zum Hauptinhalt
Sonnendeck. Wenn das Wetter mitspielt, müssen sich Eltern nicht um ihren Nachwuchs sorgen.

© Pavel Losevsky/Fotolia

Ostseekreuzfahrt: Die Schären sind Marie völlig schnuppe

Bällebad, Hüpfesel, Rutsche: Auch mit kleinen Kindern kann man eine Ostseekreuzfahrt wagen. Nur die Landgänge mögen sie selten.

Sarah (9 Monate) sitzt im Bällebad, Marie (zweieinhalb Jahre) hat den Hüpfesel Karl-Josef entdeckt und hoppelt durch den Raum. In diesem Moment ist viel vergessen: das Packen von vier Koffern – einen davon nur mit Babykost und Windeln – das Warten vor dem Kreuzfahrtterminal, die Zornattacke von Marie am Check-in-Schalter – und der amüsierte Blick des Sicherheitspersonals am Röntgengerät wegen der zahllosen Gläschen im Koffer.

Jetzt kann es endlich losgehen: das Abenteuer Kreuzfahrt mit der Familie auf der Ostsee. Zugegeben, das ist nicht das klassische Familienkreuzfahrtgebiet. So sind die Mitreisenden an Bord der „Aidasol“ auch eher ältere Semester. Zehn Tage von Warnemünde über Tallinn, St. Petersburg, Helsinki, Stockholm, Danzig, Kopenhagen liegen vor der vierköpfigen Truppe und den mehr als 2000 Mitreisenden.

Familien mit Kindern entdecken die Kreuzfahrt als Urlaubsform für sich: Mama und Papa bekommen etwas von Land und Leuten zu sehen, anders als bei einer Rundreise entfällt das lästige Kofferpacken, das Zimmer reist mit, alle Annehmlichkeiten eines Cluburlaubs wie Kinderbereich, Restaurants, Wellness sind verfügbar.

Bevor das Schiff am späten Abend den Hafen von Warnemünde verlässt, steht eine letzte Geduldsprobe für die kleinen Passagiere an: die Sicherheitsübung. Siebenmal ein kurzes und dann ein langes Tuten aus dem Lautsprecher: Generalalarm! Marie findet es sichtlich spannend, in die Rettungsweste gesteckt zu werden. Sarah weint, ihre Weste passt nicht richtig. Weder Papa noch Mama können sie richtig auf den Arm nehmen, weil diese selbst in ihren Westen stecken. Nach einer Viertelstunde an der Sammelstelle auf Deck fünf ist es geschafft: Die Kinder dürfen endlich ins Bett und Mama und Papa können das Auslaufen aus dem Hafen an Deck genießen.

Möglich macht das die Technik. Dank Bild-Babyfon, das es auf dem Schiff auszuleihen gibt, haben die Eltern immer alles im Blick, was in den Kinderbetten abgeht – oder auch nicht. Denn an diesem Abend ist schnell Ruhe. Meeresluft macht müde. So gehen Mama und Papa in Ruhe essen, genießen das Showprogramm an Bord und genehmigen sich an der Bar noch einen Cocktail.

Tag zwei an Bord: „Mama, gehen wir heute wieder ins Bällebad“, ist der erste Satz, den die Große um kurz nach sechs Uhr noch schlaftrunken herausbringt. „Jetzt gehen wir erst einmal frühstücken“, antwortet die ebenfalls noch müde Mama. Im Restaurant werden die Augen von Marie größer und größer: „Ich mag Cornflakes“, lautet die klare Ansage bei den Cornflakes, „Ich mag Brötchen“ wenig später vor den Brötchen, „Ich mag Ei“ bei den Eiern, „Ich mag Kuchen“ vor dem Kuchen ...

Solch üppige Frühstücksbüfetts ist sie von zu Hause nicht gewohnt, wo meist nur eine Scheibe Toastbrot neben der Tasse Milch steht. Drei Kilo nehmen Kreuzfahrtgäste pro Woche auf See im Durchschnitt zu. Marie hat sich offenbar vorgenommen, dieses Ziel schon am ersten Tag zu erreichen.

Es ist ja auch verführerisch: Zwischen 6.30 und 10.30 Uhr gibt es in einem der Restaurants immer Frühstück, zwischen 12 und 14.30 Uhr Mittagessen, zwischen 15.30 und 17 Uhr Kaffee und Kuchen, ab 18 Uhr Abendessen, zur Not bis Mitternacht. Nach dem ersten Tag kennt Marie den Weg von der Kabine in die diversen Restaurants schon schlafwandlerisch sicher.

Übertroffen wird das nur noch von den Ortskenntnissen in Sachen Kidsclub. Aus der Kabine, geradeaus den Gang hinunter, in den Aufzug, auf den dritten Knopf von unten drücken, dann rechts und immer nach hinten. Für die Kinderbetreuung sind zwar sowohl Marie als auch Sarah noch zu jung – erst ab drei dürfen Eltern ihre Sprösslinge in die Obhut der Erzieher geben – doch Bällebad, Rutsche, Piratenschiff, Legosteine oder eben Karl-Josef, der Hüpfesel, sind sowieso viel besser als die Schiffsrallye, findet zumindest Marie. In den folgenden Tagen ist sie meist nur unter Geschrei aus dem Kidsclub wieder herauszukriegen – oder mit dem Versprechen einer weiteren Mahlzeit.

Gestern St. Petersburg, heute Helsinki

Der erste Tag auf See vergeht wie im Flug und bewegt sich zwischen Restaurant, Kidsclub und für Mama und Papa im Schichtsystem abwechselnd im Wellnessbereich. Zum Mittagsschlaf geht es in die „Sabine“ – „Das heißt Kabine, Marie – „Ich gehe jetzt in die Sabine“, bleibt das Kind stur. Nur das Wetter spielt noch nicht mit: An Sonnenbaden an Deck ist nicht zu denken. Auch der nächste Morgen beginnt mit Regen – und 40 Grad – nein, nicht Lufttemperatur, sondern Fieber bei Sarah.

Rot glühen die Wangen, an einen Landgang in der estnischen Hauptstadt Tallinn ist nicht zu denken. So macht sich am Morgen Papa mit der Großen auf den Weg in die Stadt, am Nachmittag Mama. Sarah wird unterdessen im Bordhospital untersucht: „Nichts Dramatisches, nur ein Infekt“, lautet die Diagnose. Auch das ein Grund, warum Kreuzfahrten mit Kindern eine nahezu perfekte Urlaubsform sind: Nicht nur Senioren schätzen den allzeit verfügbaren Arzt, der auf deutschen Schiffen auch noch die eigene Sprache spricht. In St. Petersburg bleibt Sarah dann auch vorsichtshalber noch auf dem Schiff, in Helsinki ist sie wieder fit und strahlt mit der finnischen Sonne um die Wette.

Ab jetzt steht jeden Tag der nahezu gleiche Ablauf auf dem Programm: Aufstehen, Frühstücken, Landgang, Mittagsschlaf an Bord, Kidsclub, Abendessen, Schlafen. Nur die Städte wechseln: Gestern St. Petersburg, heute Helsinki, am nächsten Tag schon Stockholm.

Am Abend vorher hatten im Restaurant bei der Durchsage des Kapitäns noch alle gelacht: „Um 4 Uhr früh erreichen wir die Schären.“ „So früh ist doch niemand wach!“, hatte es vom Nachbartisch getönt.

Oh, doch. Dank mehrmaliger Zeitverschiebung und Sonnenaufgang um kurz nach halb vier, sind beide Kinder tatsächlich Punkt vier wach. An der atemberaubenden Schärendurchfahrt haben sie allerdings wenig Interesse. „Wann gehen wir denn endlich zum Frühstück?“, betteln sie. „Das Restaurant macht erst in zweieinhalb Stunden auf!“ Punkt 6.30 Uhr stehen rund 20 Familien vor dem Restaurant – „Wie, ihr wart auch schon um vier wach?“ Stockholm mit seiner grandiosen Lage entschädigt für das frühe Aufstehen. Da seit St. Petersburg die Sonne alle Wolken am Himmel verdrängt hat, strahlt die Stadt in allen Farben. Nicht anders am nächsten Tag Danzig und später Kopenhagen. Doch Marie interessiert all das nicht besonders. Das Vormittagsprogramm an Land lässt sie immer nur widerwillig über sich ergehen und nur mit der Aussicht auf ein Eis oder das Mittagessen an Bord.

Dort haben die beiden Mädchen übrigens schon am ersten Tag der Kreuzfahrt das Interesse aller Kellner, aber vor allem aller mitreisenden Omas und Opas auf sich gezogen. „Ach, sind die aber niedlich“, „Ach, sind die aber brav“ – „Na ja, meistens“, ergänzen die Eltern dann nur noch pflichtbewusst, während Sarah ihr süßestes Lächeln aufsetzt.

Nach zehn Tagen ist wieder Warnemünde erreicht, ein letztes Mal Restaurant, ein letztes Mal Bällebad, ein letztes Mal die Tür der „Sabine“, äh Kabine zuziehen. Drei Wochen später – längst wieder zurück in der Heimat – kommt plötzlich das: Nach dem Abendessen fragt Marie „Gehen wir jetzt zum Schlafen wieder in die Sabine?“ „Das geht leider nicht, der Urlaub ist vorbei!“ „Aber morgen doch bestimmt wieder ins Bällebad?“ (dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false