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Reisetrends: Schick mit Etikett

Fernreisen und Wellnessurlaub, das sind die Trends, die sich aus dem neuen Tui-Programm ablesen lassen.

Reisen wird allem Anschein nach immer exklusiver. Nachdem nun auch Marktführer Tui aus Hannover sein umfangreiches Programm für den Sommer 2011 vorgestellt hat, kristallisiert sich ein Trend heraus: Fernreisen und die sogenannte Spezialtouristik wie etwa Wellnessurlaub sind die Bereiche mit dem größten Wachstum. Und die mit den besseren Gewinnmargen.

Wer die Reihe der Programmvorstellungen der Veranstalter in den vergangenen Wochen beobachtet hat, stellt fest, noble Hotelmarken werden ausgebaut und in den Vordergrund gestellt. Auch Tui macht da keine Ausnahme. Bei den „Brot-und-Butter-Reisen“, also einfachen Pauschalpaketen oder Familienreisen, wird jedoch vielfach alter Wein in neuen Schläuchen präsentiert. Solide Reisen zwar, mit der Sicherheit eines Veranstalters, doch nicht mit dem Oho-Effekt, den die Hannoveraner beispielsweise bei ihrem Produkt „Best Family“ gern selbst sehen. „Das neue Hotelkonzept für Familien“, heißt es. Neu ist nicht wirklich viel bei den unter diesem Etikett angebotenen Hotels mit Clubcharakter, außer der Verpackung. „Den gesellschaftlichen Trends folgend, spricht ,Best Family’ klassische Familien, Patchwork-Familien, Alleinerziehende, Großfamilien mit drei und mehr Kindern sowie Großeltern mit Enkelkindern an.“

Die „Best Family“-Hotels sind alle im Dreieinhalb- bis Viereinhalb-Sterne-Standard angesiedelt, weisen erste Strandlage auf oder, wenn das nicht gegeben ist, weitläufige Poollandschaften. Getrennte Schlafzimmer für Eltern und Kinder sind ebenfalls die Regel. Da Familien mit Kindern immer preissensibler reagieren, bieten alle Häuser dieser Marke Kinderfestpreise für bis zu drei Sprösslinge sowie All-inclusive-Verpflegung. Wer ein Reisebüro findet, das auf der Klaviatur der Frühbucherrabatte und diversen Boni besonders gut spielen kann, wird preislich interessante Angebote in den 29 Hotels rund ums Mittelmeer sowie auf den Kanarischen Inseln, in Ägypten, Deutschland und Österreich finden, auch zu Ferienzeiten. Preisbeispiel: Eine Woche im Viereinhalb-Sterne-Hotel Mehari Hammamet in Tunesien kostet bei Buchung bis zum 31. Januar 2011 inklusive Flug zum Beispiel ab Berlin-Schönefeld und All-inclusive-Verpflegung ab 691 Euro pro Erwachsenen, Kind 309 Euro im Apartment, macht 1691 Euro.

In einer etwas anderen Liga soll bei Tui die neue Hotelmarke „Puravida“ spielen. Hier wird den Urlaubern angeblich „pralles Leben“ geboten. Marktforscher des Veranstalters und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) haben dafür die Urlaubsbedürfnisse und -aktivitäten sowie Produkterwartungen bei deutschen Verbrauchern abgefragt sowie „Studien zu Lebensstilen zur Identifikation gesellschaftlicher Trends“ analysiert. Herausgekommen ist die Rechtfertigung für ein Hotelkonzept, das niemanden verblüffen kann, der über ein wenig Lebenserfahrung und ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand verfügt: Da die Tui die Puravida Resorts in allen Ländern vermarkten möchte, in denen sie aktiv ist, müssen die Gäste natürlich „weltoffen“ sein. Das heißt, der deutsche Urlauber muss Engländer, Holländer, Skandinavier oder auch ein paar Russen neben sich dulden. Die Zielgruppe soll einen „gehobenen Lebensstil“ pflegen. Das bedeutet: Es darf etwas teurer sein. „Puravida richtet sich an Menschen, die im Urlaub Entspannung und Ruhe suchen, aber auch aktiv sind und ein Land erkunden möchten“, sagt Stefanie Schulze zur Wiesch, verantwortlich für Hotelkonzepte bei Tui Deutschland.

Wer einen Blick auf die beiden ersten Puravida-Hotels wirft (im türkischen Belek und auf der griechischen Insel Kos), stellt fest: Die nach dem Tui-Konzept gestalteten Häuser werden einen sehr guten Komfort, schickes Design, viel Wellness und ein breites Sportangebot bieten. Dazu kommt ein Gastronomiekonzept, das auf Bio und regionale Produkte setzt. Also keineswegs eine bahnbrechende Hotelneuerung, die den offenbar betriebenen Marktforschungsaufwand rechtfertigt. Diese Hotels werden im Rahmen eines Franchise-Konzepts betrieben, das heißt, ein Hotelier muss sich den Bedingungen von Tui unterwerfen, sein Hotel gegebenenfalls umgestalten und die gewiss hohen Qualitätsstandards einhalten. Bis 2015 sollen 15 Häuser dieser Art entstehen. Preisbeispiel: Eine Woche im Fünf-Sterne-Haus Blue Lagoon Village auf Kos kostet inklusive Flug zum Beispiel ab München und All-inclusive-Verpflegung ab 653 Euro pro Person im Doppelzimmer (Frühbucherrabatte inklusive).

Bei allem Optimismus, einen großen Aufreger gibt es derzeit in der Reisebranche. „Ziemlichen Unsinn“ nennt Volker Böttcher die Luftverkehrssteuer, die bereits heute auf Buchungen für Flugreisen nach dem 1. Januar 2011 erhoben wird. Das belaste im Moment zwar noch nicht die Buchungen, doch „es kann zu Problemen führen“, warnt der Vorsitzende der Geschäftsführung von Tui Deutschland. Der Reisesektor sei sehr sensibel. Alle Gespräche mit der Politik seien letztlich vergeblich gewesen. Die Argumente der Branche habe man in Berlin zwar verstanden, doch das gesamte Sparpaket habe die Politik nicht wieder aufschnüren wollen. „Wir sind eben leider nicht die Autoindustrie“, sagt Böttcher.

Freuen tut sich Böttcher über den Fernreiseboom. Sowohl in der gerade abgeschlossenen Sommersaison als auch im aktuellen Reisewinter verzeichnet der Veranstalter ein Buchungsplus von 30 Prozent. Auch für den Sommer 2011 stehen die Zeichen auf Wachstum. In sechs Katalogen bietet der Marktführer etwa 1800 Hotels in 44 Reiseländern und 450 Rundreisen mit garantierter Durchführung. Wegen der starken Nachfrage wurde in den USA das Angebot um 20 Prozent ausgebaut. Eine Nacht etwa im Drei-Sterne-Hotel Holiday Inn Beverly Garland in Los Angeles kostet pro Person im Doppelzimmer ab 57 Euro. Auf 16 Seiten des Fernreise-Katalogs werden Ferienhäuser und -apartments in Florida dargestellt. Mit mehr als 40 Angeboten haben die Hannoveraner nach eigenen Angaben „das breiteste Ferienhausprogramm in Florida“ auf dem deutschen Veranstaltermarkt.

Insgesamt gibt sich der Branchenführer sehr zuversichtlich. Umfragen zeigen, dass die Urlaubsreise weiterhin einen hohen Stellenwert bei den Deutschen genießt. Gerd W. Seidemann

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