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Immer geradeaus, aber bitte ohne Qualm und Rauch. Diese Fähre nimmt schon mal umweltfreundlich Kurs auf die Insel Rügen.

© imago/Jens Koehler

Öko-Schiffe: Grüne Welle

Saubere Schiffe sind gefragt, auch Fähren müssen umgerüstet werden. Wie sich Reedereien den neuen Herausforderungen stellen.

„Unsere alten Herren sind etwas in die Jahre gekommen“, sagt Projektentwickler Andy Krebs Hagstrøms mit Blick auf die Oldtimer der dänischen Reederei Scandlines. Sein Blick geht hinaus auf die graue Ostsee. Eben haben wir Warnemünde in Richtung Dänemark verlassen. „Kronprins Frederik“ und „Prins Joachim“ versehen auf der Ostseeroute zwischen Rostock und Gedser zwar seit Anfang der achtziger Jahre noch zuverlässig ihren Dienst. Doch das ständige Hin und Her mit den alten Fähren wird immer teurer.

Ökonomisch schippern sie fast schon ins Fahrwasser der Unrentabilität. Unökologisch sind sie obendrein. Es waren eben andere Zeiten damals, als Orange eine Trendfarbe der Inneneinrichtung war und schwarz-gelber Rauch aus dem Schornstein als ein sicheres Indiz für das Anlassen der Maschine und den Beginn einer Reise ins Glück gedeutet wurde. Heute zeichnen sich in den Fährverkehren auf Ost- und Nordsee neue Trends ab.

Dass Scandlines neue, umweltfreundliche Fähren bestellt hat, die Oslo-Fähren „Color Fantasy“ und „Color Magic“ während ihrer Liegezeiten in der norwegischen Hauptstadt an Landstromnetze angeschlossen und neue Fährschiffe mit neuen Antriebskonzepten im Bau sind, oder ältere Schiffe umgerüstet werden, ist allerdings nicht nur ein Zug der Zeit.

Bereits seit 2012 gilt ein globales Limit für den Schwefelgehalt in Kraftstoffen: 3,5 Prozent sind erlaubt, so hat es die Weltschifffahrtsorganisation International Maritime Organisation (Imo) festgelegt. Internationale Übereinkommen erlauben jedoch auch, dass Mitgliedsländer strengere Grenzwerte für den Schwefelaustausch definieren können. In der Nord- und Ostsee sowie im Ärmelkanal ist das längst der Fall.

Der Neubau ist technisch am einfachsten

Seit Januar darf der Schwefelgehalt im verbrauchten Schiffstreibstoff nur noch 0,1 Prozent betragen. Dieser Grenzwert gilt zudem bereits in europäischen Häfen, an der amerikanischen Nordküste und in der Karibik, dem Kreuzfahrtziel schlechthin. Summa summarum sollen so die Schwefeldioxidemissionen um 90 Prozent und die Feinstaubemissionen um 80 Prozent reduziert werden. Natürlich ist nicht allein die Passagierschifffahrt den neuen Werten unterworfen, sondern auch die Frachtschifffahrt.

So sehen sich Reedereien vor enorme Herausforderungen gestellt. Denn der schwefelarme Treibstoff, sogenannter Marinediesel, ist rund 50 Prozent teurer als das zähe Schweröl, das bei der Verbrennung gelbe Schwefelschleppen hervorbringt. Hinzu kommt, dass sich die technische Umstellung der Schiffsmaschinen von Schweröl auf Marinediesel nicht zwangsläufig reibungslos bewältigen lässt.

Die Reedereien entwickeln verschiedene Strategien, um die neuen Normen zu erreichen. Technisch am einfachsten ist zunächst der Neubau. Der Umstieg auf Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) ist dabei aufgrund der Investitionskosten sowie der noch nicht flächendeckenden Infrastruktur an LNG-Bunkerstationen eine eher langfristige Alternative. Immerhin ist das auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlte, flüssige Erdgas eine umweltfreundliche Alternative zum konventionellen Schiffsdiesel.

Bereits im Sommer 2013 hat sich die AG Ems für den Ökoumbau ihrer Borkumfähre entschieden – und setzt auf LNG. Gut drei Millionen Euro stellte die EU bereit, um das Pilotprojekt im Rahmen eines Umbaus der „Ostfriesland“ zu realisieren. 13 Millionen Euro werden investiert. Es handelt sich dabei um die erste Umrüstung eines Seeschiffes auf LNG in der EU überhaupt. Um den neuen Antrieb einzubauen und Platz zu schaffen für den Brennstoff, muss das Achterschiff um 15 Meter verlängert werden. Mehr Platz auf dem Sonnendeck ist eine der positiven Begleiterscheinungen. Eigentlich sollte der Bau der Sektionen Mitte Januar 2014 abgeschlossen sein, doch noch ist die neue Fähre nicht in Fahrt.

Das neue Helgolandschiff soll 1180 Sitzplätze bieten

Bereits in diesem Sommer will die älteste Reederei im Inselverkehr von und nach Helgoland, die Reederei Cassen Eils (Cuxhaven), die Fahrt zu Deutschlands einziger Hochseeinsel mit einem 20 Knoten schnellen Neubau aufnehmen. Das Seebäderschiff ist der erste Neubau unter deutscher Flagge, der mit der umweltfreundlichen LNG-Technik ausgestattet ist. Das neue Helgolandschiff wurde für über 30 Millionen Euro bei der Fassmer-Werft in Berne in Auftrag gegeben. Die EU-Kommission förderte das „grüne“ Schiff mit rund vier Millionen Euro und sieht darin ein Modell für eine neue Generation von Schiffen.

Die neue Fähre soll 83 Meter lang und 12,80 Meter breit sein und einen Tiefgang von 3,6 Metern haben. 1180 Passagiere finden hier Sitzplätze, die sich auf acht Salonbereiche, ein Atrium mit gläsernem Fahrstuhl über drei Decks sowie drei Oberdecksbereiche verteilen. Zum Restaurant „Knieper“ neu hinzugekommen ist die Skybar „Süllberg“ mit Lounge-Charakter auf Deck 5. „Die ersten Pläne sahen dies noch nicht vor“, sagt Bernhard Brons, Geschäftsführer der Reederei Cassen Eils.

Die Bar soll für kleine Gesellschaften bis zu 20 Personen angeboten werden. Die Reederei will mit dem barrierefreien Helgoland-Schiff „Kreuzfahrterlebnisse“ erzeugen – Emotionen, die Helgolandfahrer bisher nicht mit der gelegentlich schweren See um den Kalksteinfelsen in Verbindung gebracht haben.

An die goldenen Zeiten der Seebäderverkehre erinnern die Linien des im Juli 2014 im polnischen Szczecin (Stettin) auf Kiel gelegten Schiffes, das im Mai ausgeliefert werden soll. Schwungvoll wie die in den sechziger Jahren nach Helgoland eingesetzte „Wappen von Hamburg“ und die „Wilhelmshaven“ – beide Schiffsschönheiten wurden inzwischen abgewrackt – präsentieren sich die Entwürfe.

Die "Scrubber" müssen nachrüsten

Immer geradeaus, aber bitte ohne Qualm und Rauch. Diese Fähre nimmt schon mal umweltfreundlich Kurs auf die Insel Rügen.
Immer geradeaus, aber bitte ohne Qualm und Rauch. Diese Fähre nimmt schon mal umweltfreundlich Kurs auf die Insel Rügen.

© imago/Jens Koehler

Wer als Reeder nicht auf Flüssiggas setzt, muss in den Schiffsverkehren auf Nord- und Ostsee nachrüsten. Dafür gibt es sogenannte „Scrubber“ mit denen die Abgase gereinigt werden. „Scrubber“ sind Apparate, in denen der Abgasstrom mit Flüssigkeitsstrom in Kontakt gebracht wird. Das Problem dabei: Die meisten der bisher installierten Entschwefelungsanlagen reinigen die Abgase mit Meerwasser. Das ist laut einer Studie im Auftrag des Naturschutzbundes (Nabu) keine umweltfreundliche Lösung.

Die ökologischen Risiken der sogenannten Abgaswäscher würden ignoriert, während die wirtschaftlichen Erwartungen überschätzt würden, teilte der Nabu kürzlich mit. Der Reederverband VDR widersprach. Dennoch: Immer mehr EU-Staaten verbieten das Einlassen dieses Waschwassers ins Meer. Das erschwert den Betrieb der Anlagen beträchtlich: Das Wasser muss an Land entsorgt werden, eine logistische Herausforderung.

Darüber hinaus müssen die „Scrubber“ überhaupt erst einmal eingebaut werden. Die Fährverbindung zwischen Kiel und Oslo war im Januar vor diesem Hintergrund unterbrochen: „Color Magic“ und „Color Fantasy“ mussten in die Werft und wurden mit Abgasfiltern ausgerüstet.

Für „Kronprins Frederik“ und „Prins Joachim“ kommen derartige Investitionen eindeutig zu spät: Sie lohnen nicht mehr, denn die Schiffe werden durch Neubauten ersetzt und müssen bis zur Fertigstellung – wohl oder übel – mit Marinediesel in Betrieb gehalten werden. Die Indienststellung der beiden je 169 langen Großfähren „Copenhagen“ und „Berlin“ ist für dieses Jahr geplant. Immerhin wurden die beiden Schiffskörper der insolventen P+S Werfen (Stralsund) inzwischen auf der dänischen Fayard-Werft in Odense geschrumpft: Sie mussten erheblich leichter werden, um bei Ebbe den dänischen Hafen Gedser anlaufen zu können.

Das Shoppen am Bord wird leichter

Auch nach dem Umbau sollen die Schwergewichte noch 480 Autos oder 96 Lastwagen transportieren können. Auf der Linie Rostock – Gedser beförderte die dänische Scandlines nach eigenen Angaben 2013 um die 1,4 Millionen Passagiere. Vor allem durch den Osteuropaverkehr wird im Lkw-Segment weiteres Wachstum angenommen.

Im Schiffsinneren ist alles aufs Shoppen ausgerichtet: Weil Fährüberfahrten vergleichsweise kurz sind, muss es an den Kassen von Parfümerie, Supermarkt oder Restaurant schnell gehen. Damit das gelingt, wurden die öffentlichen Bereiche auf einer Seite des Schiffes konzentriert. Beim Ticketkauf ist neben dem Transfer auch der Sitzplatz an Bord und die Verpflegung eingeschlossen. Die neuen Schiffe werden mit „Scrubbern“ ausgestattet sein, die Motorenabgase von Schadstoffen wie Schwefel und Feinstaub reinigen.

Neue Flüssiggasantriebe, die Nachrüstung mit „Scrubbern“, die Umstellung von Schweröl auf Marinediesel – es gibt noch zwei weitere Varianten, Fähren umweltfreundlicher anzutreiben. Am kommenden Freitag soll in Kiel die erste Methanolfähre der Welt vorgestellt werden, die „Stena Germanica“. Die vorhandenen Ballasttanks im Doppelboden der Fähre, die täglich zwischen Kiel und Göteborg verkehrt, werden zu Methanol-Tanks umgerüstet.

Das Projekt steht für eine Gesamtinvestition von 22 Millionen Euro und wurde von der europäischen Kommission kofinanziert. Einer der großen Vorteile von Methanol als Treibstoff ist, dass praktisch alle Emissionen von Schwefel- und Stickstoffoxiden sowie Partikeln deutlich minimiert sind. Der flüssige Treibstoff wird zum Beispiel aus Holz, Abfall oder Erdgas gewonnen.

Die Katamaran-Fähre "Ampere" wird elektrisch angetrieben

Das Hamburger Unternehmen Becker Marine Systems hat unter dem Projektnamen „elblinien“ noch eine andere Antriebsart auf Lager. Auf einer neuen Verbindung über die Elbe zwischen Wedel und Jork im Alten Land soll eine Autofähre für zirka 60 Pkw und 200 Passagiere eingesetzt werden, die mit Hybridtechnik in Schwung kommt: Das ist zum einen ein LNG-Antrieb, zum Zweiten kann die Welle mit Batteriekraft angetrieben werden. Der über Nacht durch Windkraft erzeugte Landstrom macht’s möglich.

Ausschließlich mit elektrischer Energie in Fahrt kommen soll in diesem Jahr die 80 Meter lange Katamaran-Fähre „Ampere“, entwickelt von der norwegischen Werft Fjellstrand am Hardangerfjord. Die Batterietechnik stammt von Siemens. Während der wechselseitigen Liegezeiten in Lavik bzw. Oppedal sollen die insgesamt zehn Tonnen schweren Lithium-Ionen-Batterien innerhalb von nur zehn Minuten wieder voll aufgeladen werden. Nach Angaben der beteiligten Unternehmen wäre die Elektrifizierung aller Fährrouten mit weniger als einer halben Stunde Fahrzeit bereits mit der heutigen Batterie- und Ladetechnologie möglich.

Die Zeit, da Schiffe bei der Abfahrt oder auf hoher See tuteten und durch den Schornstein eine schwarze Rauchwolke ziehen ließen – sie scheint vorbei: Leises elektrisches Surren und Elektrohupen dürften die neuen Takte der Seeschifffahrt vorgeben.

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