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Hügel für Hügel. Eine Radtour hat mit Pilgern mehr zu tun als ein Bus voller Touristen.

© Udi Berner

Radpilger in Israel: Zu Petrus am Nordufer entlang

Bibelkunde: mit dem Rad um den See Genezareth.

Nach eineinhalb Stunden auf einem quietschenden, ächzenden Mountainbike, vorbei am Jesusboot und Maria Magdalenas Geburtsort, kommen die ersten Zweifel. Wäre es nicht vernünftiger gewesen, wie tausend andere christliche Pilger auch, die heiligen Orte am See per Bus abzuklappern? Oder einfach zu baden? Stattdessen: Schweiß auf der Haut. Wer den 165 Quadratkilometer großen See per Fahrrad statt im klimatisierten Auto oder Bus erkundet, lernt ihn wirklich kennen.

Hügel für Hügel. Meter für Meter. Kein Wunder, dass es inzwischen nicht mehr nur „Holy Land Bus Tours“, sondern auch „Holy Land Bike Tours“ gibt. Nach dem masochistischen Gestrampel auf dem Fahrrad fühlt es sich im kühlen Schatten einer Kirche noch besser an. Und mit Pilgern hat die Radtour auch mehr zu tun als ein Bus voller Touristen.

Die christliche Pilgerroute beginnt gleich hinter Tiberias, der größten Stadt am See, Heimat vieler orthodoxer Juden und Urlaubsort für Sonnenanbeter. In Migdal, einige Kilometer hinter Tiberias, wurde der Überlieferung nach Maria Magdalena geboren, und im Kibbuz Ginosar gibt es im Schlamm des Sees Überreste eines Fischerbootes aus vorchristlicher Zeit zu bestaunen. Als Jesusboot vermarktet, lockt es nun die Pilger in Scharen.

„Das ganze Spektakel ist Teil des Spiels“, sagt Eduardo grinsend. Der Israeli mit argentinischer Abstammung führt eine Pilgergruppe aus Portugal zur Petruskapelle in Tabgha, der nächsten Station. Auch er ist schon mit dem Fahrrad um den See gefahren. „Am östlichen Ufer ist es nicht so hügelig“, erzählt er und zieht seinen Laptop aus dem Rucksack. „Da habe ich die Bibel für die Pilgergruppe drauf“, erklärt er. Über Tabgha erhebt sich der Berg der Seligpreisungen. Hier soll Jesus seine Bergpredigt gehalten haben. Wer die Serpentinen hinaufgestrampelt ist, wird mit einem Blick über den See und die umliegenden Felder voller Dattelpalmen, Oliven- und Zitronenbäume belohnt.

Weiter geht es im Uhrzeigersinn am Nordufer entlang. Im ehemaligen Fischerort Kapernaum hat Petrus gelebt, hier soll Jesus ihn und Andreas zu Menschenfischern gemacht haben. Beitseida, schon in der Kurve zum östlichen Ufer des Sees, ist der Ort, an dem Jesus laut der Bibel mit fünf Broten und zwei Fischen 5000 Menschen gespeist hat.

Weil das Ostufer aber früher schlecht für Pilger zu erreichen war, wurde der Ort des Wunders im 3. Jahrhundert nahe Tabgha ans Westufer verlegt, wo heute noch die Kirche der Brotvermehrung steht. In Beitseida graben Archäologen. Bis 1987 dämmerte hier unbemerkt eine verlassene jüdische Siedlung aus der Zeit Jesu vor sich hin. Immer noch gräbt das Archäologenteam Kulturschätze aus.

Ein Bauer mit Strohhut bestellt sein Feld und hebt freundlich grüßend die Hand. Ab und zu fährt hupend ein Lastwagen oder ein Familienauto auf dem Weg zu einem der zahlreichen Badestrände vorbei. Den Seitenstreifen hat der Radfahrer für sich allein. Andere Radler sind nicht zu sehen. Bis auf einen. Goldkettchen auf der behaarten Brust, eng anliegende Rennfahrerkluft und eine verspiegelte Sonnenbrille – so kommt Ram angeradelt. „Das hier ist ja keine anstrengende Strecke“, verkündet der hagere Sportler aus Nazareth. Er sei am Tag zuvor mit dem Fahrrad zum Toten Meer gefahren. Das sei eine Tour.

Nach fünf Stunden Fahrt: Endspurt Richtung Tiberias. Am südlichen Ufer, gleich in der Nähe von Deganyia, Israels erstem Kibbuz, wartet Yardenit auf Besucher: Dort, wo der Jordan aus dem See fließt, hat sich Jesus mit großer Wahrscheinlichkeit zwar nicht taufen lassen. Dafür soll es heute etwa eine Millionen Besucher pro Jahr geben.

Entlang von Sperrgittern wie vor dem Einlass eines Rock-Konzerts werden gerade mehrere Dutzend weiß gekleidete Pilger aus Ecuador ins Wasser geführt und getauft. Danach heißt es, Souvenirs kaufen. Eine Jesus-Dattelmarmelade und eine Flasche Jordanwasser im Gepäck fahren sich die letzten 15 Kilometer nach Tiberias auch mit dem Fahrrad ganz leicht. Oder ist es die Aussicht auf einen Sprung ins kühle Seewasser am Ende der Tour? (dpa)

Mehr im Internet: goisrael.com

Patrizia Schlosser

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