuerzeichen. Am 21. Februar wird dieser Haufen entzündet. Früher hat man damit die Seefahrer und Walfänger verabschiedet. Heute verabschiedet man den Winter. Und danach gibt es Grünkohl.

Wolfgang Stelljes

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