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Große Rah-Segler haben ihren ganz besonderen Reiz, vor allem bei einer Trans-Atlantik-Fahrt. Entsprechend groß sind auch die Fan-Gemeinden der Schiffe.

© Reinhart Bünger

Reisetagebuch Tag 12: Patina ist besser als Rost

Mann, ist das schwül heute! Das Wasser läuft ja aus den Schuhen. 28 Grad Celsius beträgt die Lufttemperatur, die Luftfeuchtigkeit ist enorm: Ruck-Zuck sind wir klatschnass. Heute lässt die Karibik aber wirklich grüßen. Und so hilft nur ein Sitzplatz im Schatten weiter. An Deck riecht es nach Messingpolitur.

Bei strahlendem Sonnenschein ist die Crew mit Wartungsarbeiten beschäftigt: Sie schleifen Metallteile ab und überziehen sie mit einem Schutzanstrich gegen Rost, die Taue zum An- und Ablegen werden mit einem Heizluftgebläse abgeflammt, damit sich die vielen kleinen hochstehenden Polyesterhaare wieder mit dem Zopf verbinden. In Handarbeit werden Teile der hölzernen Deckaufbauten abgeschmirgelt und anschließend neu gestrichen.

Im Kampf gegen das Meerwasser und gegen die Folgen der Regenfälle gewinnt letzten Endes immer die See – es sei denn, Mannschaften und Eigner gehen massiv gegen Rost und Verfall an. Da geht der 81 Jahre alten „Sea Cloud“ so wie ihrer jüngeren Schwester, der „Sea Cloud II“, die im März 1999 vom Stapel lief. Beide Großsegler haben ihre Fans, die meisten der Wiederholungsreisenden kennen beide Schiffe. Es gibt gute Gründe für das eine oder das andere. Hier ein kleiner Vergleich aus Gästesicht:

Törns:

Es gibt Gäste, die sich für die „Sea Cloud II“ entscheiden, wenn es um die längeren Transatlantikreisen geht. Der Neubau bietet einfach mehr Platz und wurde im Gegensatz zur älteren Windjammer-Lady gleich als Passagierschiff gebaut. „Für kleinere Fahrten würde ich aber immer die ,Sea Cloud' nehmen,“ sagt ein Mitreisender. Sie habe mehr Patina.

Unterhaltungsangebot:

Die „Sea Cloud“ ist mit Blick auf elektronische Unterhaltungsangebote puristischer angelegt. Während auf „Sea Cloud II“ in den Kabinen Bildschirme zum Empfang der bordeigenen Videofilmangebotes zu finden sind, können auf der „Sea Cloud“ in den Kabinen zwei Musikkanäle empfangen werden. Das ist kein Mangel, finden viele und entscheiden sich gerade deshalb für die „Sea Cloud“.

Bordbibliothek:

Wer längere Zeit auf einem der beiden Rahsegler verbringt, freut sich über den Extra-Raum für eine Bordbibliothek auf der „Sea Cloud II“. Hier finden sich rund um das Thema Seefahrt zudem weitaus mehr Bücher, als sie auf der „Sea Cloud“ Platz finden können. Natürlich gibt es auch auf dem älteren Schwesterschiff – allerdings sehr überschaubare – Leseangebote.

Segel- und Fahreigenschaften:

Der Blick auf die Weiten des Meeres ist auf beiden Schiffen die Hauptattraktion. Vor allem, weil selten Schiffsmotoren stören.
Der Blick auf die Weiten des Meeres ist auf beiden Schiffen die Hauptattraktion. Vor allem, weil selten Schiffsmotoren stören.

© Reinhart Bünger

„Sea Cloud“ und „Sea Cloud II“ unterscheiden sich auch in der Form ihrer Unterwasserschiffe. Viele Reisende sind der Meinung, dass die „Sea Cloud“ mit ihrem Yacht-Rumpf besser im Wasser liegt. Vor allem auch bei der oft gar nicht so seltenen Fahrt unter Motor.

Mannschaftsunterkünfte:
Die Mannschaften fühlen sich auf der „Sea Cloud“ mehr „zu Hause“. Das Schiff ist familiärer; allerdings sind die Mannschaftsunterkünfte auf der „Sea Cloud II“ besser und größer.

Mannschaft:
Aus Sicht der Passagiere gibt es für beide Schiffe nur eine Mannschaft, da Service- und Deckpersonal mal auf dem einen, mal auf dem anderen Schiff arbeiten. Das heißt: wer schon einmal auf einem der beiden „Sea Cloud“-Schiffe gefahren ist, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf dem anderen bekannte Crew-Member treffen. Dieser Wiedererkennungseffekt ist auf beiden Windjammern gleich groß.

Luxus:

Ein Crew-Mitglied beim Angeln.
Ein Crew-Mitglied beim Angeln.

© Reinhart Bünger

Die „Sea Cloud“ ist einst als Segelyacht für eine sehr reiche Familie gebaut worden. Um sie zu einem Passagierschiff zu machen, kamen Deckaufbauten hinzu, die Kabinen stammen also nicht alle aus dem gleichen Jahr. Das Outfit ist bei gleichem technischen Standard unterschiedlich, was aber nicht als Mangel empfunden wird. Die „Sea Cloud II“ ist in dieser Hinsicht aus einem Guss.

Internet:

Bei Atlantiküberquerungen mit „Sea Cloud“ und „Sea Cloud II“ lässt sich das aus Büroalltagen gewohnte Leben – Gott-sei-Dank – nicht fortsetzen: Beide Schiffe haben herausragende Bordelektroniker, doch ein mit vielen Bits und Bytes belastbares Netz können sie nicht immer und überall herbeizaubern. Zur Not hilft die Rezeption, wenn wirklich wichtige Nachrichten unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt an Land sein müssen. Die Empfangsbereitschaft ist oft eingeschränkt.

Platz und Plätze an und unter Deck:

Sonnenuntergang auf der Sea Cloud II: Die Nächte sind jetzt schon warm genug um auf Deck zu schlafen.
Sonnenuntergang auf der Sea Cloud II: Die Nächte sind jetzt schon warm genug um auf Deck zu schlafen.

© Reinhart Bünger

Hier bewegen wir uns im Bereich des subjektiven Erlebens: Die „Sea Cloud II“ hat eine größere Lido-Bar, ein deutlich größeres Restaurant, zudem einen Fitnessraum, eine Sauna und eine Bordbibliothek. Damit ist sie das komfortablere Angebot. Aber: Das so genannte „Monkey Deck“ über dem Steuerhaus und die als „blaue Lagune“ bezeichnete Sitzkissenlandschaft im Heck der „Sea Cloud“ sucht beim Neubau ihresgleichen. Beides sind gemütliche Plätze an Deck. Unter Deck hat die Sea Cloud II mehr zu bieten, zumal es hier noch einen Shop-Bereich gibt.

Passagiere:
Beide Schiffe haben auf Transatlantikfahrten ihre Fangemeinden. Wenn der Eindruck nicht täuscht, sind auf der alten „Sea Cloud“ mehr alte Seeleute und Amerikaner an Bord. Auf der „Sea Cloud II“ dominieren Segler, Gruppen, die sich zur Transatlantikfahrt zusammenfinden (nicht unbedingt mit einer „Sea Cloud“) und Paare, die es sich einmal gut gehen lassen wollen. Alleinreisende, die aufgrund bestimmter persönlicher Lebenssituation oder aufgrund ihrer Familienhistorie eine Windjammer-Fahrt gebucht haben, gibt es auf beiden Schiffen. Die Leidenschaft für Rahsegler und für das persönliche Gespräch kommt ebenfalls auf „Sea Cloud“ und „Sea Cloud II“ gleichermaßen zum Tragen.

Bordmusik:
Die „Sea Cloud II“ hat durch entsprechende (Computer-)Technik mehr Möglichkeiten, Musikwünsche auch aus der „Konserve“ zu erfüllen. Die Anlage und das Bordklavier auf der „Sea Cloud“ sind besser auf das Schiff und dessen Transatlantik-Publikum angestimmt.

Lektoren & Unterhaltung:

Allein aufgrund der räumlichen Verhältnisse an Bord, hat die „Sea Cloud II“ deutlich mehr zu bieten. Entscheidend sind, wie stets, die Kreuzfahrtdirektoren, die die Programme ausarbeiten. Hier einzelne Angebote zu bewerten, wäre ungerecht. Captains Dinner, Neptun-Taufe, Piratenabend und Flaschenpost versenden sind wiederkehrende Angebote auf beiden Schiffen, wenn sie auf Transatlantik-Fahrt gehen.

Der Sonnenuntergang liegt jetzt lange zurück, bald bricht die Nacht herein – das sind auf „Sea Cloud“ und „Sea Cloud II“ ganz besondere Stunden für Passagiere mit einer romantischen Ader – also für alle Reisenden. Bei klaren Himmel wiegen sich die Großmasten im Sternenbild von Backbord nach Steuerbord und zurück. Jetzt sind die Nächte warm genug, um draußen auf einer der Kissenlandschaften schlafen zu gehen. Mal sehen, ob die Nachtwachen auf den Brücken die Augen zudrücken...

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